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Die Ozeane: Zwischen Schutz und Ausbeutung

Die 3. UN-Meereskonferenz in Nizza will über die Erreichung des Nachhaltigkeitsziels 14 „Leben unter Wasser“ beraten. Sie soll den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Ozeane voranbringen. Dies bis 2030 zu erreichen, scheint jedoch utopisch. Wirtschaftliche Interessen über und unter den Meeren drohen die Stimmen der Küstengemeinschaften zu übertönen.

Von Francisco Marí am
 verschwinden durch den Klimawandel. Menschen werden umgesiedelt und verlieren ihre Heimat, Wohnung und Arbeitsplätze.

Das französische Nizza wird vom 9. bis 13. Juni 2025 zum Zentrum der globalen Meerespolitik. Die 3. UN-Konferenz zum Schutz der Ozeane bringt Regierungen, Unternehmen, Umweltorganisationen und Finanzinstitutionen zusammen, um über die „nachhaltige Nutzung der Meere“ zu beraten. Der Fokus liegt auf der Umsetzung des UN-Ziels 14 der Agenda 2030 („Leben unter Wasser“): Beschleunigung von Maßnahmen und Mobilisierung aller Akteure zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der Ozeane. Geplant ist die Annahme eines „Ozean-Aktionsplans“, bestehend aus einer politischen Erklärung und einer Liste freiwilliger Verpflichtungen. Doch es gibt Bedenken, dass wirtschaftliche Interessen dominieren, während die Stimmen derjenigen, die direkt vom Meer zum Beispiel im Fischereisektor leben, nicht ausreichend berücksichtigt werden.

Die UN-Meereskonferenzen sollen eigentlich als Plattform dienen, um eine Balance zwischen dem Schutz und der nachhaltigen Nutzung der Meere zu suchen. Doch die beiden bisherigen Konferenzen in New York (2017) und Lissabon (2022) haben gezeigt, dass Meerespolitik zu kurz greift, wenn sie nicht mit den anderen globalen Entwicklungszielen (SDGs) verknüpft wird. Zwar ist zum Beispiel die Bedeutung der handwerklichen Fischerei in Nizza ein Thema, doch die Frage bleibt: Werden die Interessen der Küstengemeinschaften und Menschenrechte wie das Recht auf Nahrung ernst genommen? Oder geht es in Wahrheit nur um neue Investitionsräume für die „blaue Wirtschaft" (blue economy)?

Meere als Wirtschaftsobjekt – nicht als Gemeingut

Der Entwurf des Abschlusstextes der Konferenz beschreibt deutlich, wie katastrophal es um die Weltmeere steht: Der Meeresspiegel steigt, die Meere werden verschmutzt und überfischt. Verschiedene internationale Bemühungen sind genannt, die die Situation in den Weltmeeren verbessern sollen: die Biodiversitätskonvention, das Abkommen zu Plastikverschmutzung, das WTO-Abkommen zu schädlichen Fischereisubventionen und der Vertrag zum Schutz der Hohen See.

Obwohl der umstrittene Begriff „blaue Wirtschaft“ vermieden und stattdessen über „nachhaltige Meeresökonomien“ gesprochen wird, bleibt eine Verstärkung der wirtschaftlichen Nutzung der Meere ein Ziel der UN-Meeresstrategie. Im Text wird gefordert, verschiedene Finanzinstrumente zu nutzen, um den Schutz und die Nutzung der Meere zu beschleunigen. Dazu gehören zum Beispiel „blaue Anleihen und Kredite“. Außerdem werden Banken, Investoren und Versicherer aufgefordert, Geld für den Meeres- und Küstenschutz zur Verfügung zu stellen. Das Meer wird zum guten Geschäft, auch dann, wenn etwas Geld für den Meeresschutz abfällt.

