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Das Ende der Demokratie in Guatemala

Am Sonntag, den 25.6.23 finden in Guatemala Präsidentenwahlen statt. Die Zivilgesellschaft lebt mit permanenten Bedrohungen und Einschränkungen, Wahlbetrug droht. Jorge Santos, Mitarbeiter der „Brot für die Welt“-Partnerorganisation UDEFEGUA, erklärt im Interview, warum die Demokratie in Guatemala nicht mehr existiert und was getan werden muss, um alte Strukturen zu überwinden.

Von Anne-Katrin Mellmann am
Jorge Santos

Jorge Santos ist Mitarbeiter der Partnerorganisation UDEFEGUA, die sich für die Bewahrung von Menschenrechten einsetzt.

Herr Santos, was ist ihre größte Sorge mit Blick auf die bevorstehende Präsidentschaftswahl?

Im Moment ist meine größte Sorge, dass der Wahlprozess nicht dem demokratischen Charakter entspricht, den er haben sollte: transparent und frei. Es droht ein Wahlbetrug, der am Ende Menschen zur Macht verhilft, die den aktuellen massiven demokratischen Rückschritt verstetigen werden. 

Existiert in Guatemala noch Demokratie?

Ich finde nicht. Wenn man sich die Indikatoren für Demokratie und Autokratie ansieht, kommt man zu dem Ergebnis, dass Guatemala ein autoritärer Staat ist. Öffentliche Institutionen, die unabhängig sein müssen, sind vollständig unter Kontrolle gebracht, die Gewaltenteilung ist aufgehoben. Zudem hat die Militarisierung der Gesellschaft zugenommen, ebenso die politische Gewalt. Offensichtlich gibt es einen konservativen Rückschritt. Die Demokratie existiert nicht mehr.

Noch vor einigen Jahren befand sich Guatemala auf einem guten Weg. Was ist schiefgelaufen?

Gute Frage. Ich glaube, wir haben es nicht geschafft, die notwendigen Reformen auf den Weg zu bringen, die die Macht der alten Eliten beschneiden und beenden. Ich meine dieselben Gruppen, die all die Verbrechen begangen haben, die von der Internationalen Kommission gegen die Straflosigkeit CICIG und der Generalstaatsanwaltschaft bis 2019 aufgedeckt und verfolgt wurden. Es ist leider nicht gelungen, den Zugang zur Macht dieser korrupten und kriminellen Gruppen zu verhindern. Da es diese Reformen nicht gab, war es für die alten Eliten leicht, innerhalb der kriminellen Strukturen an die Macht zurückzukehren und den schwerwiegenden Rückschritt umzusetzen. Der betrifft nicht nur unser Justizsystem, sondern den gesamten Staat. 

„Wer die Menschenrechte verteidigt, lebt extrem gefährlich“

 
Was passiert in dieser Situation mit der Zivilgesellschaft? Wie beschreiben Sie ihren Zustand?

Ich glaube, dass sie in einer sehr schwierigen Lage ist, in einem Klima großer Unruhe und permnenter Bedrohung ihrer Freiheit. Wer die Menschenrechte verteidigt, lebt extrem gefährlich. Zum Beispiel haben wir erlebt, wie Aktivist: innen für die Verteidigung von Landrechten strafverfolgt wurden, ebenso Menschen, die Bergbau- oder Palmölunternehmen die Stirn geboten haben. Sie werden kriminalisiert, manche kommen ins Gefängnis oder werden ermordet. Der Willkür sind keine Grenzen gesetzt.

Wenn man in diesem korrupten, von einer Mafia beherrschten System kriminalisiert wird, hat man keine Chance, sich zu verteidigen. Und die Richter und Staatsanwälte, die vor einigen Jahren die Korruption endlich beenden wollten, sind heute selbst verfolgt, in Haft oder im Exil.

Auch Sie werden bedroht und kriminalisiert. Warum bleiben Sie im Land?

Ich verliere die Hoffnung nicht. In der Zeit der großen Mobilisierung und des Massenprotests der Bevölkerung gegen die Machteliten im Jahr 2015, die den Rücktritt des Präsidenten zur Folge hatten, ist der Keim der Hoffnung gewachsen und seitdem nicht verloren gegangen. Für unsere Gesellschaft ist die wichtigste Frage, wie wir unsere Demokratie zurückerobern können und zudem ein anderes Land gestalten, in dem die Macht anders verteilt ist. Das war damals unsere Hoffnung: dass wir in Würde leben können.

Was ist die Aufgabe Ihrer Organisation UDEFEGUA?

Entstanden sind wir als Organisation zur Beobachtung von Angriffen auf Menschenrechtsverteidiger: innen. Aktuell, in den vergangenen Jahren der Amtszeit von Präsident Giammattei, hat sich die politische Gewalt und die Aggression gegen Menschenrechtsverteidiger: innen exponentiell erhöht. Sie ist mit den Amtszeiten früherer Präsidenten nicht mehr vergleichbar.

„Brot für die Welt ist schon lange solidarisch“

 
Wie unterstützt Brot für die Welt Ihre Arbeit?

Brot für die Welt ist schon lange sehr solidarisch - nicht nur mit uns, sondern auch mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich für die Bewahrung von Menschenrechten einsetzen. Unter anderem geht es darum, die Organisationen zu stärken und sie zu schützen. Das ist aktuell besonders wichtig, da wir diesen gravierenden demokratischen Rückschritt erleben. Diese Unterstützung ist essentiell, damit der Einsatz für die Bewahrung von Menschenrechten überhaupt möglich wird.

Sehen Sie im Moment einen Ausweg? Vergleichbar mit der Mobilisierung im Jahr 2015?

Ich glaube, die guatemaltekische Gesellschaft hat über die Jahre hinweg verschiedene Wege des Widerstands gelernt. Das durchdringt alle gesellschaftlichen Bewegungen. Wir brauchen eine Agenda der Transformation. Dieses Land muss mit den alten Machtstrukturen brechen.

Das ist in Guatemala nicht nur eine politische Frage. Die Menschen leben in großer Armut, eines von zwei Kindern ist chronisch mangelernährt, wir gehören zu den Ländern mit der größten Ungleichheit. Wir sind kein armes Land, wir müssen unseren Staat, unser Entwicklungsmodell transformieren, damit Menschen in Würde leben können und damit die Menschenrechte eingehalten werden. Diejenigen, die heute regieren, haben auch in der Vergangenheit die Privilegien einer kleinen Machtelite garantiert. Eine andere Gesellschaft ist nur dann möglich, wenn wir die alten Strukturen überwinden. 

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