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Gegen den Verlust des Politischen - Offener Brief von Christen zur Bundestagswahl

Im Folgenden ein offener Brief von Christinnen und Christen zur Bundestagswahl im Wortlaut und zum herunterladen.

 

Von Andreas Dieterich am

Im Folgenden ein offener Brief von Christinnen und Christen zur Bundestagswahl im Wortlaut und zum herunterladen.

Gegen den Verlust des Politischen

Offener Brief von Christen zur Bundestagswahl


Wir wenden uns mit diesem Brief an alle, die von der Politik in unserem Land enttäuscht sind, wie

von einer Lähmung befallen und fast kapitulieren vor der Frage, was sie wählen und ob sie überhaupt

wählen sollen. Wir wollen aber nicht länger hinnehmen, dass eine Debatte über langfristige

gesellschaftliche Ziele nicht nur nicht stattfindet, sondern auch offenbar nicht gewollt ist.

Mit diesem Verlust des Politischen finden wir uns nicht ab. Wir weisen mit unserem Brief auf zwei

für uns wesentliche Politikfelder hin. Wir wissen uns der ökumenischen Friedens- und Gerechtigkeitsarbeit

verpflichtet. Wir vertrauen der Kraft der Zivilgesellschaft. Eine „marktkonforme Demokratie“

wie ein scheinbar alternativloses „weiter so“ akzeptieren wir nicht.


1.

Deutschland wird immer mehr zum Akteur einer militär-gestützten Interessen- und Machtpolitik.

Die Logik entgrenzter Kriegsführung tritt an die Stelle der vom Grundgesetz gebotenen Friedensverpflichtung.

Statt die Tradition militärischer Zurückhaltung, einst Kern deutscher Friedenspolitik,

zu nutzen, bedient die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik vor allem nationale Egoismen mit

Hilfe militärischer Mittel.


Dass die Maxime „Vorrang für Zivil“ nahezu aus dem Vokabular der deutschen Politik verschwunden

ist, gehört zu den Defiziten der letzten fünf Jahre. Es gibt kaum noch Initiativen, die ein vorrangiges

Interesse deutscher Politik an Prävention erkennen lassen. Die Bundeswehr wird von der

Politik zum Generalbevollmächtigten deutscher Friedensverantwortung hochstilisiert. Diese Entwicklung

lehnen wir entschieden ab.


Wie perspektivlos diese Politik ist, zeigt das Beispiel Afghanistan. Der Versuch, in Afghanistan mit

militärischen Mitteln nachhaltigen Frieden zu schaffen, ist gescheitert. Dennoch wird die Bundeswehr

zu einer weltweit aktiven Einsatz-Armee umgebaut. Ihre strategische Aufgabe ist es, den nationalen

Interessen Deutschlands Geltung zu verschaffen. Es gebe keine Region der Welt, „ in der

Deutschland nichts zu suchen habe“ (Verteidigungsminister de Maiziere, 2012).


Oberste politische Priorität hat nicht mehr die Friedensverpflichtung des Grundgesetzes, sondern

die Sicherung des ungehinderten Zugangs zu Rohstoffen durch militärische Interventionsfähigkeit.

Deutschland ist mittlerweile der drittgrößte Waffen- und Rüstungsexporteur der Welt. Mit dieser expansiven Rüstungsexportpolitik betreibt die Bundesregierung Wirtschaftsförderung für die eigene Klientel. Unverblümt gibt die Kanzlerin die skandalösen Waffenexporte in Spannungsgebiete als

Teil deutscher Friedenspolitik aus. Diese Vernebelung, die durch die völlig undurchsichtige Genehmigungspraxis

des Bundessicherheitsrates gestützt wird, darf der Bundestag nicht länger hinnehmen.

Deutsche Rüstungsexporte vergrößern das Gewaltpotential in regionalen Konflikten, erschweren

die Chancen für friedliche Lösungen und erhöhen die Gefahr neuer Kriege. Friedenspolitik

durch Waffenexporte betreiben zu wollen ist ein Armutszeugnis für die deutsche Politik. Mehr Waffen

schaffen nicht mehr Sicherheit, nirgends.


Der Verteidigungsminister will bewaffnete Drohnen anschaffen. Er hält sie für „ethisch neutral“. Ihr

Einsatz sei wie jeder andere, nur weniger gefährlich für „uns“. Wir halten es für einen Skandal, dass

er mit dieser Auffassung auch noch vom bisherigen Evangelischen Militärbischof Martin Dutzmann

unterstützt wird.


Die Beschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr verdeutlicht das fatale Zwangsgefälle, das

von neuen technologischen Entwicklungen für die weltweite Rüstungsdynamik ausgeht.

