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Von boesen Menschen

Von Ehemalige Freiwillige am

Der eintreffende Zug holt mich durch lautes Hupen aus meinem Halbschlaf auf der Bahnhofsbank.

Ich greife schnell mein Fahrrad und wuchte es hoch, um es einer der Personen im Furgon anzugeben. Lautstarkes Gegroehle, nackte, taetowierte Oberkoerper und einige mir bekannte Geischter machen mir klar, dass ich den Furgon der Cartoneros erwischt habe. Ich ziehe mich trotzdem hoch und sehe mich nach einem freien Stehplatz um. Stattdessen tuermen sich vor mir haufenweise Kartons auf diversen Einkaufswagen, die ineinander verschachtelt bis zur Decke gestapelt, den grossen Teil des kleinen Wagons einnehmen. Davor, in gemuetlicher Runde auf kleinstem Raum 5 Maenner, sichtlich zufrieden, dass sie ihre Schicht gerade hinter sich gebracht haben.

Es bleibt mir also keine andere Moeglichkeit als, halb aus der offenen Tuer gelehnt, dem Spektakel beizuwohnen,  mich auf das Ende der Fahrt zu freuen und ab und zu an der richtigen Stelle zu Grinsen, um nicht unangenehm aufzufallen. Zwei bekannte Gesichter nicken mir freundlich zu. Ein Anderer bittet mich weniger hoeflich, doch bitte aus der Sonne zu gehen und schuettet mir beim ungeschickten Versuch, sein Getraenk, das sich in einem aufgeschnittenen Tetrapak befindet, an seinen Companero zu reichen, einen ordentlichen Schluck ueber Hose und Schuhe.

Bei der naechsten Station kommt ein weiterer Passagier dazu, dessen Fahrrad auf einen der Einkaufswagen gehievt wird und der sich ebenso wenig wie ich an den dreckigen Witzen der lustigen Runde beteiligt und irgendwie auch nicht ganz dazu passen will.

Auch den Cartoneros ist mittlerweile klar geworden, dass wir beide gerade nicht in Feierlaune sind und machen mir den Vorschlag, mich in ein anderes Abteil zu setzen und mir mein Fahrrad spaeter angeben zu lassen. Ich brauche ein wenig, um den Vorschlag zu verstehen, was sofort als Misstrauen von mir gegenueber den Furgonpassagieren gewertet wird.

Froh ueber den Vorschlag, wechsel ich dann allerdings beim naechsten Bahnhof das Abteil uns setze mich auf die Treppe des naechsten Wagons, doch darauf bedacht, die Tuer des Furgons im Auge zu behalten, um sicher zu gehen, dass meinem klapprigen Fahrrad nichts zustoesst. Als die gewohnte Landschaft, gepraegt durch viel Wellblech und noch viel mehr Muell, an mir vorbeirast, denke ich ueber den Satz der Cartoneros nach.

„Du vertraust uns nicht, flaco!“

Es ist manchmal schwer, hier in Buenos Aires den Leuten zu vertrauen. Schon zwei mal, habe ich in der Subte jemanden dabei erwischt, wie er meinen Rucksack oeffnen wollte. Auch wenn keine Gefahr bestand, dass mir etwas geklaut wuerde, weil ich meine Wertsachen natuerlich nicht im Rucksackfach aufbewahre, so wird man durch solche Dinge doch verunsichert und vorsichtiger. Als ich mich umdrehte und den Dieben ins Gesicht schaute, versuchten diese verzweifelt so zu tun, als wuerden sie mitlaufende Personen nach der richtigen U-Bahnlinie fragen, wurden allerdings eiskalt ignoriert und mir wurde beim zweiten Mal durch ein Nicken klargemacht, dass ich mich nicht getaeuscht hatte.

Letztes Wochenende war ich mit einigen Freiwilligen und einem Kolombianer in Mar del Plata, zum Geburstag von Teresa.

Freitag machte ich mich direkt Projektende zunaechst auf den Weg zum Geburtstag von Octavian, was mir eine Reise von knapp 4 Stunden, allerdings auch ein sehr gutes Asado bei ihm im Projekt bescherte. Nachdem wir die Aufraeumarbeiten gegen 7 Uhr morgens,ohne geschlafen zu haben, endlich beendet hatten, ging es fuer uns schon weiter nach Mar del Plata, wo wir  ein Wochenende mit Strandausfluegen, einer lustigen Geburstagsfeier und einem Geburstagsessen, bei dem ich zufaellig meinen Basketballtrainer aus Buenos Aires traf, verbrachten.

