6 Wochen nach der Ankunft, 3 Wochen nach Arbeitsbeginn habe ich nun endlich das Gefühl mich akklimatisiert zu haben. Ich bin kein Tourist mehr sondern fester Bestandteil der Gesellschaft, habe keinen Ferienjob sondern arbeite Vollzeit. Das hat zum einen mit steter, täglicher Verbesserung des Vokabulars, zum anderen mit offensichtlicher Akklimatisierung zu tun. Die Kinder gewöhnen sich an mich, akzeptieren langsam den Fakt, dass ich nicht nur Spielkamerad sondern auch Teil des Lehrerkollegiums bin, sind gewillt auch von mir zu lernen, nicht nur mit mir rumzualbern und respektieren Autorität mit deutschem Akzent.
Ich habe einen festen Tagesablauf, wenn auch immer noch gewöhnungsbedürftige Arbeitszeiten und bin fester Teil der täglichen Planung bei der Nachhilfe. Da keiner der anderen Lehrer, von den Kindern liebevoll „Profe“(Professore) genannt, Englisch spricht, ist es an mir den Kindern die Sprache unserer Britischen Nachbarn ein wenig näher zu bringen. Ich habe dafür mit jeweils in Altersstufen eingeteilten Gruppen zwei Mal die Woche 45 Minuten außerhalb des Lehrplans Zeit. Während die anderen Kinder also draußen spielen gehen, ist es an mir, Kindern mit keinerlei Vorkenntnissen des englischen, die Sprache so spielerisch wie möglich näher zu bringen. Ich bin für die Älteren zuständig, ein weiterer Freiwilliger für die Jüngeren. Das erschreckende ist, dass wir beide ganz von vorn anfangen müssen, Alter und Wissen stehen oft in keinem Zusammenhang. Meine Schüler haben seit 4 Jahren schulischen Englischunterricht, sind der Sprache aber ebenso mächtig wie ich des Spanischen noch vor 6 Wochen. In 90 Minuten habe ich es nun geschafft, die Zahlen 1-10, sowie die Farben Grün, Blau, Rot, Braun, Weiß und Schwarz zu etablieren. Und trotz der nur kleinen Fortschritte ist es ein unglaublich befriedigendes Gefühl den Kindern ein wenig Wissen vermitteln zu können und wie Kornelius in einem seiner helleren Momente so schön sagte „Salbei für die Seele“(Das Wort Balsam war seinem Wortschatz für Sekunden entglitten)
Pädagogisch lerne ich hier eine Menge, werde darauf aber in einem Extra-Artikel nochmal genauer eingehen.
Auch sozial haben wir uns akklimatisiert, wissen ob der ganzen Konzerte und Festivals oft gar nicht wann wir die Zeit zum Blogschreiben und zur inneren Verarbeitung des Erlebten finden sollen. Wir waren, nachdem das Wochenende zwar lustig und voller interessanter Gespräche aber ohne musikalische Höhepunkte verlaufen war, am Sonntagabend auf einem Gratis-Konzert mit jeder Menge Abwechslung, von Rap über Rock-Argentina bis Reggea war alles vertreten. Und nicht nur der Marihuana-Geruch in der Luft sorgte für entspannte Stimmung und ein gebührendes Ende des Wochenendes.
Am Montag dann ging es weiter mit Kino auf Spanisch, auch das kostenlos, da Teil eines Festivals für die Legalisierung der Migration Weltweit. Unter dem Motto „Migration es un Derecho Humano“ wurden Spielfilme und Dokumentationen zu weltweiten Brandherden der Migration ausgestrahlt. Wir entschieden uns für das heikle Thema der Grenze zwischen den USA und Mexiko und wurden inhaltlich auf ganzer Linie befriedigt. Ein kurzer Spielfilm und zwei Dokumentationen später war der Kopf gefüllt mit jeder Menge neugewonnener Informationen über die Problematik und die Unlösbarkeit des Problems plus gratis Sprachunterricht.
Am Dienstag war ein Fest des Kollegiums ohne weiter genannte Gründe Mittelpunkt der täglichen Planung, bei dem Bier und Papas Fritas(ein Gericht, das vorzugsweise bei Regen angeboten wird) in Maßen konsumiert wurden, während ich mich an Seven Up gütlich tat, da ich den Entschluss unter der Woche keinen Alkohol zu trinken nicht schon in der Probewoche revidieren wollte.
Ein weiteres Erlebnis möchte ich an dieser Stelle notieren, ein Erlebnis welches, so unwichtig es auch scheint, doch von großer Bedeutung für mich war und eins der Highlights meiner Woche:
Ich habe mich das erste Mal mit einem Argentinier auf Spanisch über die üblichen Themen Fußball, Mädchen und Bier hinweggesetzt und mein erstes politisch anspruchsvolles Gespräch schadenfrei überstanden, wobei ich einen weiteren Anhänger der etwas linkeren Sichtweise kennen- und schätzen gelernt habe, dessen Namen ich hier erwähne, da er sicher noch öfter eine Rolle in meinen Berichten übernehmen wird: Jose, beruflich Cartonero und im Herzen Rot!
Mit diesem Erfolgserlebnis beende ich den wöchentlichen Bericht und sage
Hasta Luego und allen ein schönes fin de semana