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Gewalt beenden, feministische Bewegungen stärken

Geschlechtsspezifische Gewalt trifft jene Menschen am härtesten, die auch auf anderen Ebenen benachteiligt werden. Online setzt sie sich in Form von Cybersexismus fort. Der beste Hebel für geschlechtergerechte Politiken und gegen Gewalt ist die finanzielle Stärkung von feministischen Bewegungen.

Von Farina Hoffmann am
Menschen mit pinken T-Shirts schlagen auf Trommeln auf einer Demonstration.

Die CONNAT´s und das Team von Callescuela demonstrieren anlässlich des "Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen" Projektpartner: Callescuela

Jedes Jahr am 25. November ist der internationale Tag zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen. Der Titel dieses internationalen Tages ist allerdings trügerisch, denn geschlechtsspezifische oder geschlechtsbasierte Gewalt (engl. gender-based violence, GBV) richtet sich unterschiedlich gegen endo cis Frauen, Lesben, inter*, nicht-binäre*, trans* und agender Menschen (FLINTA*). Wenn über geschlechtsbasierte Gewalt gesprochen wird, ist das implizite Verständnis häufig das von einer weißen, heterosexuellen, dünnen, endo, cis Frau unter vierzig Jahren als Überlebende von Gewalt. Allerdings ist geschlechtsspezifische Gewalt aufgrund von sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität und -ausdruck und sexueller Charakteristika (SOGIESC) und in Überschneidung mit Rassifizierung (insbesondere Indigene), Sexarbeit, Wohnungslosigkeit und gegenüber be_hinderten Menschen um ein Vielfaches höher.

Geschlechtsspezifische Gewalt in Zahlen

Weltweit ist die Datenlage zu Gewalt an trans* Menschen sehr schlecht, doch die folgenden Zahlen aus den USA lassen sich auch auf andere Kontexte übertragen. In den USA erlebten 2019 rund die Hälfte aller trans* Menschen einmal in ihrem Leben geschlechtsspezifische Gewalt. Diese Zahl ist noch höher für US-amerikanische trans* Menschen mit Migrationshintergrund (indisch 65 %, Mittlerer Osten 58 %, Schwarz 53 %), unter Menschen, welche einmal in der Sexarbeit tätig waren (72 %), wohnungslos waren (65 %) oder Be_hinderung erfahren haben (61 %). Das weltweit erste Pflege- und Altenheim für Sexarbeiter*innen in Mexiko-Stadt versucht, auf diese Verflechtung von Sexarbeit, Gewalt und Stigmatisierung einzugehen, und bietet den meist von Altersarmut betroffenen FLINTA* einen sicheren Raum, in Würde alt zu werden und mögliche Traumata aufzuarbeiten.

Jede dritte endo cis Frau hat in Deutschland und weltweit einmal in ihrem Leben physische oder sexuelle Gewalt von Partner*innen oder nicht Partner*innen erlebt. Die überwiegende Mehrheit der geschlechtsspezifischen Gewalt geht jedoch von (Ex-)Partner*innen aus. Bei geschlechtsspezifischer Gewalt handelt es sich selten um Einzelvorfälle, sondern um wiederkehrende Gewalt. Gleichzeitig sind sexuelle Belästigungen wie unerwünschte verbale oder körperliche Annäherungen in diesen alarmierenden Zahlen noch nicht einmal eingeschlossen. In Deutschland erfährt alle vier Minuten eine endo cis Frau Partnerschaftsgewalt. Mehr als die Hälfte der endo cis Frauen in Deutschland meiden nachts bestimmte Gegenden oder Straßen und auch die öffentlichen Verkehrsmittel. Auf europäischer Ebene benennt die Istanbul-Konvention geschlechtsspezifische Gewalt als Menschenrechtsverletzung und schließt auch die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung und der Geschlechtsidentität mit ein.

Die Zahlen zu geschlechtsspezifischer Gewalt stehen in Wechselwirkung mit gesellschaftlichen Ereignissen. Bei Energietransformationen, zum Beispiel dem Ausstieg aus der Kohle, nimmt häusliche Gewalt zu. Beim Übergang von Kohle zu anderen Energieträgern verlieren viele Arbeiter*innen ihre Jobs und deren Frustration äußert sich in vermehrter häuslicher Gewalt gegenüber ihren Partner*innen. Für aktuelle Krisen wie den Klimawandel und zukünftige Krisen bedeutet das, dass wir einen Anstieg von geschlechtsbasierter Gewalt erwarten müssen.

Fokus des 25. November 2023: Cybersexismus und Finanzierung von Prävention

UN Women Deutschland hat dieses Jahr den Fokus auf die Gewalt im öffentlichen und digitalen Raum gelegt. Cybersexismus beschreibt patriarchale Strukturen im digitalen Raum und bildet eine spezielle Form der geschlechtsbasierten Gewalt ab. Nach wie vor findet er trotz der erschreckenden Ausmaße zu wenig Beachtung. Cybersexismus zeigt sich in unterschiedlichen Formen:

  • Cybermobbing,
  • Cyber-Stalking – unerlaubtes Veröffentlichen von sensiblen Daten (engl. doxting) oder sogar pornographischer Videos (engl. revenge porn),
  • Senden von sexualisierten Inhalten z. B. Penisbildern (engl. dick picks) ohne Einverständnis, bis zu
  • Deepfakes, das Reinschneiden von Personen in häufig pornographische Fotos oder Videos.