An der Strandpromenade beobachtete ich allerdings wieder einen Taschendieb, der in gebueckter Haltung mit ausgestreckter Hand einen alten Mann berauben wollte und kurz danach wie verrueckt ueber die dicht befahrene Strasse rannte und fast von einem Auto angefahren worden waere. Mit diesen Erfahrungen im Hinterkopf ertappte ich mich auf der Nachtzugfahrt zurueck nach Buenos Aires selber dabei, wie misstauisch ich mich gegenueber meines Sitznachbarn verhielt. Dass dieses Misstrauen voellig unbegruendet war, stellte sich im Laufe unseres Gespraechs heraus. Er erzaehlte, dass er in Mar del Plata als Elektriker an den Strommasten arbeitete und jetzt nach langer Zeit endlich wieder seine Familie auf dem Dorf noerdlich von Buenos Aires besuchen koennte. Die Vorfreude schien bei ihm von Stunde zu Stunde zu wachsen, sodass er mir spaeter in der U- Bahn stolz die Fotos seiner 3- jaehrigen Tochter und seiner Frau praesentierte und vielfach seine Vorfreude kundtat. Eine seiner viel zu schweren Taschen sollte ich ihm dann allerdings doch nicht abnehmen. „Ich will nicht, dass die geklaut wird“

Der Zug faehrt wieder in einen Bahnhof ein. Mein Furgonmitfahrer steigt aus und holt sich sein Fahrrad zurueck. Es ist natuerlich noch da, steht sogar schon bereit und wird ihm am Bahnhof direkt angebeben. Ich stehe von meiner Treppe auf und lasse die Leute ein- und aussteigen. Unter ihnen ist auch einer der unzaehligen Verkaeufer, die sich in den Zuegen ihre Tagesverpflegung verdienen. Der Zug faehrt wieder an und ich stelle mich auf die mittlerweile gut besetzte Treppe. Der Verkaeufer faengt an, das Abteil von seinen Produkten zu ueberzeugen. Es sind Schokoteilchen, die gehen gut weg.

Das es nicht mit allen Waren so gut laeuft, musste ich am eigenen Leib erfahren... An einem anderen Tag im Furgon traf ich auf zwei Blumenverkaeufer. Ihre Koerbe waren am Ende es Tages noch ziemlich voll und so versuchten sie mir eine Blume anzudrehen. Ich hatte natuerlich kein Interesse und lehnte ab. „Wo soll ich mir die zuhause denn hinstellen?“ Damit gaben sie sich allerdings nicht zufrieden und sagten, dass sie das Geld bitter noetig haetten. Wir verhandelten also ein wenig. Das Gespraech lief so vor sich hin, bis ein Passagier, den ich schon kannte, ploetzlich stolz verkuendete, dass ich Deutscher waere. Das gab den Startschuss fuer die Blumenverkaeufer. (DEUTSCHER- GELD) Meine Ausrede vom Anfang, dass ich nur 5 Pesos habe, sollte also nicht mehr gelten. Schliesslich rang ich mich also dazu durch, nach langem Verhandeln eine Blume zu kaufen. „Dann krieg ich aber wenigstens die Tuete noch dazu!“- „nein, die Tuete kostet nochmal 1 Peso extra“

Dann gingen die Fragen los. (Woher kommst du, was machst du hier, was machen deine Eltern, ob ich viel Geld habe) und sie wurden immer aufdringlicher. In meinen Taschen befanden sich meine Schluessel, ein kleines Portemonai mit wenig Geld, mein Woerterbuch, viel Muell und ein Portemonai mit Kreditkarte und frisch abgehobenen 700 Pesos (ca. 140 Euro). Zuerst fragten sie, ob ich nicht ein Handy dabei haette, das zum Glueck bei mir zuhause am Aufladekabel hing. Dann fragten sie, was denn noch so in meinen Taschen waere. Die Situation war immer noch nicht bedrohlich. Im Abteil waren noch andere Leute und die Blumenhaendler fragten mehr zum Scherz, als wollten sie beweisen, dass sie mit ihrer Vermutung des reichen Deutschen Recht behielten. Zum Glueck lief es fuer sie nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatten. Aus der Tasche, in der sie mein Handy vermuteten holte ich einige dreckige Tueten und gebrauchte U-Bahntickets und statt eines Portemonais holte ich mein Woerterbuch heraus. Erst beim Aussteigen bemerkten sie meine andere Hosentasche, in der das echte Portemonai war, versuchten nochmal es aus meiner Tasche zu ziehen, doch der Zug fuhr schon weiter und ich schlug die Hand schnell weg.

Ploetzlich reisst mich lautes Bellen aus meinen Gedanken. Ich sitze auf meinem Fahhrad, das noch genauso klapprig ist, wie zu dem Zeitpunkt, als ich es im Furgon bei den Cartoneros gelassen habe und bin auf dem Weg zum Projekt. Ein grosser Hund rennt wie verrueckt neben mir her, laeuft zu mir auf die Strasse, kommt mir naeher, kreuzt fast meinen Weg. Ich weiche aus und werde durch ein ohrenbetaubendes Hupen dazu gebracht mich fuer das kleinere Uebel, den Hund zu entscheiden, schaffe es dann aber doch noch davon zu kommen.

Im Hintergrund sehe ich die hohen, dicken Mauern mit Stacheldraht bespannt, hinter denen sich die reichen Bewohner grosser Villen vor den Menschen aus dem Viertel meines Projektes verschanzen. Vor Kriminellen, denen man besser nicht vertraue und denen man aus dem Weg gehen solle.

In diesem Moment bin ich froh darueber und verstehe, wie wichtig es ist, dass ich auf dieser Seite der Mauer bin.

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Lachender Junge

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