Ich friere. Zum ersten Mal in mehr als zwei Monaten ist mir kalt hier in unserem Haus. Ganz ehrlich, das ist mir noch nie passiert, aber der Monsun hat begonnen- und mit ihm eine kältere „Jahreszeit“.
Das war der erste Gedanke, der mir heute Morgen kam, als ich extra früher aufgestanden bin um meinen Blog mit neuem Leben zu füllen. Doch dabei blieb es leider, und die zusätzliche Zeit habe ich dann in ein ausführlicheres Frühstück investiert...
In ein Frühstück aus Papaya, Yoghurt und Kellogs (als besonderes Highlight!), zusammen mit Vogelgezwitscher und den ersten Sonnenstrahlen, die jetzt, in der Monsunzeit eigentlich so selten zu sehen sind und uns doch schon die letzten Tage versüßen, nicht nur zum Frühstück.. Wie üblich, bin ich den Tag sehr gemütlich angegangen und hatte es dann, kurz vor Acht doch recht eilig mich auf mein Rad zu schwingen. Denn seit dieser Woche haben wir endlich Fahrräder und ich morgens noch viel mehr Zeit als vorher!
Doch der indische Fahrradfahrer muss auf der Hut sein! An den Linksverkehr habe ich mich nämlich, anders als ich als Fußgänger gedacht hatte, doch noch nicht ganz gewöhnt. Vielleicht brauche ich eine Markierung am Lenker, die mir immer zeigt an welche Straßenseite ich mich halten muss! Ansonsten ist es ein quirliges Durcheinander von kleinen Mädchen und Jungen, die mit dem Elan eines Kindes am Morgen strahlend und den Worten „Hiiiiiiiii! How are you?“ auf mich zukommen, Frauen mit riesigen Milchbehältern, die mir mit ihrem Lächeln ebenfalls einen schönen Tagesbeginn bescheren, Kühen, die träge im Müll rumschnuppern, Hunden, Mopeds, Rickschas, Männern im Lunghi, dem typisch indischen Wickelrock und vielen Pfützen durch das ich mich schlängele. Schon allein diese Fahrt ist manchmal so interessant, dass ich darüber einiges schreiben könnte. Und ich genieße es mich umzuschauen, die beschäftigte alltägliche Stimmung in mich aufzusaugen und Beobachter zu sein. Die indischen Gerüche, wie man sie sich vorstellt, als ein Mix aus vielen Gewürzen, die beschränken sich allerdings auf Kuhdunk und Müll. Aber dem Auge wird umso mehr geboten!
Diese Jungen haben an ihrem Stand zur Divalizeit ein breites Knallzeugsortiment angeboten
Und dann komme ich an in Grace Kennet, schiebe mein Fahrrad durchs Tor und wenn ich die ersten Kinder sehe, die munter winken und sich freuen dass ich komme, dann weiß ich spätestens- ich bin so glücklich hier!
Um die Kinder kennenzulernen, und zu differenzieren zwischen Silva, Salda und Sopna, das brauchte einige Zeit. Aber jetzt, nach fast zweieinhalb Monaten haben sie sich glaube ich soweit an mich gewöhnt und ich habe sie kennengelernt, und ihre Namen. Seit vergangener Woche arbeite ich nun auch am Nachmittag, „volltags“ sozusagen. Und dieser Satz klingt vielleicht geheuchelt, und vortäuschend- aber ich freue mich jeden Tag über diese zusätzlichen Stunden. Es macht einfach Spaß, mit den Kindern rumzutoben, sie durchzukitzeln, von ihnen neue Tamilworte zu lernen und viel mehr... Es ist so schön zu sehen, wie sie sich wirklich die größeren um die kleineren kümmern, wie in einer Familie. Aber sie sind keine Familie, denn von der wurden sie ausgeschlossen. Und da schließen sich die traurigen Geschichten an die hinter den Kindern stehen. Viele von ihnen können wenigstens einer Zukunft in einer Adoptionsfamilie entgegenblicken, aber nicht alle...
Wenn ich am Mittag meinen Heimweg antrete, dann hat sich das Straßenbild schon wieder verändert. Die Kinder sind in der Schule und überall herrscht ein reges Treiben. Es ist so faszinierend, wie sich eine einzige Straße während eines Tages verändert!
Der frühe Nachmittag ist schnell gefüllt, mit netten Nach-Mittagessensgesprächen, Hausarbeiten, Yogastunden oder, ab und zu, Tamilunterricht. Heute war die Hausarbeit dran! :)
Für den Nachmittag hatten meine Mitfreiwilligen und ich großes vor: einen Beautytag für die Schulkinder im Kinderheim. Sie waren erst alle ganz zapppelig vor Aufregung, aber wir haben sie ruhigstellen können. Und dann ging das große nägelbemalen, eincremen, Zöpfchen flechten, Spangen drapieren, parfümieren, Armreifen und Ketten gerecht verteilen (nicht so einfach!) los. Es gab ein wildes Durcheinander, und war trotzdem so lustig! :)
Nach der Kosmetik- und Schmucksession
Ansonsten sind wir in letzter Zeit viel verreist, oder besser gesagt: Wir haben neue schöne Seiten des großen dicken Indienbuchs kennengelernt. Ein Wochenende haben wir mit einigen Studenten in Ooty verbracht, einer sogenannten hillstation, die uns gleich mal früh am Morgen mit ungefähr 5° C erwartet hat, danach waren wir drei deutschen Mädels (Sarah und Theresa, die deutsche Studentin vom TTS, und ich natürlich) nach Chennai eingeladen. Doch zu diesen Ausflügen hat Sarah in ihrem Blog schon ausführlich geschrieben, dort könnt ihr unsere Erlebnisse nachvollziehen!
Ich freue mich auch von euch zu hören und genieße gerade die Tage in Indien sehr!
Eure Sophie