Drei Bälle sind derzeit (noch) in der Luft: Der Bundeshaushalt fürs laufende Jahr 2025 wird dieser Tage (Mitte September) verabschiedet, der Kabinettsentwurf für den Haushalt 2026liegt vor und geht Ende September ins parlamentarische Verfahren und – was ungewöhnlich ist – die Aufstellung für den Haushalt 2027 soll noch in diesem Herbst gestartet werden. Die sich überschneidenden Haushaltsverfahren sind in diesen Monaten beherrschendes Thema, die Anspannung steigt. Und ich beobachte, wie sich unter dem Druck von Rezession und finanziellem Engpass die haushälterischen Prioritäten weiter verschieben – zugunsten des eigenen nationalen „Kirchturms“.
Zukunftsperspektiven der internationalen Zusammenarbeit schwinden
Nun wird einer der Bälle, der für das Haushaltjahr 2025, aufschlagen. Der Haushaltsausschuss entschied bereits in der Bereinigungssitzung Anfang September weitreichende Kürzungen für die internationale Zusammenarbeit. Der Deutsche Bundestag wird diesem Votum in dieser Woche folgen und beschließen, die diesjährigen Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit deutlich zu beschneiden – so erhält das BMZ knapp eine Milliarde Euro weniger als im Vorjahr, der BMZ-Etat sinkt auf 10,3 Milliarden Euro. Die humanitäre Hilfe im Etat des Auswärtigen Amtes wird gegenüber 2024 sogar um mehr als die Hälfte (!) gekürzt, und liegt in diesem Jahr bei etwa einer Milliarde Euro.
Besonders gravierend ist, dass die Absenkung des BMZ-Etats für die künftigen Jahre ebenfalls beschlossen wurde. In der sogenannten Mittelfristigen Finanzplanung sieht die schwarz-rote Koalition vor, bis 2029 den BMZ-Etat auf 9,3 Milliarden Euro abzusenken. Die Ampel-Koalition sah noch eine Milliarde Euro mehr vor und wollte das Niveau auf 10,3 Milliarden stabilisieren.
Was war das noch: „Weltinnenpolitik“?
Der Gesamtetat des Auswärtigen Amtes bleibt für 2025 und die künftigen Jahre auf dem Niveau von etwa sechs Milliarden Euro. Wie es in dieser Legislaturperiode zu einer Erhöhung der humanitären Hilfe kommen kann, so wie dies der Koalitionsvertag vorsieht, ist dabei gänzlich offen.
Angesichts dieser Zahlen ist es doch erstaunlich, dass sich Deutschland erst kürzlich im Rahmen der Entwicklungsfinanzierungskonferenz in Sevilla dazu bekannt hat, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungsleistungen (Official Development Assistance, ODA)- auszugeben. Tatsache ist: Mittelfristig steuert Deutschland auf eine ODA-Quote von 0,4 Prozent zu.
Als Antwort auf die zentralen globalen Herausforderungen wie Krieg, fortschreitende Umweltzerstörung sowie Armut und Hunger hat Willy Brandt eine „Weltinnenpolitik“ gefordert. Brandt formulierte in der Einleitung zum Nord-Süd-Bericht 1980 sehr treffend: „Die Globalisierung von Gefahren und Herausforderungen – Krieg, Chaos, Selbstzerstörung – erfordert eine Art ‚Weltinnenpolitik‘, die über den Horizont von Kirchtürmen, aber auch nationalen Grenzen weit hinausreicht.“ Brandts Forderungen nach einer Weltinnenpolitik sind heute angesichts von Klimakrise, globaler Armut und internationalen Krisen und Konflikten aktueller denn je. Und sie sollten handlungsleitend sein.
