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Digitale Entwicklungszusammenarbeit am Scheideweg

Die neue Digitalstrategie der Bundesregierung hat das Potential für eine echte Partnerschaft auf Augenhöhe mit Afrika. Voraussetzung dafür ist, dass in der Entwicklungszusammenarbeit die gleichen Prämissen zum Aufbau digitaler Souveränität gelten wie in Deutschland. Mit anderen Worten: Innen- und Außenpolitik müssen aus einem Guss sein.

Von Gastbeiträge Politik am

Im Koalitionsvertrag verspricht die neue Bundesregierung, Deutschlands digitale Souveränität zu stärken und seinen Einfluss in der internationalen Digitalpolitik auszubauen. Zur Umsetzung dieser hochgesteckten Ziele wurde ein eigenes Digitalministerium eingerichtet (im Behördenjargon heißt es „Bundesministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung“, kurz: BMDS). Die Entscheidung der Merz-Regierung, die digitale Abhängigkeit von Tech-Konzernen aus den USA und China zu verringern, war überfällig. 62 Prozent der deutschen Unternehmen mit zwanzig oder mehr Beschäftigten sind, laut einer Studie des Industrieverbandes Bitkom, stark abhängig von ausländischer Technologie. Dies gilt insbesondere für kritische Sektoren wie Cloud Computing, künstliche Intelligenz, Halbleiter und Cybersicherheit.

Die neue Digitalstrategie bietet eine gute Ausgangsbasis für eine Partnerschaft mit Afrika, die diesen Namen verdient. Echte Partnerschaft setzt aber voraus, dass sie die technologische Selbstbestimmung auf dem Nachbarkontinent fördere und eine heimische digitale Industriepolitik ermöglicht. Mit Blick auf die bisherigen Erfahrungen bei der deutsch-afrikanischen Entwicklungszusammenarbeit müssten jedoch eine Reihe von wegweisenden Änderungen vorgenommen werden.

Entwicklungszusammenarbeit im Dienste Deutschlands

Die von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) finanzierte Initiative „Make-IT in Africa“ fördert seit langem innovative Vorhaben, indem sie beispielsweise Start-ups schult, um deren Geschäftsmodelle an Marktbedingungen anzupassen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau wiederum finanziert das Unterseekabel Ostafrika EASSY mit, das 21 afrikanische Länder untereinander und mit der Welt verbindet. Das baden-württembergische Softwareunternehmen SAP hat, mit Unterstützung der GIZ, in den letzten zehn Jahren rund 1.400 Menschen in zwanzig Ländern Afrikas zu technischen Berater*innen ausgebildet.

Diese privatwirtschaftlichen und staatlichen Initiativen wirken auf den ersten Blick entwicklungsfördernd. Eine genauere Betrachtung zeigt jedoch deren strukturelle Defizite, die symptomatisch für die deutsche Digitalpolitik im Globalen Süden sind. Eine in Teilen gut gemeinte Politik, die aber zahlreiche Fallstricke enthält wie den sogenannten Lock-in-Effekt. Gemeint ist damit die Schaffung von Abhängigkeiten durch Dienste und Produkte der anbietenden Tech-Unternehmen; in diesem Fall vom deutschen Unternehmen SAP. Im Folgenden zwei Beispiele.

Durch die von der EU und GIZ-Beratern vorangetriebene Übernahme von Datengesetzen nach EU-Vorbild (wie die Datenschutzgrundverordnung, DSGVO) wird Afrikas Zukunft stark an europäischen Prioritäten (wie Datenschutz und Cybersicherheit) ausgerichtet statt an den ökonomischen Entwicklungszielen der Länder, in denen die Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit Priorität genießt. Eine wichtige Initiative, die diesen wirtschaftlichen Zielen dient, sind Gesetze zur sogenannten Datenlokalisierung. Ein solches Gesetz schreibt – wie das Beispiel Nigeria zeigt – ausländischen Konzernen vor, die von ihnen im Land erhobenen Daten auch auf einem heimischen, afrikanischen Server zu speichern. Ziel dieses Gesetzes ist es, den Ländern im Globalen Süden den Aufbau eigener Daten-Pools zu ermöglichen, um selbst datengetriebene Geschäftsmodelle und Serviceleistungen anbieten zu können. Solche Lokalisierungsvorschriften für Daten werden von Deutschland und der EU nicht gefördert. Mehr noch: Berlin und Brüssel kritisieren sie – als einen illegitimen Eingriff in den freien Datenfluss.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass deutsche Unternehmen wie SAP und SiemensClosed Source-Systeme für E-Government und öffentliche Verwaltung exportieren. In Kenia spielt SAP-Software eine zentrale Rolle bei der Digitalisierung des Steuer- und Beschaffungswesens. Im Gegensatz zu Open Source-Systemen lässt sich die Software von SAP jedoch nur schwer an die lokalen Bedürfnisse anpassen oder ersetzen, was zu einer langfristigen technologischen Abhängigkeit von dem deutschen Unternehmen führt. Das heißt: Die Übernahme der SAP-Software macht die kenianische Verwaltung zwar effizienter, drückt den Behörden zugleich aber ein Dienstleistungs- und Lizenzmodell auf, welche sie kaum mitgestalten können und das für kenianische Digitalunternehmen ein Hindernis darstellt, selbst ihre Software auf den Markt zu bringen und/oder den Behörden anzubieten.  

Strategische Partnerschaft in der Digitalsphäre

Deutschlands Bestrebungen nach einer partnerschaftlichen digitalen Zusammenarbeit wird erst dann glaubwürdig, wenn die afrikanischen Gesellschaften nicht nur als Empfänger digitaler Hilfsangebote, sondern als strategischer Partner beim Aufbau einer inklusiven Digitalwirtschaft betrachtet und behandelt werden. Afrikas digitale Zukunft hängt nicht nur von der Nutzung von Apps und einer effektiveren Verwaltung ab, sondern – wie auch jene Deutschlands – vom Aufbau einer robusten industriellen Basis, die Cloud-Infrastruktur, lokale Rechenzentren sowie Produktionsstätten für Halbleiter und Hardware umfasst.

Seit die neue Bundesregierung die Amtsgeschäfte übernommen hat, betont sie, Politik aus einem Guss machen zu wollen. Für die Digitalpolitik bedeutet dies zunächst einmal, dass auf internationaler Ebene die gleichen Prämissen zum Aufbau digitaler Souveränität gelten müssen wie für das Inland: offene Standards, Open Source und Interoperabilität. Um tatsächlich die Wettbewerbsfähigkeit Afrikas (zu stärken, sollten Unternehmen wie Siemens und SAP deshalb die gemeinsame Schaffung von Open Source-Plattformen vorantreiben, Kapazitäten für digitale öffentliche Güter aufbauen und einheimische Alternativen zu dominanten ausländischen Technologien finanzieren.

Außenpolitik aus einem Guss bedeutet zudem, dass die digitale Entwicklungszusammenarbeit nicht isoliert von der allgemeinen Wirtschafts- und Handelspolitik Deutschlands betrachtet werden darf. Handelsabkommen mit Afrika dürfen beispielsweise keine Regeln zum Schutz geistigen Eigentums enthalten, die die Fähigkeit afrikanischer Länder untergraben, eine wettbewerbsfähige Digitalindustrie aufzubauen, wie es zurzeit der Fall ist.

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters. Schülerinnen in Äthiopien

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