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Von Vorurteilen, Volleyball und "Vreizeit"

Von Ehemalige Freiwillige am

Arbeit

Letzten Samstag waren wir mit den Kindern aus Miros Hausaufgabengruppe im Zoo von Buenos Aires. Dazu wurde jedem Erzieher eine Gruppe von 2-4 Kindern zugeteilt und mit einem gemieteten Schulbus (enormer Luxus für unser Projekt) fuhren wir nach Capital. Der Zoo ist zwar wenig spektakulär und die Tierhaltung und Sauberkeit lässt  zu wünschen übrig, aber für die Kinder war es auf jeden Fall ein spannender Ausflug mit abschließendem Picknick im Park.

Dienstags und donnerstags wird ab sofort Englisch unterrichtet. Michaela hat mit ihrer Gruppe älterer Kinder auch schon den einen oder anderen Erfolg verzeichnet, mit den jüngeren habe ich noch Probleme, da die meistens ja auch noch nicht in Spanisch richtig Lesen und Schreiben können. Ich bin gespannt, wie viel wir ihnen in diesem Jahr vermitteln können.

Inzwischen sind wir „Alemanes“ ein ganz normaler Teil in ihrem Leben und Lernen. Es ist spannend und heftig, wie krass ihre Gefühle uns gegenüber zwischen Ablehnung und Zuneigung schwanken. Nahuel, ein 3.Klässler möchte jetzt immer wieder mit mir lernen, obwohl er am Anfang total unmotiviert war und mich nicht verstanden hat. Letztes Mal war er sogar eifrig am Lesen, obwohl er sonst immer nur Mathe machen wollte. An Carlitos, den rüpelhaften Jungen, der vom Armbandknüpfen so begeistert war, kommen wir nicht wirklich ran; er ist immer wieder in kleine Schlägereien verwickelt, wirft Steine ärgert die anderen Kinder und stört während der Arbeit.

Campamento

Dieses Wochenende war ein Campamento (Zeltlager), das wir in vielen Sitzungen im Büro des MEDH vorbereitet haben. Jugendliche aus etwa sechs verschiedenen Projekten und Zentren in Buenos Aires kamen zusammen und auch „unser“ Martin aus „Arcangel Gabriel“ (Erzengel Gabriel) war dabei. Die Gruppe bestand letztendlich aus „pibes“ (Typen, Jugendlichen) zwischen acht und 22 Jahren und etwa 20 Mitarbeiter (sechs Deutsche Freiwillige), die bis zu 80 Jahre alt waren. Zwei oder drei Mütter im Teenageralter hatten ihre Babys dabei.

Auch beim Zeltlager muss ich sagen, dass es einerseits sehr ähnlich ist, wie meine Lager in Deutschland, andererseits komplett anders. Zum Beispiel wurden keine Dienste eingeteilt und am bei einer Mitarbeiterbesprechung am Abend hat man beschlossen, dass man erst am nächsten Tag klären wird wann und wer das Mittagessen macht. Das Frühstück bestand aus Keksen und „gekochtem Mate“, das ist Matetee aus Teebeuteln, der immer viel zu stark gesüßt wird. Er wird angeblich vor allem bei armen Menschen serviert. Wollen sie uns, den Reichen, damit zeigen, dass sie sich immerhin noch Zucker leisten können? Oder versüßen sie sich damit buchstäblich ihr Leben? Vor allem ruinieren sie so ihre Zähne und für Zahnspangen, Zahnpflege und ähnliche Dinge wie Brillen hat man in der Villa kein Geld.

Zum Glück konnten wir bei den anderen Mahlzeiten, bestehend aus Hotdogs (mit Blutwurst), Spaghettis und Hamburger unseren Hunger wieder niederfressen.

Leider war das Zeltlager nur recht dünn mit Aktivitäten belegt, sodass es manchen etwas langweilig wurde und irgendwann auch zu viel Fußball (!!!) gespielt worden war.

