Würde für den Menschen
Erste Hilfe – Selbsthilfe
Nahrung ist nur der Anfang. Selbsthilfe und Selbstbestimmung sind der Schlüssel zum großen Ziel: Die Würde jedes einzelnen Menschen wahren. Wie wichtig es dabei ist, den einzelnen Menschen im Blick zu behalten, zeigt ein Beispiel aus dem Tschad. Brot für die Welt setzt sich für die Selbstbestimmung der Bauern ein und unterstützt sie dabei nicht nur für ihre Rechte einzustehen, sondern auch dabei, sich nicht von Ölfirmen abhängig zu machen.
Im Süden des zentralafrikanischen Land Tschad etwa profitieren nur wenige vom Erdölboom, obwohl die Milliardeninvestition einst als Projekt zur Armutsbekämpfung verkauft wurden. „Man hat uns das Blaue vom Himmel versprochen“, erzählt Auguste Djinodji, Dorfältester von Maïkeri, mit bebender Stimme. „Sauberes Trinkwasser, neue Schulen, stabile Häuser, sogar Elektrizität. Und was haben wir bekommen? Nichts!“ Es kam noch schlimmer. „Sie haben uns sogar unser Land weggenommen.“
Denn der wirtschaftliche Boom in der Erdölregion hat Schattenseiten: Zwielichtige Beamte des Katasteramts beschlagnahmen illegal Land und verkaufen es. „Weder die Regierung noch die Ölfirmen kümmern sich um uns. Doch statt weiter auf deren Hilfe zu hoffen, haben wir die Sache mit Unterstützung aus Deutschland jetzt selbst in die Hand genommen“, erzählt Nathaniel Ndiliyo.

Auguste Djinodji ließ sich voller Hoffnung auf eine goldene Zukunft blenden, damals, als zum ersten Mal Männer kamen, um nach Erdöl zu suchen. Er träumte von einem besseren Leben. Dachte, das Öl sei ein Segen für die Gemeinde. Doch inzwischen haben die Förderanlagen sein Dorf umzingelt. Auguste ist ein Mann reich an Erfahrung, und so war der traditionelle Chef von Maïkeri sicher, dass man die ihm gegebenen Versprechen einhalten würde. Heute weiß er es besser. Der Dorfälteste (87) sagt: „Seit Jahren leben wir in einem Alptraum. Erst jetzt wachen wir auf.“
© Helge Bend

Im Süden des Tschad sind die Wüsten der Sahara und die Savannen des Sahel eine ferne Erinnerung: Das Doba-Becken mit subtropischem Klima ist eine Kornkammer. „Zu essen gab es früher genug“, erzählt der alte Dorfchef. „Auf den Feldern haben wir Maniok, Taro, Süßkartoffeln, Bohnen und Erdnüsse angebaut. Sesam und Baumwolle konnten wir verkaufen. Und im Buschwald weideten Rinder, Schafe und Ziegen.“ Zwar waren die Menschen nicht reich. Aber sie hatten ein Auskommen. Heute ist das anders.
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Entdeckt wurden das Öl im Süden des Tschad schon vor 40 Jahren, doch ein Bürgerkrieg verhinderte seine Förderung. Seit gut einem Jahrzehnt wird der Rohstoff von einem Konsortium in großem Stil aus der Tiefe geholt und über eine Pipeline bis zum Atlantik gepumpt. Die Milliardeninvestition wurde als Projekt zur Armutsbekämpfung verkauft: „Sauberes Trinkwasser, neue Schulen, stabile Häuser, sogar Elektrizität. Und was haben wir bekommen? Nichts!“, erzählt Auguste Djinodji. Es kam noch schlimmer: „Sie haben uns sogar unser Land weggenommen.“
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Seit mehr als 15 Jahren kämpft Djéralar Miankeol für die Rechte der Bauernfamilien in der Erdölregion. Der Gründer der Association Ngaoubourandi (Verein Regenbogen) legt sich mit den Ölkonzernen an und macht Korruption öffentlich. „Viel Land ging beim Bau von Straßen, Pipelines, Ölspeichern und Stromleitungen verloren.“ Für faire Entschädigungen musste der Agraringenieur kämpfen und hatte am Ende Erfolg. So kam kurzfristig Geld in die Dörfer, sorgte aber für Streit in den Familien. Denn Arbeit finden die meisten nicht: „Maïkeri hat tausend Einwohnerinnen und Einwohner. Nur ein Mann ist bei einer Sicherheitsfirma angestellt.“ Deshalb suchen viele Trost im Alkohol.
