Vor einem Jahr begann der Prozess gegen Ignace Murwanashyaka und Straton Musoni vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Der Präsident der berüchtigten ruandischen Rebellengruppe Forces Démocratiques de Libération du Ruanda (FDLR) und sein Stellvertreter werden beschuldigt, von Deutschland aus Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit befehligt und nicht unterbunden zu haben. Zum ersten Jahrestag des Prozessauftakts hatten Brot für die Welt und das Ökumenische Netz Zentralafrika (ÖNZ) Fachleute, die den Prozess von Beginn an verfolgen, zu einer Podiumsdiskussion nach Stuttgart eingeladen.
Dass mutmaßliche Kriegsverbrecher in Deutschland vor Gericht stehen, wird weltweit und besonders in der Demokratischen Republik Kongo wahrgenommen. Ilona Auer-Frege, Koordinatorin des ÖNZ: "Es ist ein wichtiges Signal, dass sie an keinem Ort der Welt mehr sicher sind."Andreas Schüller vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) verwies darauf, dass den Angeklagten nicht nur die Koordinierung von Kriegsverbrechen zur Last gelegt wird, sondern auch, dass sie nichts getan hätten, diese zu unterbinden: "Unterlassung und Befehlsverantwortung werden damit als täterschaftliche Beteiligungsformen in der Strafverfolgung genutzt." Dies sei möglicherweise ein erfolgversprechender und bedeutsamer Ansatz für künftige Strafverfahren.
Seit dem Inkrafttreten des Rom-Statuts zur Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs im Juli 2002 etablierte sich ein internationales Rechtssystem, das das politische Klima weltweit zu verändern beginnt. Immer mehr Länder sind nicht mehr bereit, Straflosigkeit für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinzunehmen. Der Stuttgarter Prozess könnte dabei Standards setzen und die globale Strafgesetzgebung nachhaltig beeinflussen, war sich die Podiumsrunde einig.
Unter der Moderation von Bianca Schmolze, Prozessbeobachterin für die Tageszeitung und Leiterin der Bochumer Kampagne gegen Straflosigkeit "Gerechtigkeit heilt", diskutierten neben Ilona Auer-Frege und Andreas Schüller auch Franziska Ulm (Amnesty International) und Claus Molitor (Internationaler Strafgerichtshof, Anklagebehörde).