70 Prozent der endo cis Mädchen waren bereits digitaler Gewalt und Belästigung, jede zweite sogar sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Wie auch bei Offline-Gewalt verstärkt sich die Gewalt gegenüber FLINTA*, wenn sie politisch aktiv sind, journalistische Arbeit leisten, BIPoC (Black Indigenous People of Color), LGBTIQ* sind oder be_hindert werden. Seit der Corona-Pandemie hat die Online-Gewalt zugenommen, sodass circa 20 Prozent der betroffenen jungen FLINTA* sich aufgrund dessen aus der digitalen Welt zurückziehen.

International liegt der diesjährige Fokus des 25. November auf der Finanzierung von Prävention von geschlechterbasierter Gewalt. UN Women fasst dies so zusammen: Der beste Hebel, um Politiken für ein Ende der geschlechtsspezifischen Gewalt voranzubringen, ist eine starke und autonome feministische Bewegung. Allerdings fließen laut UN Women unverändert nur ein Prozent der Finanzen für Geschlechtergerechtigkeit in feministische Organisationen. Drei von vier Ländern halten gar nicht nach, ob Gelder Geschlechtergerechtigkeit voranbringen. Auch wenn 78 Prozent der Länder zugesagt haben, Gesetze zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt einzuführen, bleibt unklar, wann und wie, bemängelt UN Women. Daher hat UN Women bei den 16 Aktionstagen bis zum internationalen Tag der Menschenrechte Länder dazu aufgerufen, Zusagen zur Bekämpfung der geschlechtsspezifischen Gewalt wirklich in die Tat umzusetzen.

Unser Einsatz gegen geschlechtsspezifische Gewalt

Auch die Zivilgesellschaften leisten beim Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt einen wichtigen Beitrag. Dazu zählt die unermüdliche Arbeit zahlreicher Partnerorganisationen von Brot für die Welt. Sie setzen sich (mit Unterstützung von Brot für die Welt) für die Gleichberechtigung der Geschlechter ein und fördern Projekte, die durch Aufklärung geschlechtsspezifischer Gewalt vorbeugen und bieten Unterstützungs- und Empowerment-Räume durch Hilfetelefone oder Frauenhäuser. Außerdem setzen wir uns weltweit im politischen Dialog für ein Ende der geschlechtsspezifischen Gewalt ein. Eine dieser Partnerorganisationen ist die Frauenorganisation Centro Juana Azurduy (CJA) in Bolivien. Sie entwickelt und verbreitet Aufklärung zu geschlechtsspezifischer Gewalt und bietet über ein Hilfetelefon direkte Unterstützung.

Lesehinweise und Quellen

[1] Weitere Zahlen und Fakten zu Feminiziden hat UN Women erarbeitet: https://www.unwomen.org/en/news-stories/feature-story/2022/11/five-essential-facts-to-know-about-femicide (Englisch)

[1] Die Zahlen zu Gewalt an trans* Menschen aus den USA von 2019 stammen aus der Infographik vom US-amerikanischen National Sexual Violence Resource Center. Die Infographik kann unter diesem Link aufgerufen werden: https://www.nsvrc.org/sites/default/files/publications/2019-02/Transgender_infographic_508_0.pdf (Englisch)

[2] Weitere Infos zum weltweit ersten Pflegeheim für Sexarbeiter*innen in Mexiko-Stadt können hier nachgeschaut werden: https://www.srf.ch/news/international/weltweit-einzigartig-im-altenheim-fuer-sexarbeiterinnen-in-mexiko

[4] Die Zahlen zu geschlechtsspezifischer Gewalt in Deutschland und weltweit an endo cis Frauen stammen von UN Women: https://www.unwomen.org/en/what-we-do/ending-violence-against-women/facts-and-figures (Englisch) und UN Women Deutschland: https://unwomen.de/orange-the-world-2023/

[5] Studie zur Zunahmen von häuslicher Gewalt in Zusammenhang mit historischen Kohleausstiegen: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3905835 (Englisch)

[6] UN Women Deutschland „Orange the World“ Kampagne 2023: https://unwomen.de/orange-the-world-2023/

[7] Definition von Cybersexismus von UN Women Deutschland: https://unwomen.de/formen-der-gewalt-gegen-frauen-und-maedchen/

[8] Zahlen zu Online-Gewalt gegen FLINTA*: https://www.plan.de/free-to-be-online.html?sc=IDQ24100 (Jugendliche, englische Sprache); https://www.theguardian.com/global-development/2023/feb/17/gender-trolling-women-rights-money-digital-platforms-social-media-hate-politics (Englisch); https://hateaid.org/sexistische-digitale-gewalt/

[9] UN Women Kampagne 2023 zu geschlechtsbasierter Gewalt mit dem Fokus auf Finanzierung: https://www.unwomen.org/en/what-we-do/ending-violence-against-women/unite/theme

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