Laut der SDGs soll dieses Engagement vor allem Entwicklungsländern und kleinen Inselstaaten helfen. Allerdings gibt es in diesen Ländern viel Kritik: Oft werden wirtschaftliche Interessen wichtiger genommen als ökologische und soziale Bedürfnisse. Außerdem werden Schutzprojekte häufig ohne die Beteiligung der betroffenen Menschen entschieden – stattdessen entscheiden Gruppen und Investoren, die in Nizza auf Fördergelder hoffen.

Ob es zu einem Abschlusstext in Nizza kommt, wird darüber hinaus vom Verhalten der USA unter Präsident Trump abhängen. Auf der UN-Ozeankonferenz 2017, in dessen erster Amtszeit, gelang es der US-Regierung, den Passus zur Unterstützung des Pariser Klimaabkommens zu streichen.

Kleinfischerei: Unsichtbar und bedroht

Dabei sind Millionen Menschen im Globalen Süden abhängig von ökologisch intakten Meeren, denn diese sichern ihre Lebensgrundlage. Die Beschäftigten in der handwerklichen Fischerei versorgen Menschen nicht nur in Küstengebieten mit erschwinglichen Fischprodukten und proteinreicher Nahrung. Doch die Lage an den Küsten ist zunehmend prekär: Überfischung durch industrielle Flotten, Erwärmung und Versauerung sowie die Verschmutzung der Weltmeere reduzieren die Fischbestände. Extraktive Projekte (Gas, Erdöl, Windkraft) beschränken den Zugang zu Fischgründen. Marine Aquakulturen verschmutzen neben giftigen Einträgen aus der Landwirtschaft die Küstengewässer zunehmend, ebenso wie Plastikabfälle und ungereinigte Abwässer. Und nun scheint die nächste Bedrohung wahr zu werden: der Tiefseebergbau. Die USA wollen Abbaulizenzen für alle Weltmeere vergeben, als gehörten diese ihnen und gäbe es keine Internationale Meeresbodenbehörde, die im Auftrag der UN die Tiefsee verwaltet.

Unverbindlich statt wirksam

Die UN-Konferenz setzt auf freiwillige Selbstverpflichtungen von Staaten, Unternehmen und Organisationen – verbindliche Beschlüsse werden in Nizza daher fehlen. Dies wird auch von den Partnerorganisationen von Brot für die Welt als unzureichend kritisiert. Wie auch bei anderen UN-Konferenzen (Klima, Ernährung) werden alle Beteiligten (Stakeholder) auf eine gleichberechtigte Ebene mit Staaten gehoben. Damit stehlen sich die Staaten aus ihrer Verpflichtung. Denn nur sie können und müssen im Rahmen der UN verbindliche Maßnahmen ergreifen zum Schutz der Ozeane, zur Einhaltung der Rechte von Menschen in der Kleinfischerei und in Küstengemeinschaften. NROs oder Unternehmen können staatliche Verpflichtungen und Meeresschutzmaßnahmen begleiten und unterstützen, aber sie dürfen nicht die Verantwortung für deren Überwachung und Einhaltung übertragen bekommen.

Warum wir trotzdem dabei sind

Trotz aller Kritik nehmen wir gemeinsam mit vielen Partner*innen an der Konferenz teil – nicht, weil wir uns Illusionen machen, sondern weil wir wenigstens einige kritische Perspektiven sichtbar machen wollen. Wir stehen für eine Meerespolitik, die globale Gerechtigkeit ernst nimmt, lokale Gemeinschaften einbindet und nicht länger zugunsten einer extraktiven Industrie und industrieller Fischerei über die Bedürfnisse der Mehrheit hinweggeht. Eine sozial gerechte und ökologisch verantwortungsvolle Nutzung der Meere ist möglich – wenn die Stimmen aus dem Globalen Süden endlich mehr zählen als die Interessen von „blauen“ Finanzmärkten. Hoffen wir, dass die Konferenz in Nizza Gelegenheit bietet, sowohl den Schutz der Ozeane als auch die Rechte der Menschen, die von ihnen abhängen, in den Mittelpunkt zu stellen. Eine stärkere Fokussierung auf soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit wären dafür Voraussetzung. Wir werden berichten.  

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