Der Aufbau einer digitalen Industriepolitik in Afrika ist von enormer Bedeutung, um den Kontinent zu einem international wettbewerbsfähigen Akteur der Digitalwirtschaft zu machen. In Verbindung mit einer progressiven Datenpolitik wie der Verbesserung des Datenschutzes und der Schaffung eigener Daten-Pools bildet die Herstellung eigener digitaler Technologien die wichtigste Grundlage, um von der digitalen Transformation zu profitieren. Zahlreiche afrikanische Regierungen haben in den letzten Jahren Initiativen zur Transformation ihres Industriesektors eingeleitet. Im Fokus der Digitalstrategie der Afrikanischen Union (AU) von 2019 steht der Ausbau der dafür notwendigen Infrastruktur, die Förderung digitaler Kompetenzen und die Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen.
Die von 34 Staaten verabschiedeten Datenstrategien und -richtlinien sollen Start-ups und den Online-Handel fördern. Ägypten, Kenia und Südafrika sind in die Produktion von Halbleitern eingestiegen – ein Markt, der bis 2030 weltweit auf rund eine Billion US-Dollar anwachsen soll. Die demographische Entwicklung könnte den afrikanischen Anstrengungen in die Karten spielen: Rund 70 Prozent der afrikanischen Bevölkerung sind jünger als 30 Jahre und technikaffin; diese junge Generation könnte mit einer entschlossenen Digitalpolitik dazu beitragen, Afrika in ein globales Zentrum für Zukunftstechnologien zu verwandeln.
Erdrückende Dominanz der Tech-Konzerne
Afrikas Ambitionen sind jedoch kein Selbstläufer. Gegenwärtig stammt der Großteil der benötigten digitalen Geräte und der Netzinfrastruktur (von Smartphones und Computern bis zu Glasfaserkabeln) aus dem Ausland. Gleiches gilt für Software (Betriebssysteme, Office-Programme, Browser) und Onlinedienste (Suchmaschinen, soziale Netzwerke oder Cloud-Plattformen), die in erster Linie von Tech-Konzernen aus den USA angeboten werden. Auf E-Commerce-Plattformen finden sich kaum afrikanische Erzeugnisse – und wenn, dann meist nur Rohstoffe oder wenig verarbeitete Güter. Afrika verfügt zwar über die Bodenschätze für Schlüsseltechnologien, doch die Weiterverarbeitung zu Halbleitern und anderen IT-Produkten und deren Wertschöpfung findet größtenteils in den USA, Europa und China statt. Dies führt zu hohen Importkosten (der digitalen Technologien) und bremst den Aufbau einer eigenen Digitalindustrie.
Google, Meta und Co. nutzen zudem ihre Machtposition, um die gegenwärtigen liberalen Regeln zum Datenverkehr, die eine wichtige Grundlage ihres Erfolgs bilden, aufrechtzuerhalten. Zugleich fehlen vielerorts die Voraussetzungen für eine gelungene Transformation. Angefangen vom Mangel an leistungsfähigen 5G-Anschlüsssen (in den ärmsten Entwicklungsländern verfügt nur ein Prozent der Bevölkerung über einen solchen Anschluss) über fehlende Fachkräfte bis hin zu einem nicht zeitgemäßen Rechtsrahmen. Ein weiterer Störfaktor: Die eingeleiteten Strategien der nationalen Regierungen und der AU hinken den sich rasant weiterentwickelnden neuen Technologien hinterher. Dies birgt die Gefahr, dass sich technologische Ungleichheiten noch weiter verfestigen, beispielsweise bei der Weiterentwicklung von KI. Laut einer aktuellen Studie der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) investieren insbesondere Unternehmen aus den USA, China oder Deutschland in die KI-Forschung. Damit verschaffen sie sich einen enormen Vorteil, um vom globalen KI-Markt zu profitieren, der bis 2033 um das Zwanzigfache auf 4,8 Billionen US-Dollar wachsen soll.
EU behindert Afrikas Ambitionen
Auch die EU-Initiative „Global Gateway“ kann Afrikas Ambitionen behindern. Brüssel fördert zwar den Ausbau von Internet-Konnektivität, will dabei jedoch die Oberhand über die Infrastruktur behalten. So wird das 45.000 Kilometer lange Unterseekabel „2Africa“, dass den gesamten Kontinent umrunden soll, von Meta, Orange (Frankreich) und Vodafone (Großbritannien) finanziert und kontrolliert. Die digitale Souveränität wird aber nur dann gestärkt, wenn die afrikanischen Gesellschaften über eine Miteigentümerschaft des Kabels verfügen.
Außerdem drängt die EU-Kommission die Partnerländer, deren Datenrichtlinien an europäische Standards wie die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) anzugleichen. Da Brüssel jedoch den Datenschutz selbst in den Staaten für unzureichend erklärt, die die DSGVO übernommen haben, schränkt die EU den Datentransfer nach Afrika ein, empfängt aber ungehindert Daten von dort. Mit anderen Worten: Die Daten fließen wie in einer Einbahnstraße von Afrika nach Europa, aber nicht umgekehrt. Dies verhindert den Aufbau eigener afrikanischer Datenpools und verstärkt die Datenabhängigkeit vom Ausland. In diesem Falle: der EU.
Glaubwürdigkeit und Kohärenz sind gefragt
Um Anschluss an die führenden Industrienationen und China zu finden, muss Afrika seine Anstrengungen für den Aufbau einer eigenen Digitalwirtschaft deutlich verstärken. Zugleich müssen heimische Unternehmen und Tech-Start-ups durch strenge Wettbewerbsregeln vor Alibaba, Amazon und Microsoft geschützt werden. Anstatt Afrikas Bemühungen (weiter) zu untergraben, sollte die EU die 2023 verabschiedete „Gemeinsame Politik- und Regulierungsinitiative für ein digitales Afrika“ konsequent umsetzen. Diese dient insbesondere der Förderung von Vorhaben, die an örtliche Bedingungen angepasst sind. Die neue Bundesregierung steht vor der Herausforderung ihre nationale und internationale Digitalpolitik in Einklang bringen. Wenn die Digitalisierung, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht, den sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt in Deutschland stärken und die Abhängigkeit von Tech-Konzernen aus dem Ausland verringern soll, dann muss sichergestellt werden, dass die Digitalprogramme des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit wie „Make-IT in Africa“ die afrikanischen Gesellschaften nicht in eine weitere digitale Abhängigkeit treiben.
Ein Beitrag von Africa Kiiza.