Sind sie es? Eher weniger. Als ich Bundesfinanzminister Lars Klingbeil am 24. Juni zuhörte, wie er den ersten Haushaltsentwurf der schwarz-roten Bundesregierung vorstellte, da kreiste er doch eher um den „eigenen Kirchturm“. Klingbeil ist auch Ko-Vorsitzender der SPD, also jener Partei, die den Begriff „Weltinnenpolitik“ in den letzten vier Jahrzehnten immer wieder ins Feld führte und prägte. Von diesem „weltinnenpolitischen Ansinnen“ ist kaum etwas zu spüren.
Mittel für Entwicklungszusammenarbeit als Zukunftsinvestition
Als Prioritäten des Bundeshaushalts 2025 zählte Klingbeil die folgende Trias auf: Investitionen, Strukturreformen, Konsolidierung. Die ODA-Ausgaben, worunter Mittel für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe fallen, bezeichnete er als Beitrag zur Konsolidierung.
Es ist tragisch: Denn Klingbeil – und mit ihm die schwarz-rote Koalition – verkennt die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit. Diese Zuordnung ist vollkommen unangebracht: Denn die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit müssen als Zukunftsinvestition verstanden werden. Dies sollte innerhalb der Koalitionsfraktionen von Union und SPD auch den pragmatischsten Mitgliedern einleuchten, denn es gibt handfeste Gründe.
Inzwischen sollte der Weltbank-Bericht bekannt sein, wonach jeder US-Dollar, der jetzt an Entwicklungsfinanzierung ausgegeben wird, vier Dollar spart, die später als humanitäre Nothilfe ausgegeben werden müssten. Außerdem weist eine aktuelle Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft darauf hin, dass die Entwicklungszusammenarbeit handfeste Vorteile für Deutschlands exportorientierte Wirtschaft bietet: Die Daten belegen die positiven ökonomischen Effekte der Entwicklungszusammenarbeit. Diese verschaffe dem Geberland Deutschland zudem auch geopolitische Vorteile.
Und spätestens seit der Corona-Pandemie wissen wir, wie wichtig Investitionen in die globale Gesundheitsversorgung sind. Kürzungen in der Entwicklungszusammenarbeit, besonders im Gesundheitsbereich, können schwere Konsequenzen nach sich ziehen, besonders wenn bei Impfprogrammen, Pandemieprävention oder der Behandlung von HIV/Aids eingespart wird. So berichtet die afrikanische Gesundheitsbehörde von einem tragischen Anstieg von Cholera-Fällen in 23 Ländern in Afrika, weil schlicht und ergreifend die finanziellen Mittel zur Krankheitsbekämpfung fehlen – unter anderem bedingt durch das Wegbrechen US-amerikanischer Hilfen durch USAID.
Vorsicht vor dem Bumerang
Im Bundeshaushalt 2025 sinkt der Anteil des BMZ auf ein Zehnjahres-Tief. Mit Blick auf die künftigen Jahre, wiedergegeben in der Mittelfristigen Finanzplanung, tritt die fortschreitende De-Priorisierung der Entwicklungsfinanzierung besonders deutlich hervor. Der Bundeshaushalt soll bis 2029 auf das Rekordniveau von 572 Milliarden Euro anwachsen, dagegen fällt der BMZ-Etat auf ein Niedrigniveau von – wie gesagt – 9,3 Mrd. Euro im Jahr 2029. Der Anteil der Mittel fürs BMZ am Gesamthaushalt schrumpft damit auf unter 2 Prozent.
Wer die Bedeutung der Entwicklungszusammenarbeit als zentrales Politikfeld dermaßen verkennt, und die Mittel für die künftigen Jahre auf ein Mindestmaß schwinden lässt, verspielt wichtige Chancen der Gegenwart und verbaut Perspektiven. Die fehlenden Investitionen im Globalen Süden, sei es im Bereich Klimafinanzierung oder bei der Gesundheitsversorgung, ziehen Konsequenzen nach sich. Die Kürzungen samt Konsequenzen gleichen einem Bumerang – in absehbarer Zeit schnellen sie zurück. Ganz sicher.