„Der Frankfurter Flughafen ist Deutschlands größter Fischereihafen“, überraschte Francisco Marí die Zuhörerinnen und Zuhörer des Podiums „Globale Schnäppchenjagd“. Die Erklärung: 80 Prozent aller Fische, die in Deutschland gegessen werden, sind importiert. Ein Drittel aller Fischimporte stammen aus Entwicklungsländern. „Der Hamburger Fischmarkt ist nur noch eine Touristenattaktion“, stellte der Referent für Agrarhandel und Fischerei von Brot für die Welt fest.
Die Meere sind überfischt
Der Zustand der Fischbestände in den Weltmeeren ist dramatisch. 30 Prozent der Gewässer sind völlig überfischt, fast 60 Prozent werden bis zur Grenze des Vertretbaren ausgebeutet. Lediglich 13 Prozent der Meere sind noch intakt. Angesichts der Bedeutung des Fischfangs für die Wirtschaft und für die Ernährung sei das eine bedrohliche Situation: 70 Millionen Fischer und Fischerinnen – die Hälfte aller Menschen im Fischereihandwerk ist weiblich – sorgen für den Lebensunterhalt von einer Milliarde Menschen.
Die Schnäppchenjagd muss aufhören
Erste kleine Schritte sind auf internationaler Ebene gemacht worden. Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, das 1994 in Kraft getreten ist, hat zumindest erreicht, dass Länder das Recht haben 200 Meilen vor ihrer Küste die Fischerei zu regeln. 2008 beschloss die FAO-Konferenz zur Zukunft der handwerklichen Fischerei in Bangkok, dass zuerst Kleinfischer das Recht haben müssen, für ihre Bedürfnisse zu fangen. Nur das, was über ihre Bedürfnisse hinausgeht, dürfe von den Regierungen der Küstenländer international verkauft werden. Nur könnten viele Entwicklungsländer dieses Recht nicht durchsetzen oder korrupte Regierungen kümmerten sich nicht um das internationale Recht.
Marí appellierte daher an die Politik und die Verbraucherinnen und Verbraucher: „Die Schnäppchenjagd muss aufhören“. Den Menschen in Europa komme dabei eine Schlüsselrolle zu: 72 Prozent des weltweit gehandelten Fisches geht in die EU.
Bedeutung für Entwicklungsländer ist groß
In der Diskussion wurde es deutlich, dass es für ein komplexes Problem keine einfachen Lösungen gibt. Gaoussou Gueye, Generalsekretär Westafrikanischer Fischereiverband aus dem Senegal betonte die Bedeutung des Fischfangs für sein Land. Im Senegal leben fast eineinhalb Millionen Menschen vom Fisch. Diese müssten vor den industriellen Fangschiffen aus Europa geschützt werden. „2006 wurden die Abkommen zwischen EU und Senegal nicht mehr erneuert, weil Bestände erstmals Erschöpfungsanzeichen zeigten.“ Daraufhin entstanden so genannte „Mischfischereien“ die zu 51 Prozent Senegalesen und zu 49 Prozent Europäern oder Asiaten gehörten. Der Fisch wird aber ausschließlich nach Europa exportiert.
„Die europäischen Fischtrawler sind die am besten kontrollierten Fangschiffe weltweit“, sagte Carlos Aldereguía, Exekutivsekretär des regionalen Beratungsausschusses für die EU-Fernfangflotte. Sie würden nur auf Grund bestehender internationaler Abkommen in fremden Gewässern fischen. So würde zwar vor Mauretanien gefischt, dort gibt es einen Vertrag mit der Regierung. Und auch dort würden die Schiffe nur dort fangen, wo die Küstenfischer mit ihren Booten nicht mehr fangen könnten. Im Senegal aber würden keine europäischen Schiffe mehr fangen.
