Nach unzähligen Tagen konzentrierter Zungengymnastik apassionada auf dem Fahrrad, im Zug und im Projekt wurde mir heute einstimmig bestätigt, dass es mir gelingt, das Wort "correcto", das vorher häufig zu Gelächter geführt hat, korrekt auszusprechen. Die Schwierigkeit dabei besteht darin, das "r" bzw. die zwei "rr"s richtig zu rollen. Die Zunge bewegt sich nämlich nicht direkt hinter den Schneidezähnen, sondern (für mich) so weit hinten wie möglich. Wer will kann das mal ausprobieren, ich finde es sehr anstrengend. Neben der Zunge, die hier übrigens auch "lengua" heißt, habe ich natürlich auch an meiner richtigen Sprache gearbeitet. Entscheidend dabei war mein kleines Wörterbuch, das ich immer in der Hosentasche habe und bei jeder Gelegenheit gebrauche. So kam es auch mal vor, dass ich ein Wort nachgeschlagen habe, während ich mich auf dem Fahrrad durch die Autos auf der dichtbefahrenen Straße St. Martin schlängelte. So ein Wort behält man dann besonders gut.
Mir fällt die Verständigung mit den chicos in meinem Projekt dadurch schon deutlich leichter als zu Beginn und so hat sich auch meine Rolle als Freiwilliger positiv verändert. Ohne Sprache ist man manchmal ziemlich hilflos und in einigen Dingen auf einmal 5- jährigen unterlegen. Mittlerweile kann ich gelassener Gespräche führen, habe mehr Spraß mit den Kindern und Jugendlichen und lerne sie und das Projekt besser kennen. So erfahre ich sowohl lustige Geschichten, als auch Dinge die mich manchmal ziemlich schocken. Viele Kinder leben wirklich unter Bedingungen, die ich mir immer noch nicht wirklich vorstellen kann und die man ihnen, bis man sie besser kennen lernt, auch nicht anmerkt. Sehr komplizierte Familienverhältnisse, Drogen, Gewalt und schlechte Wohnbedingungen warten zuhause auf sie und machen veständlich, dass sie so gerne zum Projekt kommen.
Ich versuche momentan im Projekt eine kleine Band aufzubauen mit zwei Gitarristen, einem Trommler und hoffentlich noch einigem Zuwachs. Mittlerweile würde ich außerdem von mir behaupten, dass ich Weltmeister darin bin den Kindern beim Schaukeln Anschwung zu geben und sie in allen Varianten zu wirbeln und zu drehen und einem Jungen bringe ich das Jonglieren bei.
Am letzten Wochenende fand dann das von vielen lang ersehnte Campamento statt. Etwa 200 Jugendliche aus verschiedenen Projekten trafen aufeinander, trieben Sport, diskutierten und tanzten begeistert auf der Samstag- Abend- Disco. Für mich war das Wochenende zwar anstrengend aber eine ziemlich gute Erfahrung, weil ich mit ihnen einfach mal Spaß haben konnte, ohne dass irgendwelche Hausaufgaben zu erledigen waren und wir als Gruppe alle nochmal ein Stück zusammen gerückt sind.
Meine wichtigste Aufgabe im Projekt ist es allerdings, den chicos Englisch und Deutsch beizubringen. Ich habe zwei Deutschschüler, von 12 und 13 Jahren mit denen ich jetzt regelmäßig übe. Sie sind so intelligent und ehrgeizig, dass sie nach kurzer Zeit schon Farben, Zahlen bis 20 und einige Fragen und Antworten des Smalltalk beherrschen. Auch mit der Aussprache klappt es schon ziemlich gut. Vorallem die Laute ä,ü und ö fallen allerdings noch etwas schwer. Mit den beiden ging es vergangene Woche dann zusammen mit meinem Chef und mir zu einer Schule in der Nähe, bei der sie sich vorstellten und der Direktor ihnen alles zeigte. Diese Schule werden sie voraussichtlich ab nächsten März besuchen und müssen bis dahin für die Deutschstunden gut vorbereitet sein. Wenn sie diese Möglichkeit nutzen kann die Schule für sie bedeuten, dass ihnen nach ihrem Abschluss viele Türen offen stehen.
Es gibt übrigens neues zu meiner Boca- Fan- Situation. Nachdem ich im Projekt ja ständig gedrängt wurde, ich sollte doch zu River übertreten habe ich eine Wette abgeschlossen. Boca gewann das nächste Spiel und ich musste, wie verabredet, nicht zu River wechseln und werde jetzt zumindest für die nächste Zeit vorerst in Ruhe gelassen.