Pressemeldung

Der EED zum morgen erwarteten Urteil des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag

IGH-Urteil zum israelischen Mauerbau: Richtungsweisendes Gutachten für die Durchsetzung von humanitärem Völkerrecht

(Bonn, 08.07.2004) Am Freitag, den 9. Juli 2004, wird der Internationale Gerichtshof sein Gutachten zur Rechtmäßigkeit und zu den

Rechtsfolgen des Baus der Sperrmauer im Westjordanland fällen, die Teile der palästinensischen Gebiete durchtrennt.

Anfang diesen Jahres hatte der EED an Außenminister Joschka Fischer appelliert, ein solches Rechtsgutachten zu Israels Mauerbau auf der Grundlage des humanitären Völkerrechts zu befürworten. Die Positionierung der Bundesregierung war eindeutig: Sie lehnte ein Gutachten ab, da es "nicht geeignet sei, die Bemühungen der Konfliktparteien um eine Wiederbelebung des politischen Dialogs zu befördern." Die UN-Vollversammlung hatte aber trotz der Bedenken einiger westlicher Staaten den IGH um das Gutachten gebeten. Die israelischen und palästinensischen Partnerorganisationen des EED sehen in einem Richterspruch aus Den Haag eine Weichenstellung, bislang vernachlässigte Rechtsstandards durchzusetzen.

Der morgigen IGH-Entscheidung geht das vor kurzem gefällte Urteil des Obersten Gerichtshofs in Israel voraus. Das Urteil sorgte für Aufsehen, weil es der Klage von Einwohnern des palästinensischen Dorfs Beit Surik gegen den Staat Israel in Teilen stattgab. Das Urteil des israelischen Gerichts ist verbindlich: nun muss der Abschnitt des Mauerverlaufs bei Beit Surik nordwestlich von Jerusalem geändert werden.

Jessica Montell von der israelischen EED-Partnerorganisation für Menschenrechte B’Tselem trifft eine Einschätzung zur Bedeutung beider Gerichtsprozesse: "Das israelische Urteil macht die Entscheidung des IGH keinesfalls obsolet, denn bislang hat sich noch kein israelisches Gericht zur prinzipiellen Frage geäußert, ob Israel die Absperrung überhaupt innerhalb der besetzten Gebiete errichten darf".

Montell betont, dass die Klage von Beit Surik erst ein Anfang war: "Auf der Prozessliste stehen Dutzende weiterer Fälle von Orten die in ähnlicher Weise betroffen sind. Würde die Anlage entlang der geplanten Trassenführung gebaut, würden über 250.000 Menschen in 81 Orten in isolierte Enklaven eingeschlossen und Bauern von weiten Teilen ihrer Felder abgeschnitten. Gelte hingegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit überall, dann würden viele andere Bauabschnitte ebenfalls hinfällig."

Die mit Spannung erwartete Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs kann richtungsweisend sein für die Durchsetzung des humanitären Völkerrechts: "Das Urteil in Den Haag stellt eine Chance dar, dass die Verantwortlichen in Israel und den palästinensischen Gebieten sich dem öffentlichen Druck beugen, die Einhaltung der Menschenrechte zu garantieren und sie nicht zu ignorieren, Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung zu treffen und den Weg zu einem stabilen und gerechten Frieden zu ebnen", so Konrad von Bonin, Vorstandsvorsitzender des EED. "Eine Entscheidung zur Rechtssituation der palästinensischen Gebiete könnte auch für andere Konfliktregionen wegweisend sein: Sicherheit kann nicht hergestellt werden, wenn der Preis dafür Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte sind."

Die Stellungnahme der EED-Partnerorganisation B´Tselem:

Dorf für Dorf den Verlauf der Sperranlage ändern

Zehn Tage bevor der Internationale Gerichtshof sein Rechtsgutachten über den Bau von Israels Sperranlagen abgeben wird, hat das höchste Gericht Israels ein Urteil mit weitreichender Bedeutung gefällt.

Es geht darin um die Abwägung von sicherheitspolitischen und humanitären Gesichtspunkten. Dieses Urteil wird für die Lage vor Ort von weit größerer Bedeutung sein als der mit Spannung erwartete Richterspruch aus Den Haag.

Im Fall Beit Surik hat Israels Oberster Gerichtshof die Pläne für einen kleinen Teil der Trennungsanlage aufgehoben. In seinem Urteil heißt es, dass die Absperrung zwar eine legitime Sicherheitsmaßnahme darstellt, der strittige Abschnitt aber dem Dorf Beit Surik und seinen Nachbarorten, auf deren Land er geplant ist, unverhältnismäßigen Schaden zufügt.

