Mein Tag beginnt um 7:00 mit dem Klingeln meines Handy-Weckers. Ich habe mir extra einen motivierenden Klingelton ausgesucht um besser aus dem Bett zu kommen: „Steh auf“ von Culcha Candela! Dennoch fällt es mir –als geborener Langschläfer- jeden Morgen aufs Neue schwer. Nach einem leckeren Müsli mit Bananen, Papaya und selbstgemachtem Jogurt geht es mit dem Fahrrad los zur Arbeit.
Noch jetzt haben sich die Leute auf der Straße nicht daran gewöhnt, dass jeden Morgen eine Weiße auf dem Rad an ihnen vorbeifährt. Alle Blicke folgen mir, manche freundlich, manche etwas grimmig und die Kinder winken.
Ich bin meistens noch ziemlich verschlafen wenn ich aufs Fahrrad steige, doch sobald ich das TTS-Gelände verlasse werde ich hellwach. Es gibt einfach so viel zu sehen! Die Straßenhunde machen ihren Morgenspaziergang, die an Holzpflöcke angeleinten Ziegen am Straßenrand beobachten ihre Umgebung, einige Kühe schlendern mitten auf den engen Straßen ohne sich von Autos oder Motorrädern stören zu lassen. Ich sehe Kinder in Uniformen auf dem Weg zur Schule und Frauen mit rießigen Körben auf den Köpfen, die gefüllt sind mit verschiedenem Gemüse oder Blumenranken. Vor den Häusern sitzen die Leute und putzen ihre Zähne; hier und da wird etwas in großen Töpfen gekocht.
Ich fahre auch an einer kleinen Moschee vorbei. Rechts und links an der Straße entlang sitzen Menschen auf dem Boden und verkaufen Gemüse, Obst, Fleisch und Fisch. Sie haben Decken ausgebreitet auf denen von Karotten und Tomaten, über Kartoffeln, Bohnen bis in zu Bananen und Papayas alles angeboten wird. Auf Holzständen liegt Fisch, über dem schon die Fliegen kreisen und der einen äußerst unangenehmen Geruch verbreitet. An anderen Ständen hängen gehäutete Tiere und am Boden davor liegt ein Haufen teilweise gerupfter, noch lebender Hühner, die an den Füßen an ein Seil geknotet sind und aussehen, wie ein lebender Ball aus Federn und Haut. Solche Bilder fesseln meinen Blick besonders, obwohl ich lieber wegsehen würde.
Auch die Armut der Menschen ist auf der Strecke zwischen dem TTS und dem Grace Kennett deutlich zu sehen. Alte Frauen mit zerstruppeltem Haar und abgetragenen, geflickten Saris und zerbrechlich aussehende Kinder, mit so dünnen Beinen, dass ich mich wundere wie sie die Last des Körpers überhaupt tragen können.
Diese Fahrt mit dem Rad dauert nur 10 Minuten und doch verschafft sie mir 1000de von Eindrücken.
Sobald ich aber ins Grace Kennett komme und mich durch die offene Türe schon das erste Kinderlächeln begrüßt, sind alle Gedanken vergessen, die ich auf der Hinfahrt hatte. Ich begrüße erstmal jedes Kind und alber mit ihnen rum. Der gewöhnliche Tagesablauf im Kinderheim beginnt. Das Lachen der Kinder und Babys ist der Beste Stimmungsaufheiterer den es gibt!Dennoch ist auch das Grace Kennett alles andere als Friede, Freude, Eierkuchen. Durch Unterhaltungen mit anderen Freiwilligen und Krankenschwestern dort habe ich einige Geschichten der einzelnen Kinder erfahren. Manche dürfen garnicht adoptiert werden, da die Väter es nicht erlauben und hoffen von ihren Kindern Geld zu bekommen, wenn diese mal erwachsen sind. Es macht mich tierisch wütend, wie man nur so egoistisch sein kann!
Letzte Woche sind 3 neue Babys ins G.K. gekommen. Das eine Mädchen ist ein paar Monate alt und wurde elternlos und allein am Busbahnhof gefunden. Die anderen zwei Mädchen waren gerade mal 5 Tage alt, als sie zu uns ins Heim kamen. Ich habe mich gefragt, wer es übers Herz bringt, so süße Babys wegzugeben. Im ersten Moment fühle ich für diese Tat nur Unverständnis, doch im nächsten Moment denke ich darüber nach, dass es sicher Beweggründe dafür gibt, und versuche sie zu verstehen. Doch die Schwestern im G.K. ist wirklich lieb zu den Kleinen und auch ich tue mein Bestes und knuddel sie in jeder freien Minute. Vielleicht ist ja das Kinderheim, und somit auch die Option einer Adoption besser für die Kinder, als bei Eltern aufzuwachsen, die sie eigentlich gar nicht haben wollen… Dennoch kann man das alles nicht verallgemeinern und ich finde es schwierig ein Urteil darüber zu fällen deswegen lass ich das jetzt lieber.
Um 12 Uhr geht es dann wieder mit dem Fahrrad zurück zum TTS. Ich komme an einer Schule vorbei und 30 Kinder umringen mich und wollen meinen Namen wissen. Sie können ein bisschen Englisch, doch ich prahle mit den paar Wörtern auf Tamil, die ich kann und die Kinder freuen sich total. Zum Abschied sage ich laut zu allen „Bye“ und ein Chor aus 30 Kindern antwortet mir ebenfalls „Bye“. Sie rennen mir noch 50 Meter hinterher, dann bleiben sie stehen und winken nur noch. Solchen Momenten habe ich es zu verdanken, dass ich gutgelaunt zu Hause ankomme.
Der Nachmittag ist meistes gefüllt. 0-2 mal in der Woche haben wir Tamil-Unterricht (unser Tamillehrer ist oft nicht da oder vergisst uns), jeden Mittwoch ist English-Chor (wir über jetzt schon Weihnachtslieder) und Montag und Freitag ist Deutschunterricht am College. Es macht wahnsinnig Spaß seine eigene Muttersprache zu unterrichten auch wenn ich jetzt auch begriffen habe wie schwer deutsch eigentlich ist und ich richtig mit den Studenten mitfühle. Zwischen diesen Programmen muss man noch kochen, waschen und das Haus von verschiedenen Tierchen befreien.
Der Abend klingt ruhig, mit netten Gesprächen und einem Gutem Buch aus.