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Ratifizierung des Nagoya-Protokolls

(Delhi, 06.07.2012) CBD-Mitglieder berichten über ihre Fortschritte

Von Ehemalige Mitarbeitende am

Kurz nach der Verabschiedung des Nagoya-Protokolls wurde durch den damaligen Exekutivsekretär Ahmed Djoghlaf die Parole herausgegeben, dass der neue Vertrag so schnell wie möglich durch 50 Regierungen ratifiziert werden muss, damit das Protokoll dann pünktlich zur COP-11 im indischen Hyderabad in Oktober 2012 in Kraft treten könne. Eine entsprechende Vorabmeldung während der Rio+20-Gipfels wäre vermutlich als Erfolgsstory der CBD präsentiert worden.

Dieses Ansinnen wurde von zahlreichen Regierungsvertretern und Beobachtern mit Stirnrunzeln begleitet. Das Inkrafttreten des Catagena-Protokolls, das wesentlich klarere Vorschriften zu seiner Umsetzung beinhaltet, hat zweieinhalb Jahre gedauert. Die Aufgaben, die das Nagoya-Protokoll den Regierungen bringt, sind deutlich komplexer - und zahlreiche Staaten müssen zunächst ein innerstaatliches ABS-System aufbauen, bevor sie ein internationales ABS-Abkommen ratifizieren können.

Mit dem Amtsantritt eines neuen Chefs des Sekretariates der CBD, dem Brasilianer Braulio F. de Souza Dias, wurde diese Diskussion auf realistische Füße gestellt - ganz im Sinne der Entscheidung der CBD-Mitglieder, die 2010 in Nagoya das Aichi-Ziel 16 dem Nagoya-Protokoll gewidmet haben: "By 2015, the Nagoya Protocol on Access to Genetic Resources and the Fair and Equitable Sharing of Benefits Arising from their Utilization is in force and operational, consistent with national legislation."

Um während INCP-2 über den Stand der Ratifizierung zu berichten, veranstaltete das Sekretariat der CBD am 3.7. eine "Informal Round Table Discussion on Progress made towards Ratification of the Nagoya Protocol", in dessen Rahmen 20 Regierungen ihren kurzen Bericht gaben. Demnach stellt sich die Lage wie folgt dar:

 

Afrika:

Äthiopien konnte verkünden, dass es soeben die Ratifizierung eingereicht hat.

Namibia berichtete, dass es wegen der komplexen Beteiligung vieler Ministerien nicht möglich war, die notwendigen Prozeduren zur Unterzeichnung innerhalb der Frist abzuschließen, was angesichts seiner Rolle im Verhandlungsprozess bedauerlich sei. Derzeit werde ein nationales ABS-Gesetz parallel zur Vorbereitung des Beitritts zum Nagoya-Protokoll entwickelt. Dabei müssten etliche Konsultationen mit lokalen Gemeinschaften durchgeführt werden. Als ein besonderes Problem - vor dem vermutlich auch zahlreiche andere Regierungsexperten stünden - habe sich die Informations- und Überzeugungsarbeit im Kabinett dargestellt.

 

Asien:

Indonesien arbeitet die bisherigen ABS-Vorschriften in ein neues ABS-Gesetz, die Ratifizierung des Nagoya-Protokolls sei für Ende 2012 geplant.

Malaysia konnte ebenfalls die nicht Unterzeichnungsfrist einhalten, da die Konsultationen zwischen den 13 Bundesstaaten und der Zentralregierung bis heute nicht abgeschlossen seien. Dabei wird auch das nationale ABS-Gesetz beraten, das, als Voraussetzung für eine Ratifizierung, vermutlich noch in 2012 verabschiedet werden kann.

 

Lateinamerika:

Mexiko hat kurz vor ICNP-2 das Nagoya-Protokoll ratifiziert.

Costa Rica besitzt seit 1998 ABS-Mechanismen und -Prozeduren in seinem Biodiversitätsgesetz und wird die Ratifizierung in den nächsten Monaten vorbereiten.

Brasilien stellte die Entwicklung seines ABS-Gesetzes seit 2000 dar, das nun um neue Elemente aus dem Nagoya-Protokoll wie die Vorteilsaufteilung mit lokalen Gemeinschaften oder die Verzahlung mit dem Medizin- und Agrarsektor erweitert werden soll. Das Nagoya-Protokoll ist bereits vom Präsidenten dem Parlament zur Ratifizierung vorgelegt worden.

Kolumbien bereitet derzeit umfangreiche Konsultationen mit den indigenen Völkern über die Ratifizierung vor. Es wird ebenfalls ein nationales ABS-Gesetz auf Grundlage der Entscheidung 391 der Andengemeinschaft und des Nagoya-Protokolls erarbeitet. Bei der letzteren Aufgabe stellt sich die Regierung auf zahlreiche Interventionen der indigenen Völker ein.

 

Industriestaaten:

Japan muss wie zahlreiche andere Staaten auch ein nationales ABS-System einführen, bevor das Nagoya-Protokoll ratifiziert werden kann. Japan konzentriert sich auf die „user measures“ und führt Konsultationen mit der Wissenschaft und Wirtschaft durch. Dabei wurden drei Punkte deutlich:

  • Nutzer brauchen Rechtssicherheit, um nicht als Biopiraten gebrandmarkt zu werden
  • Das ABS Clearing House muss korrekte und umfassende Informationen bereithalten
  • Ein System, dass die Einhaltung der Vorschriften überwacht und sicherstellt, ist nötig, es darf aber nicht die Nutzung von genetischen Ressourcen behindern

Australien berichtet, dass mehrere Bundesstaaten ABS-Gesetze eingeführt haben, das Land sieht sich gleichzeitig als Bereitsteller und Nutzer. Australien hat sich zu einer schnellen Unterzeichnung entschlossen. Vor einer Ratifizierung muss ein ABS-Gesetz auf Bundesebene beschlossen werden, das vermutlich Kontrollstellen in verschiedenen Behörden vorsieht.