"Dass ein israelisches Gericht zeitlich vor dem Internationalen Gerichtshof sein Urteil abgibt, ist nur korrekt. Es macht die Entscheidung des IGH keinesfalls obsolet, denn bislang hat sich noch kein israelisches Gericht zur prinzipiellen Frage geäußert, ob Israel die Absperrung überhaupt innerhalb der besetzten Gebiete errichten darf. Im Gegensatz zum IGH, der lediglich ein Rechtsgutachten erstellt, hat das Urteil des israelischen Gerichts rechtliche Verbindlichkeit und unmittelbare Auswirkungen.

Die Bedeutung des Urteils reicht weit über Beit Surik und die umliegenden Dörfer hinaus, die die Anlage erfolgreich von ihren Ländereien wegdrängen konnten. Auf der Prozessliste stehen Dutzende weiterer Fälle von Orten die in ähnlicher oder noch schwerwiegenderer Weise betroffen sind. Würde die Anlage entlang der geplanten Trassenführung gebaut, würden über 250.000 Menschen in 81 Orten in isolierte Enklaven eingeschlossen, und würden Bauern von weiten Teilen ihrer Felder abgeschnitten. Gelte demgegenüber das Verhältnismäßigkeitsprinzip überall, dann würden vieler anderer Bauabschnitte ebenfalls hinfällig.

Die vielleicht schwierigste Herausforderung wird sich in Jerusalem stellen, wo Israel für seine Anlage einen Verlauf gewählt hat, der für die Anwohner besonders verheerend ist. Die Trasse folgt nämlich der Verwaltungsgrenze der Stadt Jerusalem, einer willkürlichen Linie, die Israel nach seiner Besetzung im Jahr 1967 gezogen hat und die mancherorts mitten auf belebten Fahrstraßen verläuft. Jetzt entsteht genau dort eine über sechs Meter hohe Betonmauer, die Zehntausende Menschen von Schulen, Arbeitsstätten, Angehörigen und ärztlicher Behandlung abschneidet. Obwohl Jerusalem, meine Heimatstadt, seit drei Jahren von Selbstmordanschlägen und anderen Angriffen erschüttert wird, hoffe ich, dass der Oberste Gerichtshof auch in diesem Fall urteilen würde, dass der Schaden der Sperranlage für die betroffenen unschuldigen Zivilisten zu hoch ist.

Alle, die das Urteil des höchsten Gerichts als mutige Entscheidung feiern, müssen sich allerdings bewusst sein, dass der Richterspruch eine heftige Gegenreaktion hervorgerufen hat: "Dies ist ein schwarzer Tag für Israel, und wir werden dafür mit Menschenleben bezahlen," kommentierte Oberst Danny Tirza, einer der Hauptarchitekten der Sperranlage. Berechtigterweise werden nun israelische Bürger, die den ehrlichen Glauben haben, dass diese Anlage Leben retten kann, wütend auf die Bauverzögerungen schauen, die die Entscheidung der Richter mit sich bringen dürfte. Allerdings sollten sie ihren Zorn nicht gegen den Obersten Gerichtshof richten, sondern gegen die Regierung, die ihre Sicherheit zugunsten einer politischen Agenda geopfert hat.

In vertraulichen Gesprächen gestehen Angehörige des israelischen Militärs reihenweise das ein, was für jeden, der Karten lesen kann, auf der Hand liegt: Die Begründung für das Konzept der Sperranlage war Sicherheit, ihr gesamter Verlauf dagegen ist diktiert von Interessenpolitik. In Jerusalem trennt die Absperrung Palästinenser von Palästinensern, statt Israelis von Palästinensern abzutrennen - und zwar allein um Israels Anspruch auf Jerusalem als ungeteilte, ewige Hauptstadt zu zementieren. In der West Bank ziehen sich die Schlangenlinien der Anlage tief durch besetztes Gebiet hindurch, um so viele Siedlungen wie möglich auf die israelische Seite zu bringen.

Es liegt nun bei der israelischen Regierung, aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ihre Lehren zu ziehen. Wenn die Regierung immer noch der Auffassung ist, dass die Sperranlage notwendig ist, um Israels Bevölkerung zu schützen, muss sie ihren Verlauf so ändern, dass das ursprüngliche Vorhaben erreicht wird: Sicherheit, nicht Landraub. Falls aber, was ich befürchte, die Regierung nicht dieses Prinzip anwendet, muss das Gericht mutig genug sein, die Entscheidung im Präzedenzfall Beit Surik auf die gesamte Länge der Separationsanlage auszuweiten. Genau wie Gerichtspräsident Barak schreibt: "Nur ein Separationszaun, der auf der Grundlage des Rechts errichtet ist, wird dem Staat und seinen Bürgern Sicherheit bringen. Nur ein Separationsverlauf, der dem Pfad des Rechts folgt, wird dem Staat die ersehnte Sicherheit bringen."

Jessica Montell, Executive Direktor, B’Tselem: The Israeli Information Center for Human Rights in the Occupied Territories

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