Trotzdem war es für mich ein schönes Wochenende, weil ich hier und da immer bessere Gespräche mit anderen Betreuern und auch Kindern geführt habe.

Zum Beispiel mit Iris, einem 12-jährigen und sehr hübschen Mädchen aus Martins Projekt. Sie ist das jüngste von acht Geschwistern mit einer alleinerziehenden Mutter. Martin hatte ihr schon einige Sätze deutsch beigebracht und auch sonst ist sie sehr ehrgeizig und fleißig. Wir hoffen, dass sie wirklich die Möglichkeit bekommt, sich mit ihrer Intelligenz aus der Armut herauszuarbeiten, so klischeehaft das auch klingt.

Sie war im einen Moment sehr anhänglich, interessiert und liebevoll zu uns Deutschen, im anderen ablehnend, frech und beleidigend, weshalb sie sich auch nur mit einem Mittelfinger von mir verabschiedet hat. Ich glaube, dass diese gespaltene Persönlichkeit die Widersprüche mit denen die Jugendlichen tun haben, ganz gut darstellen und hoffe, dass Martin ihr zumindest für das Jahr etwas Halt geben kann.

Freizeit

Ich habe an der Uni Quilmes mittlerweile einen neuen Volleyballverein gefunden, der nicht weit entfernt ist und ungefähr auf meinem Niveau spielt. Der Trainer ist ein supersympathischer und weltoffener „Fossilienforscher“, der Deutschland schon besucht hat und begeistert ist von Stuttgart mit seinen Parks und Schlössern. Zum Glück weiß er noch nichts von S21! Lustig gemacht hat er sich über einen Polizisten, von dem er zurückgepfiffen wurde, weil er eine Grasfläche betreten hat, um eine Taube zu beobachten. So wurden die Vorurteile des spießigen Deutschen wieder einmal bestätigt und die argentinischen Volleyballerspieler wundern sich, wie Deutschland 4:0 gegen sie gewinnen konnte, wenn man doch in den Parks nicht Fußballspielen darf.

Auf jeden Fall sind die Studenten total nett und ich kann von den langen Schlaksen noch eine Menge lernen (mehr als in Faurndau und Welzheim?!?).

Volleyballvereine sind auf jeden Fall der einzige Ort, an dem man Argentinier trifft, die größer sind als ich!!!

Deuschland

Nochmals zu dem Bild, das man von uns Deutschen hier hat. Wir sind für die meisten einfach nur „frio“ – kalt, was wahrscheinlich auch nicht ganz falsch ist, so lebendig und nachtaktiv die südländischen Argentinier  sind.

Und dennoch hört man von dem ein oder anderen Kind oder Jugendlichen Sätze wie „Ich wäre auch so gern eine Deutsche“, was mich immer ziemlich geschockt hat. Anscheinend existiert das Märchenbild vom Paradies Deutschland noch. Ich habe geantwortet, dass doch das Wetter hier viel besser sei und es in Deutschland auch schlechte Politiker und arme Menschen gibt, aber sie wissen, dass es keine „Villas“ gibt und lassen sich deshalb kaum überzeugen.

Ich lese im Moment den Roman "3 Minuten mit der Wirklichkeit" von Wolfram Fleischhauer, welcher einen umfassenden Rundumschlag fuer Argentinien-Einsteiger bietet. Es geht um Buenos Aires, Tango und die Geschichte Argentiniens: Absolut lesenswert.

1. Unsere "Milanesa" (die uebrigens doch ein Maennchen war).

2. Mein Apoyo Escolar-Gebaeude, das hier viel kleiner aussieht als es ist, weil nach hinten noch vier weitere Raeume abgehen. Im hintersten wohnt eine der Erzieherinnen mit ihrem Sohn.

3. Eine der aermlichsten Huetten in "unserer" Villa

4. Ein weiteres Bild meiner Auto-Reihe mit krassem Kontrast von neu und alt.

 

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