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lange noch kein Alltag...

Von Ehemalige Freiwillige am

Während ich mich heute Abend um 8 Uhr im Fahrradabteil zufrieden auf meinen Feierabend einstellte, fing für meine beiden Mitreisenden die Schicht erst an. Ein Junge von etwa 10 Jahren vertrieb sich die Zeit damit, an den Bahnhöfen über Geländer zu balancieren, um danach die anderen Abteile unsicher zu machen, den vorbeigehenden Frauen und Mädchen jeden Alters lautstark hinterher zu pfeifen, seinen entweder total müden oder zugedröhnten Bruder/ Kollegen  ab und an zu wecken oder mit mir ein paar freundliche Worte zu wechseln. Mitgebracht hatten die Beiden zwei Einkaufswagen, die sie als Cartoneros identifizierten. Für sie hieß es also wahrscheinlich den ganzen Abend lang Pappe und Kartons zu sammeln, um ein paar Pesos für ein kleines Abendessen zu verdienen.

Im Furgón  (Fahrradabteil) trifft man viele solcher Jungen, die offensichtlich keinerlei Möglichkeiten haben alt zu werden, geschweige denn aus ihrem Leben irgendetwas zu machen. Häufig sind sie in Begleitung Älterer, die vor deren Augen Mariohana oder Paco rauchen, ihnen am Bahnsteig erklären, wie man so mit Frauen umgeht oder eben einfach nur in der Ecke liegen.

Da beruhigt es mich doch, dass „meine“ Chicos den Tag im Projekt verbringen, alle zur Schule gehen und ich ihnen ein wenig beibringen kann. Das kann allerdings teilweise auch sehr mühselig sein. Es gibt unglaubliche Unterschiede bei den Englischkenntnissen Gleichaltriger, sodass ich teilweise komplett bei null anfangen muss, obwohl in der Klasse schon der Superlativ behandelt wird. Ich habe allerdings mittlerweile gelernt, bei diesen Dingen sehr geduldig zu sein und mir viel Zeit zu nehmen, um die Grundlagen zu erläutern und so gibt es dann immer mal wieder den ein oder anderen kleinen Erfolg. Sowieso ist mir klar geworden, dass es mit den Kindern am besten läuft, wenn man mit viel Lust und guter Laune an die Sache geht.  In nächster Zeit wird es außerdem meine Aufgabe sein, zwei Schülern die Grundlagen des Deutschen beizubringen, denn sie fangen damit erst an und auf dem deutschen Gymnasium stoßen sie auf Mitschüler mit Vorkenntnissen.

Außerhalb des Projektes habe ich ebenfalls das Gefühl, dass ich mich immer mehr einlebe. Im Studentenwohnheim komme ich häufig ins Gespräch mit den anderen Mitbewohnern und werde bald auch schon mal mitgenommen.  Außerdem sind Johannes und ich bereits aufgestiegen, wir haben heute nämlich einen größeren Mülleimer bekommen. Das letzte Wochenende habe ich in Quilmes bei Miro und Kornelius verbracht. Wir waren zwei Mal aus und haben Fußball gespielt (siehe Bericht Kornelius). Am Sonntag ging es dann nach Capital Federal. In einem großen Park vertrieben sich viele junge Leute die Zeit damit, Mate zu trinken, Gitarre zu spielen, zu jonglieren und den Konzerten zu lauschen, die um den Park herum stattfanden. Wir gesellten uns mit Freude dazu und gingen später in eine Art Amphitheater, um ein kostenloses Konzert zu genießen. Dort spielten dann drei professionelle Bands. Wir wollten die Hauptband natürlich nicht verpassen und entschieden uns spontan dafür, den Bus zu nehmen. Die U-Bahn wäre nur bis 23 Uhr gefahren und uns gefiel das Konzert gerade so gut… Ich habe dann leider nicht mehr den passenden Zug gekriegt und kam deshalb nach drei Stunden komplizierter Reise endlich todmüde zuhause an.

Vielleicht folgen noch Fotos vom Festival im Park und bestimmt noch viele Berichte, denn es ist doch irgendwie alles völlig anders hier in Argentinien. Wie schon Miro aufgefallen ist, als er sich fleißig Zucker auf die Nudeln schaufelte: „Das Salz ist hier irgendwie nicht so salzig wie in Deutschland“

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