2023 und 2024 verzeichnete Zentralamerika historisch hohe Zahlen von Migrant*innen. Sie durchquerten die Region auf unterschiedlichen Routen von Süden nach Norden. Wurden damals noch 2 - 2.5 Millionen Menschen bei irregulären Grenzübertritten zwischen Mexiko und den USA aufgegriffen, so hat sich diese Zahl in diesem Jahr deutlich reduziert (zwischen Februar und Mai 5-7% im Vergleich zu den Monaten im Vorjahr). Das bedeutet jedoch nicht, dass die Migration zum Erliegen gekommen ist. Vielmehr ist sie unsichtbarer geworden und mit neuen Menschenrechtsverletzungen verbunden (siehe den Blog von Andreas Grünewald). Diejenigen, die sich nun nicht mehr in Richtung USA bewegen, sondern in umgekehrter Richtung von Norden nach Süden, suchen jetzt Zuflucht in anderen Ländern der Region oder kehren gar in ihre Herkunftsländer zurück. Dies tun sie nicht, da sie plötzlich andere Perspektiven und Träume haben, sondern größtenteils mit einem Gefühl tiefer Verzweiflung. Denn die wenigsten von ihnen hatten sich freiwillig auf den Weg gemacht. Sie waren entweder vor politischer Verfolgung geflohen oder strukturelle Gewalt hatte sie aus ihren Herkunftsgemeinden vertrieben (siehe den Blog von Edgar Sánchez).
Begleitangebote anpassen
Für die Zivilgesellschaft, die Menschen auf der Flucht begleitet, bedeutet dieser Kontext enorme Herausforderungen. Zum einen hat USAID bis zur Amtsübernahme von Donald Trump einen Großteil der Projekte finanziert, mit denen auch Partnerorganisationen des Zivilen Friedensdienstes Menschen auf der Flucht zur Seite stehen konnten. Zum anderen erschweren die massiven Änderungen, die die Migrationsdynamiken in den letzten Jahren durchlaufen haben, eine längerfristige Planung notwendiger Begleitkapazitäten. Viele Angebote müssen eingestellt werden oder können nurmehr auf Basis von Freiwilligen fortgeführt werden. Gleichzeitig müssen die Angebote umgestaltet werden, denn diejenigen Menschen, die Unterstützung suchen, müssen sich neue Alternativen erschließen.
Migrant*innen als Bedrohung?
Nicht zuletzt der „Deal“ der USA mit El Salvador, der die kollektive Abschiebung von Venezolanern in das Megagefängnis CECOT in El Salvador ermöglichte, zeigt, wie sehr das Recht auf internationalen Schutz und Zugang zu Asyl sowie Mindeststandards an ordnungsgemäßen Verfahren mittlerweile in Frage gestellt werden. Gleichzeitig werden Migrant*innen pauschal mit Kriminellen gleichgesetzt. Dies trägt dazu bei, die Externalisierungspolitik – also das Nachaußenverlagern der Grenzpolitik – zu rechtfertigen. Und es verringert die Bereitschaft der Bevölkerung, Begleitangebote für Migrant*innen zu unterstützen.
Was kann der Zivile Friedensdienst von Brot für die Welt erreichen?
Vor diesem Hintergrund trafen sich Vertreter*innen von zehn Organisationen vom 16. bis 18. Juni in Guatemala, um gemeinsame Strategien zu entwickeln, die politische Einflussnahme zu stärken und alternative Narrative rund um das Thema Vertreibung und Migration zu entwickeln. Gleichzeitig sollten auch Dialogräume auf lokaler Ebene geschaffen werden, um die (Wieder-)Aufnahme von (rückgekehrten) Migrant*innen zu fördern und Ansätze zur Konflikttransformation zu stärken. Auch mit Unterstützung der über das Programm vermittelten Fachkräfte haben unsere Partner das Angebot von Workshops zum Thema Konflikttransformation ausgebaut. In diesen Workshops werden zum Beispiel Vorurteile thematisiert, unterschiedliche Konfliktkonstellationen identifiziert und Lösungsansätze auf lokaler Ebene erarbeitet. Dies ist ein wichtiger Beitrag dazu, Perspektiven vor Ort als Alternative zur Migration zu entwickeln.
Raum für Austausch
Nicht zuletzt bietet das Programm mit den jährlichen Präsenztreffen jedoch auch einen Raum des Austausches auf persönlicher Ebene und einen Raum, sich gegenseitig Empathie, Unterstützung, Solidarität und Verbundenheit zu zeigen und somit das Netzwerk von Menschenrechtsverteidiger*innen zu stärken. Dies ist umso wichtiger in einem Kontext, in dem die Unsicherheit von Arbeitsverhältnissen aufgrund von Finanzierungsengpässen wächst und gleichzeitig die politische Repression gegen die Zivilgesellschaft insbesondere in El Salvador zugenommen hat.