Norwegen besitzt ein ABS-Gesetz seit 2009 und hat Offenlegungsvorschriften in sein Patentgesetz eingefügt. Das ABS-Gesetz wird um einige „user measures“ erweitert, Norwegen wird auch eine PIC-Prozedur für den Zugang zu genetischen Ressourcen einführen. Als neue Elemente müssen ABS-Regeln für traditionelles Wissen eingeführt werden. Im Spätsommer werden die öffentlichen Konsultationen beginnen. Das Parlament könnte noch im Herbst das Nagoya-Protokoll ratifizieren.

Die Schweiz bereitet die Ratifizierung vor, zugleich wird das Naturschutzgesetz um ABS-Paragraphen erweitert. Die öffentlichen Konsultationen laufen bis September. Dieser Gesetzgebungsprozess und die Ratifizierung werden vermutlich noch eineinhalb Jahre dauern.

Die Europäische Union stellt einen besonderen Fall dar, da sowohl die EU als auch die Mitgliedsstaaten das Nagoya-Protokoll ratifizieren werden. Bis dato gibt es kaum Erfahrung mit ABS-Systemen, nur wenige Staaten planen eine Zugangsregelung, während sehr viele sich auf „user measures“ konzentrieren werden. Es wurden zahlreiche Konsultationen veranstaltet, so auch mit Brasilien, das über seine nationalen Erfahrungen berichtete. Die EU hat ein Impact

Assessment vorgelegt und eine öffentliche Anhörung durchgeführt und ist entschlossen, einen Gesetzesvorschlag vor COP-11 vorzulegen. Das geplante System muss einfach und angemessen sein, es soll auf bereits vorliegenden Praktiken und Verhaltensregeln aufbauen. Dennoch soll das System effektiv sein und zur Einhaltung der Nutzervorschriften des Nagoya-Protokolls beitragen. Dem Vorschlag muss das Parlament und der Ministerrat zustimmen, die ihrerseits Veränderungen beschließen können. Die Zeitdauer für diese gemeinsame Gesetzgebungsprozedur benennt die EU mit mindestens zwölf Monaten. Es wird geplant, das Aichi-Ziel von 2015 einzuhalten.

Belgien wird sein Impact Assessment Ende 2012 beenden, danach kann die politische Debatte der Implementierung und Ratifikation beginnen. Es wurden bisher die wesentlichen Verpflichtungen identifiziert, es ist aber schwierig, die nationalen Akteure über die Implikationen des Nagoya Protokolls und seinen Einfluss auf nationale Systeme zu informieren, so etwa die Verbindung zwischen PIC und dem Patentsystem.

Frankreich berichtet, dass seine nationale ABS-Arbeit relativ weit vorangeschritten ist, die Regierung beabsichtigt, vor 2015 zu ratifizieren. In den Überseegebieten von Französisch Guyana und Neu-Kaledonien existieren bereits ABS-Vorschriften, auch Polynesien möchte solche entwickeln. Diese existierenden Vorschriften müssen um Vorschriften im Bereich Traditionelles Wissen und Rechte indigener und lokaler Gemeinschaften ergänzt werden. In Frankreich selbst wird derzeit der parlamentarische Prozess zur Implementierung und Ratifikation vorbereitet. In 2011 wurde bereits ein Gesetzesentwurf vorbereitet, dabei werden ebenfalls die Fragen der Nutzung traditionellen Wissens berücksichtigt. Frankreich sieht sich aber auch als Land, das genetische Ressourcen bereitstellt und wendet bereits jetzt eine PIC-Procedur an, die ebenfalls ins Gesetz aufgenommen wird.

Großbritannien hat begonnen, seine Nutzer über das Nagoya-Protokoll zu informieren. Dabei wurde auch ein Workshop mit Vertretern aus Brasilien durchgeführt. Die Regierung wird kein PIC einführen, sich aber die Möglichkeit einer Politikänderung offenhalten.

Dänemark betonte, dass die Botschaft eines ABS-Gesetzes sein müsse: "Keep it simple". Das Gesetz wird sich mit der Nutzung von genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen befassen, falls die Rechte der indigenen Völker und lokalen Gemeinschaften in den Herkunftsländern gesichert sind. Dänemark wird keinen PIC vorsehen, aber eine Registrierung des Zugangs, so dass eine Rückverfolgung des Weges dänischer Ressourcen möglich wird. Zudem werden verschiedene Check Points eingeführt, etwa im Patentamt oder im System der staatlichen Forschungsfinanzierung.

Deutschland erklärte, dass eine nationale Umsetzung vorliegen müsse, bevor das Nagoya-Protokoll ratifiziert werden kann. Die Regierung hat mehrere Runde Tische mit Akteuren durchgeführt und eine ABS-Internetseite eingerichtet. Zudem haben zahlreiche Akteure wie botanische Gärten und die Forschung selbst ABS-Initiativen entwickelt, die dann in die Gesetzgebung einfließen sollen. Das Patentgesetz wird um ABS-Aspekte ergänzt. Zu Inhalten und Fahrplan einer nationalen Implementierung und Ratifizierung äußerte sich die Regierung nicht.

 

Hartmut Meyer

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