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Die WLAN-Nomaden von Durban

Von Gastautoren am

Beim UN-Klimagipfel in Durban geht es nicht nur um meteorologische Phänomene, politische Machtspiele und finanzielle Balanceakte. Auch Soziologen hätten an der Zusammenkunft von Delegierten aus fast zweihundert Ländern ihre helle Freude, denn sie könnten die Entdeckung einer neuen Gattung bestaunen: die WLAN-Nomaden von Durban. Wie in der Bildergalerie dokumentiert, treten sie vereinzelt oder in Gruppen auf, gutgelaunt oder mürrisch, kommunikativ oder verschlossen.

Allen gemeinsam ist der fragende Blick auf den Bildschirm ihres mehr oder weniger großen Fensters zur Welt, das aufgeklappt vor ihnen steht: ein Balken, zwei Balken – null Balken. Die Signalstärkeanzeige diktiert ihren Lebensrhythmus, beeinflusst ihre Lebenszufriedenheit – und vor allem bestimmt sie ihren Aufenthaltsort!

Selbst in den weitläufigen Hallen des International Conference Center von Durban wurden die WLAN-Nomaden in großen Populationen gesichtet. Die Angehörigen des Stammes der Apfelbesitzer sahen meistens entspannt in ihr Fenster zur Welt, das sie vor sich auf dem Schoß, auf dem Tisch oder auf dem Boden platziert hatten. Vertreter anderer Stämme dagegen murrten, schauten sie beim Blick auf ihre mit einem irreführenderweise in einer fremden Sprache als „Fenster“ bezeichneten Fenster doch allzuoft in die Röhre... Und so machten sie sich in regelmäßigen Abständen auf, um durch einen Standortwechsel oder durch ein langsames Hin- und Herschwenken ihrer Gerätschaften das Fenster zur Welt wieder zu erhellen. Doch wahre WLAN-Nomaden ertragen dieses Schicksal mit profunder Gelassenheit und nimmermüdem Eifer.

Nur wenige von ihnen trauten sich jedoch in das Olwandle-Reservat. Zwar lockten die Prospekte mit uneingeschränktem Informationsfluss, doch schon bald zeigte sich, dass die WLAN-Nomaden dortselbst in eine Falle getappt waren: ihr Lebensrhythmus bewegte sich zwischen „null Balken und kein Balken“, kurz vor dem Ausbruch von Unruhen im Olwandle-Reservat gelang es dem für Wandervölker zuständigen Aufseher Thulani immer wieder, Informationshäppchen so zu platzieren, dass einer der WLAN-Nomaden glücklich strahlte ob seines Blickes in ein helles Fenster zur Welt und mäßigend auf seine Stammesgenossen einwirkte.

Doch nach wenigen Tagen eskalierte die Situation: es murrten die Bewohner der Mitte des Olwandle-Reservats über das dauerhafte Null-Balken-Dasein, es murrten die Bewohner der oberen Sphären über den Zwang, in ihren großen Unterkünften ständig umherziehen zu müssen, um von WLAN-Hauch zu WLAN-Hauch zu huschen. Der Blick in die unglücklichen Gesichter seiner Schutzbefohlenen erweichte schließlich das Herz von Oberaufseher Thulani und er organisierte einen zertifizierten Fensteröffner – und siehe da: am Abend des nächsten Tages erfüllte glückseliges Staunen die WLAN-Nomaden aller Couleur: Selbst in den höheren Gefilden konnten sie nun in die virtuelle Welt blicken, ohne auf den Hausflur ziehen zu müssen, es reichte bei den meisten schon, dass sie ihr Lager direkt hinter der Tür zu ihrer Unterkunft aufschlugen.

Und wenn die Akkus nicht gestorben sind, dann leben die WLAN-Nomaden von Durban noch heute – und freuen sich über den Blick ins Fenster zur Welt.

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