Die Haltung vieler Menschen in Deutschland zur Rüstungsindustrie hat sich in den vergangenen Jahren spürbar verändert. Eine Umfrage des Vergleichsportals Verivox zeigt, dass inzwischen 58 Prozent der Befragten Investitionen in Rüstungsunternehmen für moralisch vertretbar halten. Vor dem russischen Angriff auf die Ukraine lehnte noch eine Mehrheit solche Investments ab.
Dieser Stimmungswandel hat mehrere Ursachen. Zum einen locken hohe Gewinne: Die Aktie von Rheinmetall etwa hat ihren Wert seit Februar 2023 mehr als verdoppelt. Das Unternehmen wurde im selben Jahr in den DAX aufgenommen und zählt nun zu den wertvollsten börsennotierten Konzernen Deutschlands. Für viele Anlegerinnen und Anleger sind Investitionen in Rüstungsfirmen aber nicht nur ein Renditethema – sie drücken damit auch ihre Zustimmung zu einem gestärkten Sicherheitsbedürfnis aus.
Die deutsche Kreditwirtschaft hat die Schwellenwerte für Investitionen in Rüstung gelockert
Diese Entwicklung wirft grundlegende Fragen für das nachhaltige Investieren auf. Finanzprodukte, die als nachhaltig gelten – sogenannte ESG-Fonds (Environment, Social, Governance) –, schließen bislang Unternehmen aus, die mehr als einen bestimmten Prozentsatz ihres Umsatzes mit Rüstungsgütern erwirtschaften. Die genauen Schwellenwerte unterscheiden sich je nach Bank oder Fondsanbieter. Während die Deutsche-Bank-Tochter DWS bis vor kurzem zehn Prozent als Obergrenze ansetzte, arbeiten spezialisierte Nachhaltigkeitsbanken mit strengeren Kriterien von drei bis fünf Prozent. Diese Unterschiede bestehen, weil es keine einheitliche gesetzliche Definition für soziale Nachhaltigkeit gibt. Eine verbindliche Orientierung könnte eine soziale Taxonomie der EU schaffen – ihre Umsetzung lässt jedoch weiter auf sich warten.
In Reaktion auf die veränderte sicherheitspolitische Stimmung hat die deutsche Kreditwirtschaft ihre ESG-Standards überarbeitet und gelockert. Seither können Rüstungsunternehmen deutlich leichter in nachhaltige Finanzprodukte aufgenommen werden, selbst wenn ihr Kerngeschäft in der Waffenproduktion liegt. Einzelne ethisch orientierte Banken, vor allem aus dem genossenschaftlichen Bereich, lehnen diesen Kurs ab. In einem gemeinsamen Positionspapier sprechen sie sich explizit gegen die uneingeschränkte Integration von Rüstungskonzernen in nachhaltige Anlageformen aus. Damit setzen sie ein klares Zeichen: Auch unter geopolitischem Druck ist es wichtig, an kritischen Grundhaltungen festzuhalten und Alternativen für eine wirklich nachhaltige Finanzwirtschaft aufzuzeigen.
Doch warum gilt Rüstung grundsätzlich als nicht nachhaltig?
Rüstungsunternehmen tragen nicht zur Erreichung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) bei. Auch wenn Investitionen in Waffen mit dem Ziel der Friedenssicherung begründet werden, leisten sie keinen positiven Beitrag zum SDG 16, das sich für friedliche und inklusive Gesellschaften einsetzt. Außerdem verbraucht die Herstellung von Waffen und Rüstungsgütern große Mengen an Rohstoffen und Energie, wodurch das Militär einer der größten CO2-Emittenten weltweit ist.
Zudem sind Investitionen in Rüstungsunternehmen in der Regel renditegetrieben. Es geht dabei selten vorrangig um sicherheitspolitische Verantwortung, sondern um Gewinnchancen. Und diese steigen weiter, wenn die produzierten Waffen eingesetzt werden. Selbst wenn Waffen mit bloßer Abschreckungsabsicht eingekauft werden, bergen sie immer auch das Risiko, dass sie letztlich doch in kriegerischen Auseinandersetzungen eingesetzt werden und Konflikte weiter befeuern. Bislang fehlt es außerdem an einem Rüstungsexportkontrollgesetz, welches unter anderem Kriterien für die Auswahl der Empfängerländer von Rüstungsexporten gesetzlich festschreiben würde.
Konventioneller Finanzmarkt steht Rüstungsindustrie offen
Hinzu kommt: Der konventionelle Finanzmarkt steht der Rüstungsindustrie ohnehin offen. Es besteht kein sachlicher Grund, warum Waffenhersteller zusätzlich auch noch über nachhaltige Finanzprodukte finanziert werden sollten.
Wer ernsthaft nachhaltig investieren möchte, sollte deshalb konsequent auf Investitionen in Rüstungsunternehmen verzichten, auch wenn das bedeutet, auf kurzfristig lukrative Renditechancen zu verzichten. Denn echtes nachhaltiges Investieren beginnt dort, wo Verantwortung für eine positive Zukunft übernommen wird. Rüstungsgüter mögen ein notwendiges Übel sein – den Weg in eine nachhaltige Zukunft weisen sie nicht.