Migration ist zu einem sensiblen und schwierigen Bereich nationaler und internationaler Politik geworden. Vergangene Woche fand seit 2006 zum zweiten Mal ein hochrangiger UN-Dialog über Migration und Entwicklung in New York im Hauptsitz der Vereinten Nationen statt. Er war überschattet vom tragischen Schicksal der MigrantInnen, die beim Versuch die Küsten Europas zu erreichen, ertrunken sind.
Zwei Tage nahmen sich die Mitgliedstaaten und –organisationen der Vereinten Nationen Zeit für die Zusammenhänge von Migration und Entwicklung und stuften Migration als einen Schlüsselfaktor für inklusive und nachhaltige Entwicklung und damit als äußerst relevant für die Post-2015-Entwicklungsagenda ein.
Der Einfluss der derzeit ca. 232 Millionen internationalen Migrantinnen und Migranten auf nachhaltige Entwicklung ist komplex. Die Mehrzahl von ihnen verlässt die Heimat, um Arbeit zu finden, und nimmt in ihrem Zielland am wirtschaftlichen Leben teil. Es ist häufig eine erzwungene Migration, wenn die Armut im Herkunftsland keine würdigen Lebensumstände erlaubt. Dennoch sind vielfach auch positive Entwicklungen festzustellen. Die Weltbank gibt an, dass in 2012 401 Mrd. USD in Form von Rückweisungen in Entwicklungsländer geflossen sind. Ein Vielfaches der globalen offiziellen Entwicklungsgelder. Die Empfänger dieser Gelder investieren sie häufig in Bildung und Gesundheit.
Gleichzeitig ergeben sich aber auch massive negative Folgen häufig für Migrantinnen und Migranten selbst. Ihre Gesundheit, Sicherheit, Wohlergehen und menschenrechtlicher Schutz bleiben häufig auf der Strecke. Menschenrechtsverletzungen und prekäre oder ausbeuterische Arbeitsbedingungen treffen Menschen in der Migration besonders häufig.
In einigen Ländern, aus denen Migranten abwandern, kann es zu Arbeitskräftemangel oder Brain Drain kommen. Auch soziale Kosten können hoch sein, etwa wenn ältere Menschen oder Kinder in Herkunftsländern zurückgelassen werden.
Rein ökonomisch gesehen profitieren zwar alle Zielländer von Arbeitsmigrantinnen und -migranten, insbesondere dann, wenn diese über gefragte Qualifikationen verfügen, sie anwenden und an der Gesellschaft teilhaben können. Allerdings fehlen sehr oft die geeigneten sozialen und gesetzgeberischen Maßnahmen auf staatlicher Seite, um dies zu begünstigen. Stattdessen werden Migrationsmöglichkeiten und -wege eingeschränkt. Diese Abschottungsstrategien sind kontraproduktiv für Entwicklung sowohl in den Entsende- als auch in den Aufnahmeländern, und immer häufiger auch lebensgefährlich für Migrationswillige.
Zwar bekannten sich nahezu alle Akteure und staatlichen Vertreter zu ihrer Verpflichtung die Menschenrechte von Migrantinnen und Migranten zu schützen und zu garantieren, der Apell des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon Staaten sollten die UN-Konvention über die Rechte von WanderarbeitnehmerInnen und ihren Familien ratifizieren, verhallte jedoch vorerst. Immerhin schienen die acht - nicht verpflichtenden - Forderungen, die Ban den Staaten unterbreitete, auf breite Zustimmung zu stoßen. Sie zielen u.a. auf Menschenrechtsschutz und Bekämpfung von Diskriminierung von Migrantinnen und Migranten ab.
Auch zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen, Migrantinnen und Migranten und Kirchen kamen in New York zusammen und befassten sich rund um den hochrangigen Dialog mit menschenrechtlich relevanten Fragestellungen im Kontext Migration und Mobilität.
Die Workshops und Diskussionen von Peoples‘ Global Action, Churches Witnessing with Migrants und der International Assembly of Migrants and Refugees wurden von Brot für die Welt unterstützt und stellten die Frage nach Gerechtigkeit und ethischen Standards, die im Streben nach Wachstum und Sicherheit – auch bei der UN - in den Hintergrund geraten ist.
Im Gegensatz zum hochrangigen Dialog der UN blickten die Aktivisten auf die sozialen und wirtschaftlichen Folgen struktureller Ungleichheit und diskutierten ihrerseits Ansätze möglicher Verbesserungen auf. Ziel ist es, den international dominanten Diskurs um Migration und Entwicklung kritisch zu reflektieren und über rein ökonomische Verwertbarkeitskriterien hinaus zu prägen. Vertreter der Peoples‘ Global Action brachten beispielsweise einen Handlungsplan ein, der ebenfalls acht Forderungen an internationale Migrationspolitik vorsieht.
Es bleibt abzuwarten, inwiefern sich die Absichtserklärungen, die im Rahmen des hochrangigen Dialogs gemacht wurden, in konkreten politischen Maßnahmen der Staaten niederschlagen. Angesichts dessen, dass es keine UN Organisation gibt, die das Mandat hat, sich mit Migration und Entwicklung zu befassen, ist es schon ein kleiner Erfolg, dass das Großereignis nun zum zweiten Mal innerhalb der Vereinten Nationen stattgefunden hat.