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Das Land der Superlative

Von Ehemalige Freiwillige am

Sie erzählen dir, die größte Straße der Welt sei das Zentrum ihrer Hauptstadt, der Mittelpunkt des argentinischen Universum, durch den Obelisken unübersehbar gezeichnet, die 18 spurige Avenida 9 de Julio. Die größten Wasserfälle der Welt sind dem Argentinier zu Folge im äußersten Nord-Osten des Landes vorzufinden, in der Provinz Misiones. Nur ungern wird dieses Naturereignis von Tausenden Kubikmetern Wassern in der Sekunde, im Volksmund cataratas de Iguazu mit dem Nachbarland und ewigen Rivalen Brasilien geteilt.

Brasilien…von Sprache über Hautfarbe bis hin zum Samba und der unwiderstehlichen Art Fußball zu tanzen ist dieses Land den Argentinien fremd, aber dennoch bekannt genug um Lieblingsfeind Nr.1 zu sein.

Tango beinhalte mehr Leidenschaft als Samba, Maradona sei mit Pele gar nicht erst zu vergleichen, in einem Atemzug schon gar nicht zu nennen, die 5 Weltmeistertitel seien in Schwächephasen der Argentinier entstanden, und wenn ihnen gar nichts mehr einfällt, ist da ja immer noch die offensichtliche Abstammung vieler Brasilianer von den fernen Ländern des Schwarzen Kontinents, weshalb sie hier, genau wie Bolivianer, Peruaner und Paraguayos auch, weniger freundlich „Negros“ genannt werden.

Der Argentinier hingegen stammt, wie gemeinhin bekannt, nach Jahrhundertelanger Ausrottung der indigenen Bevölkerung nun endlich zu über 90 Prozent von Europäern ab.

Obwohl es immer mehr junge Erwachsene gibt, die sich, anstatt die für sie als unbrauchbar abgestempelte „Imperialistensprache“ Englisch zu lernen, den Sprachen der Urbevölkerung zuwenden und somit die Wurzeln ihres Landes aufzudecken suchen, wird dir von Bäcker über Türsteher bis hin zu flüchtigen Small-Talks an der parada des colectivo doch sehr schnell bewusst, dass Deutschsein, ganz im Gegensatz zum Rest der Welt, in Argentinien Vorteile und Privilegien mit sich bringt.

Mir spucken auch jetzt noch unvergessliche Gespräche im Kopf herum, Sätze wie „Nuestro pais seria lindo sin los Argentinos“(unser Land wäre schön, wären da nicht die Argentinier), „Nadie es todo que podes ensanyar los negros“(Nichts ist alles was du den negros beibringen kannst) und immer wieder „La rassa germanica es la mejor rassa que hay en el mundo“(die germanische Rasse ist anderen überlegen), erst gestern wieder, während ich mit unserem kolumbianischen Freund und Kornelius eine Diskussion über die Sprache Gehörloser führte.(Vielleicht kann ja irgendjemand weiterhelfen, wir würden gern wissen ob Gehörlose EINE Sprache haben, oder sich die Zeichen von Land zu Land unterscheiden)

Doch ich habe meinen freien Gedanken schon wieder die Kontrolle über diesen Text überlassen, wollte ich doch eigentlich über die „größten“ Wasserfälle der Welt und weitere Superlative des argentinischen Sprachgebrauchs schreiben.

Auch die beeindruckendsten Gletscher der Welt sind in den Weiten dieses Landes versteckt, ganz südlich, an der Grenze zu Chile erstrecken sich in der „größten“ Provinz der Welt, das 47 Prozent des Landes ausfüllende Patagonien, die Gleitscher des Parque Nacional Los Glaciares, der Glaciar Perito Moreno als Highlight. Noch ein wenig weiter südlich befindet sich dann die südlichste Stadt der Erde, Ushuaia.

Selbst wohlhabende Argentinier verlassen ihr Land nur ganz selten, besuchen lieber, wenn im Sommer Buenos Aires unerträglich wird, Mar de Plata wegen des Strand , Bariloche wegen des gemäßigten Klimas, Mendoza wegen des Wein und El Bolson wegen des Biers.

Das die größte Straße der Welt in Wirklichkeit nur die größte Straße Lateinamerikas ist, die Niagara-Wasserfälle um einiges größer sind als ihre Brüder in Iguazu und es in Australien südlicher gelegene Städte gibt als Ushuaia ist nebensächlich, der Argentinier steht halt auf Superlative und es ist schwer bis unmöglich ihn von gegenteiligem zu überzeugen, da er ja oft nicht über die mit Widerwillen und mit kontinuierlichem „Nuestro lado es mas lindo“(Unsere Seite ist schöner) angeschaute brasilianische Seite der Iguazu-Wasserfälle hinausgekommen ist.

Es ist ein merkwürdiges Paradoxem. Sie schauen dich verwirrt an, wenn du sagst wie schön dir Argentinien doch gefällt, nicken verständig wenn du sagst, dass du dich auch auf deine Rückkehr schon freust und verneinen beständig und unmissverständlich endgültig, wenn du fragst ob SIE denn woanders leben könnten.

Das einzige wo der Argentinier bescheiden reagiert, ist die Frage nach der Schönheit seiner Frauen. Dieses Land hat 38 Millionen Einwohner, also ungefähr 19 Millionen Frauen auf einer Fläche die 8 Mal so groß wie Deutschland ist, und dennoch kann man(n) nicht an einer Busstation stehen und konzentriert ein Buch lesen. Er kann versuchen, in 10 Minuten Wartezeit über eine Seite hinauszukommen und wird doch immer wieder scheitern. Denn wer kann sich schon mit voller Konzentration der mentalen Zerstörung jeglichen Marktradikalismus zuwenden, während eine Armee kleiner Schwestern von Penelope Cruz vorbeiläuft? Wie kann ich mich der Landschaftsbeschreibung Nicaraguas mit seinen Hügeln und Seen widmen, während mein Kopf ganz andere Landschaften formt?

Und mit diesen, meinen Gedanken zur argentinischen Frau und meiner Unverständlichkeit des argentinischen Wahns für blondes Haar und Flachland verabschiede ich mich aus Quilmes, Buenos Aires.

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Lachender Junge

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