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„Ich habe mir von der Entschädigung zwei Kühe gekauft und den Rest an meine Verwandten verteilt“, sagt Napoleon Sangmbaye aus dem Nachbardorf Maikiro. Einst hatte er zwei Hektar Land zur Verfügung, jetzt nur noch einen. Doch die verbliebene Parzelle liegt direkt neben einer Ölpumpe. „Früher habe ich hier zehn Säcke Hirse geerntet“, sagt der 32-Jährige, der sich nun um die Ernährung seiner schwangeren Frau und seiner drei Kinder sorgt. „Dieses Jahr wächst hier nichts mehr.“ Die schwere Pumpe hat den Boden seines Ackers derart zusammengepresst, dass er hart ist wie Beton.
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„Es ist wichtig, dass sich die Bauern und Bäuerinnen organisieren: In Zukunft werden Konflikte um Land noch zunehmen“, fürchtet Djéralar Miankeol. Immer mehr Nomaden aus dem Norden wandern zu – und bleiben mit ihren großen Rinderherden. Der wirtschaftliche Boom in der Erdölregion hat Schattenseiten: Zwielichtige Beamte des Katasteramts beschlagnahmen illegal Land und verkaufen es. Die Association Ngaoubourandi, Partner von Brot für die Welt, macht Lobbyarbeit und informiert bei Gottesdiensten, dass die Menschen ihre Rechte verteidigen müssen. Die Kernbotschaft: „Es kann klappen. Aber nur, wenn es wieder Solidarität gibt in den Dörfern.“
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In Maïkeri, Maikiro und zwei anderen Ortschaften funktioniert das schon: Hier wurden in einem Pilotprojekt Trinkwasserbrunnen und eine Gesundheitsstation gebaut. „Weder die Regierung noch die Ölfirmen kümmern sich um uns. Doch statt weiter auf deren Hilfe zu hoffen, haben wir die Sache mit Unterstützung aus Deutschland jetzt selbst in die Hand genommen“, erzählt Nathaniel Ndiliyo, der Krankenpfleger. Mit Erfolg: In den Dörfern mit den Brunnen gehen die Infektionen zurück. „Ein Meilenstein“, sagt der Krankenpfleger.
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Wasserholen ist Frauensache, und es gibt klare Regeln. „Für jede Schale bezahlen wir ein paar Francs. Nicht viel: Das kann sich jeder leisten. Aber es summiert sich. Inzwischen sollen schon viele hunderttausend Franc auf unserem Konto sein“, sagt Marie Yomoundjim aus dem Dorf Madana. Ein Komitee hat die Aufgabe, für den Tag X vorzusorgen. „Falls die Pumpe eines Tages kaputt geht, haben wir dann genügend Geld für die Reparatur.“ Früher musste die 59-Jährige fünf Kilometer gehen, um Wasser zu holen. „Sauber war das nicht: Ich hatte ständig Bauchweh und Durchfall.“ Doch das ist passé.
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Separat für jedes Dorf, aber auch übergreifend für die ganze Region soll jetzt ein Entwicklungsplan erstellt werden. „Wir werden klären, wo was gebraucht wird: Brunnen, Schulen, Latrinen, Gesundheitsstationen, Stromversorgung für Getreidemühlen“, sagt Djéralar Miankeol. Sein Optimismus wirkt ansteckend – und gibt auch jenen Hoffnung, die schon lange kämpfen. „Die Ölförderung ist kein Segen, sondern ein Fluch. Doch das Rad der Zeit lässt sich nicht zurückdrehen“, sinniert Auguste Djinodji, der Dorfälteste aus Maïkeri. „Leere Versprechen hatten wir genug. Jetzt geht es endlich voran.“
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So hilft Brot für die Welt
Die Partnerorganisation von Brot für die Welt unterstützt die Bewohner der Region nicht nur bei der Durchsetzung ihrer Rechte. Um eine Leben in Würde gegen mächtige Ölkonzerne durchzusetzen hilft die Gemeinschaft. „Es kann klappen. Aber nur, wenn es wieder Solidarität gibt in den Dörfern.“
Viele kleine Teile ergeben ein großes Ganzes. Djéralar Miankeol freut sich über die Impulse, die seine Organisation zusammen mit Brot für die Welt geben konnte: „Es entwickelt sich eine Eigendynamik: Es gibt plötzlich Mikrokredite in den Dörfern, mit denen Frauen kleine Läden aufbauen oder sich die Fahrt zum Markt in der nächsten Stadt vorfinanzieren. Das Leben der Menschen hat sich in diesen Gemeinden deutlich verbessert. Man spürt die Veränderung: Die Lethargie ist weg. Die Leute zeigen Engagement und glauben wieder daran, dass sie eine Chance haben.“
Separat für jedes Dorf, aber auch übergreifend für die ganze Region soll jetzt ein Entwicklungsplan erstellt werden. „Wir werden klären, wo was gebraucht wird: Brunnen, Schulen, Latrinen, Gesundheitsstationen, Stromversorgung für Getreidemühlen“, sagt Djéralar Miankeol.
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