Das Hauptproblem ist die Raubfischerei
„Das Hauptproblem ist die Raubfischerei“, stimmte ihm Gueye zu. „Illegal gefangener Fisch wird in Las Palmas gelöscht und kommt dann in die europäischen Supermärkte“. Hier werde zu wenig kontrolliert. Aber auch die afrikanischen Regierungen seien Teil des Problems, weil es in den westafrikanischen Ländern keine gute Regierungsführung gibt: „Die Mischfischerei wird nicht kontrolliert.“
Iris Menn, Meeresbiologin von Greenpeace, erläuterte die Vorgehensweise der Raubfischer: die Signalzeichen der Schiffe würden überdeckt und die Funküberwachung werde ausgeschaltet. Auf hoher See werde der illegal gefangene Fisch dann auf Transportschiffe umgeladen und dann in Las Palmas angelandet.
Carlos Aldereguía gibt zu, dass es auf den Kanaren lange Zeit Probleme gab: „Las Palmas war einige Zeit lang ein sehr schlecht kontrollierter Hafen, aber jetzt haben die Kontrollen angezogen.“ Ein Eindruck, den auch Ulrike Rodust vom Fischereiausschuss des Europäischen Parlamentes bestätigt, die sich die Verhältnisse vor Ort angesehen hat.
Neues EU-Fischereiabkommen verspricht Besserung
Ulrike Rodust verweist auf die Erfolge, die seit 2009 erzielt worden seien. Seit dem Vertrag von Lissabon können der Europäische Rat und die Kommission nicht mehr alleine die Fangquoten festlegen. Daher habe das neue Fischereiabkommen zu einer echten Wende in der Fischereipolitik geführt: „Ab 2015 darf nur noch so viel gefangen werden, wie auch Fisch nachwachsen kann. Es gibt dann keine Quoten mehr, die maximal tragbare Fangmenge wird von Wissenschaftlern festgelegt.“
Auch das Problem des Beifangs werde angegangen. Derzeit werde ein Drittel des gefangenen Fisches auf die Quote angerechnet und zwei Drittel der Fänge werden tot ins Meer zurückgeworfen. „Ab 2018 dürfen keine gefangenen Fische mehr ins Meer zurückgeworfen werden. Jeder Fisch der ins Netz geht wird dann angelandet und gezählt.“
„Das neue Fischereiabkommen ist das Beste, was es bisher gab“, stimmt Iris Menn ihr zu. Dennoch greife es zu kurz. Die Fischereipolitik sei nicht kohärent mit der Entwicklungshilfepolitik. Die Menschen in Europa müssten insgesamt weniger Fisch essen, da sie anders als diejenigen in Entwicklungsländern nicht auf Fisch als Eiweißquell angewiesen seien.
Insgesamt waren die Vertreterinnen und Vertreter auf dem Podium recht einig: an der Fischereipolitik der EU habe sich vieles zum besseren geändert. Das eigentliche Problem sei heute die Raubfischerei. Rodust bemängelte vor allem die niedrigen Strafen für Raubfischer: „Ich habe den Vorschlag gemacht, dass ertappte Raubfischer für fünf Jahre keine Subventionen von der EU mehr erhalten und nicht mehr unter europäischer Flagge fahren dürften. Dieser Vorschlag wird derzeit noch von Kommission blockiert.“
Iris Menn wies außerdem darauf hin, dass es außerhalb von 200 Seemeilen vor den Küsten, also bei zwei Dritteln der Meeresfläche, nahezu gar keine Regulierung gäbe. Auch auf UN-Ebene gäbe es erste Initiativen hier eine Regulierung zu erreichen, aber aufgrund unterschiedlicher Interessen steht ein Abkommen noch in weiter Ferne.
Verbraucherinnen und Verbraucher können mitentscheiden
Uneinig waren sich Rodust und Menn über die Sinnhaftigkeit von Siegelinitiativen bei Fisch. Während Rodust sich dafür aussprach regional gefangenen Fisch mit dem MSC-Siegel zu kaufen, sagte Menn: „Greenpeace hat die Kriterien der bekannten Fischsiegel überprüft: MSC, Biosiegel, Naturland für Aquakultur. Keins dieser Siegel ist gut. Wir haben stattdessen einen Ratgeber für Verbraucher herausgegeben, der Kriterien aufstellt, nach denen diese beim Einkauf entscheiden können.“ Die grundsätzliche Botschaft aber sei: „Essen Sie weniger Fisch und achten Sie auf die richtige Wahl!“