Das Projekt
So langsam glaube ich, das System unserer Projekte durchschaut zu haben. Am Rand der Villa gibt es eine Kirche, von der aus die kirchliche Arbeit, in der wir auch integriert sind, von Coco koordiniert wird. Dann gibt es in der Villa eine kleine Zentrale, das „casa de las hermanas“, in der die drei Missionsschwestern Ruby (Kolumbien), Bea (Polen) und Cecilia (Korea) ihren Sitz haben. Sie sind unsere ersten Ansprechpartner und alle total offen und freundlich. Bei unserem ersten Ausflug in die Villa haben wir bei ihnen zu Mittag gegessen.
Dann gibt es zwei Apoyos Escolar (Hausaufgabenbetreuungsorte), an denen wir vier Freiwillige hauptsächlich arbeiten. Zwei vormittags (Miro und ich) und zwei nachmittags. Wir sind folglich alle allein in unseren Projekten mit den Kindern. Die Kinder, die vormittags bei uns sind, sind nachmittags in der Schule und andersrum. Bei mir sind ungefähr 15 Kinder, was jedoch leider stark schwankt und immer zwischen zwei und vier Erzieherinnen.
Zusätzlich gibt es den galpón der cartoneros (Kartonsammler-Schuppen), dort wird relativ professionell Recycling betrieben, Pappe und Papier sortiert, Flaschen und Plastik gesammelt, Müll geheckselt und Kartons mit Maschinen zu großen Würfeln zusammengepresst. Später haben wir auch die Möglichkeit dort mitzuarbeiten.
Abends ist immer (außer mittwochs) das „centro de la noche“, zu dem vor allem Jugendliche aber auch Kinder kommen. Es wird Tischtennis und Kicker gespielt (die Kickertische sind beeindruckend, weil sehr alt, aber dennoch standhaft), im Sommer wohl auch Fußball auf dem riesigen Platz mitten in der Villa und dann gibt es abschließend noch ein Abendessen.
Der Platz wirkt abends seltsam idyllisch. Es kommen von überall Lichter und viel laute Musik. Es wurde Volleyball gespielt, „asado“ (typisch argentinisches Grillen) gemacht und mittendrin waren wir mit den fröhlichen Jugendlichen jeden Alters. Natürlich kann die Idylle auch täuschen, wenn man ein, zwei Seitenstraßen weitergeht.
Meine Arbeit
Die Arbeit an sich ist schleppend in Gang gekommen. Am Montag sollte unser erster Arbeitstag sein, aber da es regnete, kam nur ein einziges Mädchen. Bei Regen ist die ganze Villa total verschlammt und in den unteren Bereichen auch schnell überschwemmt (z.B. der Fußballplatz), weshalb dann nie viele Kinder kommen. Wir haben dann ganz entspannt mit zwei Erzieherinnen einen Mate getrunken und einige Schreibübungen gemacht.
Am Dienstag war ein Treffen mit den Eltern der Kinder, an dem ich aber nicht teilnehmen konnte, weil die Freiwilligen zu einer Besprechung ins Zentrum gefahren sind. Dort haben wir im MEDH-Büro eine Freizeit geplant, dass von 22.-24. Oktober in Mar del Plata mit über 100 Jugendlichen stattfindet. Darauf freue ich mich schon, auch wenn es keine Duschen geben wird.
Jeden Mittwoch ist eine Besprechung aller Erzieher aus den verschiedenen Apoyos, diesesmal haben wir Mathe „gelernt“. Es wurden Geometriegrundlagen unterrichtet. Wir deutschen Abiturienten sind trotz Sprachbarriere mitgekommen, ein gravierender Fehler der „Lehrerin“ wurde allerdings von allen übersehen. Ich frage mich, wie Kindern von elf Jahren beigebracht werden soll, was wir mit ca 14 Jahren lernen und was nicht einmal von den Lehrenden ganz richtig aufgenommen wird…Zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft leider ein tiefer Graben.
Während dieser Besprechung habe ich durch die offene Tür beobachtet, wie einige Drei- bis Sechsjährige Müll verbrannten und sich so spielend beschäftigt haben. Dass Müll dort verbrannt wird, ist normal, aber mit welcher Selbstverständlichkeit die Kinder alleine damit gespielt haben, hat mich erstaunt, weil ich schon beim kleinsten Zündeln mit Streichhölzern ermahnt wurde…
Wegen dieser Besprechung habe ich erst am Donnerstag mehr als ein Kinder zu Gesicht bekommen, Namen gelernt und wieder vergessen, mit einem Erstklässler Mathe geübt und alles falsch gemacht, warme Schokomilch getrunken, gezeigt wo Deutschland liegt, Memory gespielt und vieles mehr.
Die Kinder und Erzieherinnen sind total lieb, aber noch fühle ich mich total gefesselt durch die Sprachprobleme. Die jüngeren, nuschelnden Kinder verstehe ich kaum und alles zu sagen, was ich möchte, vor allem zu ermahnen oder zu verbieten, geht auch nicht so richtig.