Das lang verhandelte Internationale Pandemieabkommen wird bei der diesjährigen Weltgesundheitsversammlung in Genf nicht rechtskräftig bestätigt. Julia Stoffner, Expertin für internationale Gesundheitspolitik bei Brot für die Welt, kommentiert:
„Die Länder des Globalen Südens werden bei einem zukünftigen Pandemiefall erneut benachteiligt und Menschenleben gefährdet, weil die Mitgliedsstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) das internationale Pandemieabkommen heute nicht offiziell ratifizieren. Diese Situation ist entstanden, da es keine Einigung zwischen den WHO- Mitgliedsstaaten über eine gerechte Gegenleistung für das Teilen genetischer Ressourcen von Krankheitserregern gab. Einkommensschwache Länder werden wieder verzögert Zugang zu diesen Gegenleistungen, etwa Impfstoffen, Diagnostika und Medikamenten, erhalten. Einen wesentlichen Anteil daran trägt auch die deutsche Bundesregierung, die in den Verhandlungen bei der WHO die Interessen der Pharmaindustrie bevorzugt, indem sie beispielsweise einen freiwilligen Technologietransfer für Hersteller forderte.“
Hintergrund:
Vom 19. bis 27. Mai 2025 kommen die Staaten in Genf zur 78.Weltgesundheitsversammlung (WHA) zusammen. Zentraler Punkt auf der Agenda des Treffens war der Internationale Pandemievertrag. Mit ihm wollen die Regierungen Lehren aus der COVID-19 Pandemie ziehen und für die Prävention, und Eindämmung zukünftiger Pandemien besser gewappnet sein. Nachdem über drei Jahre intensiv verhandelt wurde, einigten sich die Staaten am 16. April 2025 auf einen Abkommenstext. Der nun vorliegende Text wurde bei der diesjährigen WHA mit einer unverbindlichen Resolution verabschiedet, allerdings wegen fehlender Einigung zwischen den WHO-Mitgliedsstaaten über das System zur Regelung eines „gerechten Ausgleichs für das Teilen genetischer Ressourcen von Krankheitserregern“ (Pathogen Access and Benefit-Sharing, PABS) noch nicht signiert und ratifiziert. In den kommenden Jahren wird nun das PABS-System als Annex verhandelt. Es soll eine gerechte Verteilung lebensrettender Gegenmaßnahmen im Falle einer Pandemie als Gegenleistung für das Teilen von Erregerproben und genetischen Ressourcen ermöglichen.
Erst wenn die Staaten einen Konsens über dieses System gefunden haben, soll der gegenwärtige Text gemeinsam mit dem Annex im Gesamtpaket durch die Vertragsstaaten ratifiziert werden. Erst dann ist der Internationale Pandemievertrag rechtskräftig und kann umgesetzt werden. Da der PABS-Verhandlungsprozesses wohl mehrere Jahre dauert, würden die Länder des Globalen Südens bei einer weiteren Pandemie in dieser Zeit wieder benachteiligt - wie während der COVID-19-Pandemie.
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