Wir warnen vor diesen Entwicklungen. Vor allem möchten wir erreichen, dass die Gefahren, die

sich aus dieser schleichenden, kaum diskutierten Militarisierung der deutschen Politik ergeben, öffentlich

bewusst gemacht werden. Nur so kann es gelingen, diesen gefährlichen Entwicklungen zu

widerstehen.


2.

Wir leben in einem reichen Land, privilegiert und besser dran als viele Menschen in anderen Staaten

und Regionen der Welt. Wir schätzen die offene Gesellschaft, die überwiegend tolerante

Grundhaltung, die der Bundesrepublik ein nach außen sympathisches Gesicht gibt. Dazu würde eine

mutige, den großen Möglichkeiten unseres Landes entsprechende Politik passen, die sich den Aufgaben

der Zukunft stellt. Selbst eine Debatte darüber findet nicht statt. Dieser Verzicht führt zu einer

Lähmung der Demokratie.


Zum Verlust des Politischen in unserer Gesellschaft tragen auch die Oppositionsparteien bei. Sie

verhalten sich wie abhängige Konsumenten, die die Produkte der Regierung zwar kritisieren, sie am

Ende aber kaufen: in der Finanzkrise, in der Europapolitik, bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr.

So erleben wir nach innen ein politisch eher erstarrtes Deutschland, in dem sich eine permanente

Große- Koalitions-Stimmung wie Mehltau verbreitet, die die vorhandenen sozialen und politischen

Gegensätze nicht bearbeitet. In selbstgerechter Arroganz zeigt man auf Probleme anderer

Länder und verschweigt, welchen Anteil wir daran haben.


Eine Politik, die in Europa soziale Ungleichheiten verschärft, bereitet den Nährboden für einen neuen

Nationalismus. Deshalb warnen wir nicht nur vor einer Militarisierung, sondern auch vor einer

nationalistischen Vorteilsnahme unserer Politik. Sie bedroht Europas Zukunft.


Deutsche Politik hat maßgeblich daran mitgewirkt, dass die durch globale Finanzmärkte ausgelöste,

und von den Staaten aufgefangene Finanzkrise anschließend zu einer Staatsschuldenkrise umgedeutet

und den Ländern zur Last gelegt wurde, begleitet von subtiler nationalistisch gefärbten Rhetorik.


Wir halten es für verlogen, wenn deutsche Politik den eigenen Bürgern suggeriert, dass ihre Steuern

für die Schulden anderer Länder aufzukommen haben, wo in Wahrheit doch Deutschland der größte

Profiteur der Schulden der Anderen ist.


Die Bundesregierung hat mit der Behauptung, die Krisenländer lebten über ihre Verhältnisse, Maßnahmen

mitverantwortet, die die Wirtschaft der betroffenen Länder kollabieren und die Arbeitslosigkeit

explodieren ließen. So wurde ein politisches Klima erzeugt, in dem Populismus und Nationalismus

gedeihen. Eine Gefahr für die europäischen Demokratien. Dieser Gefahr muss dadurch begegnet

werden, dass eine europäische Solidargemeinschaft den ruinösen Staatenwettbewerb ablöst.


Wir wollen mit diesem Offenen Brief erreichen, dass unser entschiedenes „Nein“ zu nationalen

Egoismen in Europa, zur Militarisierung unserer Politik und unseres Denkens, unser Nein zur Aufrüstung

mit Kampfdrohnen von möglichst vielen Menschen bei ihrer Stimmabgabe bei der Wahl am

22.September mit bedacht werden.


Berlin, im Juli 2013

Almuth Berger (Berlin, ehemalige Ausländerbeauftragte Brandenburgs), Volkmar Deile (Berlin, ehemaliger Generalsekretär amnesty international Deutschland), Heino Falcke (Erfurt, ev. Theologe; Probst i. R.) , Joachim Garstecki (Magdeburg, kath. Theologe, ehemaliger Generalsekretär Pax Christi Deutschland) Heiko Lietz (Güstrow, ev. Theologe, Mitbegründer Neues Forum), Ruth Misselwitz (Berlin, Theologin, Mitbegründerin des Pankower Friedenskreises, ehemalige Vorsitzende der Aktion Sühnezeichen), Hans Misselwitz (Mitbegründer Pankower Friedenskreis, ehemaliger Leiter Büro Thierse), Konrad Raiser (Berlin, ev. Theologe, ehemaliger Generalsekretär des Weltrats der Kirchen in Genf), Gerhard Rein (Berlin, Journalist) und Hans-Jochen Tschiche (Satuelle, Mitbegründer Neues Forum, ehemaliger Leiter der Ev. Akademie Magdeburg).

 

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