Interview

„Die COP 30 hat den Lackmustest nicht bestanden“

Die Weltklimakonferenz ist mit einem enttäuschenden Ergebnis zu Ende gegangen. Trotzdem sind diese multilateralen Formate alternativlos und die Mobilisierung der Zivilgesellschaft in Belém kann als Erfolg gewertet werden, unterstreicht unsere Klimaexpertin Sabine Minninger im Interview.

Von Michael Klein am
Sabine Minninger vor dem Eingang zur COP30 in Belém

Sabine Minninger vor dem Haupteingang zur COP30 in Belém.

Wie bewertest du die 30. Weltklimakonferenz in Belém in Brasilien im Rückblick?

Sabine Minninger: Die Ergebnisse sind zunächst sehr ernüchternd. Es gab in den entscheidenden Knackpunkten keinen Durchbruch: Zehn Jahre nach dem Pariser Abkommen ist es nicht gelungen, die Abkehr von fossilen Energiequellen in einem Abschlussdokument der Weltklimaverhandlungen festzuschreiben. Deutschland hat mit der Europäischen Union zwar hart gekämpft für die Abkehr von Kohle, Öl und Gas, ist aber gescheitert an den Staaten, die an dem fossilen Wirtschaftsmodell festhalten. In vorderster Front waren das Saudi-Arabien und Russland, aber in zweiter Linie ist es auch gescheitert an denen, die nach wie vor bei den Petro-Staaten einkaufen. Die Ölstaaten werden sich erst dann bewegen, wenn endgültig keiner mehr bei ihnen kauft. Leider erleben wir auch in Deutschland, dass das Wirtschaftsministerium für den Energiesektor nach wie vor stark auf Gas setzt. Es gab dennoch Bewegung in vielen anderen Verhandlungsbereichen, zum Beispiel hat man sich auf einen jährlich erscheinenden Loss-and-Damage-Gap-Report geeinigt. Das war vor allem der Wunsch der vom Klimawandel besonders betroffenen Staaten, sie wollen künftig mehr Klarheit über Klimaschäden und die wachsende Finanzierungslücke.

Über das Verhandlungsgeschick des Gastgebers Brasiliens gibt es unterschiedliche Meinungen. Was ist deine Sicht?

Von der Rolle Brasiliens bin ich ganz besonders enttäuscht. Die Gastgeber sind sehr ambitioniert gestartet mit der Beteiligung der Indigenen am Prozess und der Entscheidung, diesen Gipfel im Amazonas, einem Schmerzpunkt des Klimawandels, stattfinden zu lassen. Sie hatten auch eine starke Verhandlungsdelegation am Start. Doch dann, zum Schluss, hat sich Brasilien einfach nur in die Reihe der ambitionslosen, bremsenden BRICS-Staaten eingereiht, statt mit seinen lateinamerikanischen Nachbarstaaten eine Koalition einzugehen für den Ausstieg aus den Fossilen und für mehr Anpassungsfinanzierung.

Brot für die Welt hat sich bei dieser COP für ein ambitioniertes Globales Anpassungsziel inklusive der dazugehörigen Anpassungsfinanzierung für die ärmsten und verletzlichsten Staaten eingesetzt. Was ist dabei herausgekommen?

Leider hat diese Staatengruppe nicht das bekommen, was dringend notwendig wäre, nämlich eine bedarfsorientierte Bereitstellung der Anpassungsfinanzierung. Stattdessen gab es nur die vage Zusage der Industriestaaten, dass man eine Verdreifachung der Mittel von 2025 bis 2035 anstrebt, dabei ist unklar, wer als Geber angesehen wird. Die Industriestaaten verweisen darauf, dass auch Schwellenländer sich beteiligen sollen. Sie selbst haben sich auf keine konkrete Summe eingelassen, die sie selbst bereitstellen als Schenkung.

Wie sollte die Anpassungsfinanzierung konkret aussehen?

Die am wenigsten entwickelten Staaten haben 120 Milliarden US-Dollar ab 2030 von den Industriestaaten gefordert. Die Mittel für Klimaanpassung müssen Schenkungen sein, also keine Kredite, die diese Länder weiter in die Verschuldung treiben.

Würdest du sagen, insgesamt hat die COP30 nichts gebracht – man hätte sie sich sparen können?

Nein, es ist nach wie vor gut und richtig, dass wir diesen Prozess von UN-Klimaverhandlungen haben, selbst bei diesem schwachen Ergebnis. Die COP30 war der Lackmustest des Pariser Klimaabkommens und sollte zeigen, ob Paris noch lebt oder tot ist. Unser Anliegen ist ganz klar nicht, das Pariser Abkommen zu beerdigen und damit Rechtsradikalen und Klimaleugnern in die Hände zu spielen. Stattdessen verlangen wir mehr Verbindlichkeit und Ambition in der Umsetzung des Abkommens. Schließlich orientieren sich weiterhin mehr als 195 Staaten daran. Alle sitzen an einem Tisch und verhandeln teilweise sehr dynamisch und progressiv, teilweise aber auch blockierend und bremsend. Außer den USA ist bisher kein Land ausgestiegen.

Der Multilateralismus lebt also noch?

Solange die Welt miteinander über Klimaschutz und die Unterstützung der Ärmsten verhandelt, dürfen multilaterale Prozesse nicht als verloren gelten. Auch wenn alles zu langsam und zu wenig ist, gibt es auch positive Ergebnisse wie den weltweiten Ausbau der erneuerbaren Energien. Und die Klimafinanzierung gibt es auch noch. Ohne den Verhandlungsprozess würde es wohl kaum die Klimafinanztöpfe geben und die Wiederauffüllungsrunden. Trotzdem: Die COP 30 hat den Lackmustest zur Eindämmung des gefährlichen Klimawandels, wie in den Zielen des Pariser Abkommens beschrieben, nicht bestanden. Gegenwärtig steuern wir laut der UNO auf 2,8 Grad Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts zu.

Was ist besonders problematisch für Partnerorganisationen in vom Klimawandel besonders betroffenen Ländern?

Unter den Auswirkungen der zunehmenden Erderwärmung werden die ärmsten Staaten am meisten leiden. Sie sind für die Folgen der Klimakrise am wenigsten gewappnet. Umso schwerer wiegt, dass es auf diesem Gipfel nicht zu einer konkreten Geldzusage in der Anpassungsfinanzierung gekommen ist und gar keine Zusagen gemacht wurden für Beiträge in den neu geschaffenen Loss-and-Damage-Fonds. Es hat in Belém in vielerlei Hinsicht problematische Nichtentscheidungen gegeben. Die führen dazu, dass unsere Partnerorganisationen immer mehr in Bedrängnis kommen, sowohl bei der Anpassung an die Klimakrise als auch beim Ausbau der Erneuerbaren in ihren Ländern.

Hast du irgendeinen positiven Punkt aus Belém mitgenommen?

Ja, es war absolut inspirierend zu sehen, wie die Zivilgesellschaft ihre Möglichkeiten genutzt hat, um auf ihre Themen aufmerksam zu machen. Der parallel laufende zivilgesellschaftliche Gipfel, die Cúpula dos Povos, mit dem Protestmarsch durch die Stadt und der Übergabe der Deklaration an den COP-Präsidenten hat sichtbare Zeichen auch für die anwesende Weltpresse vor Ort geliefert. Die indigenen Völker des Amazonas standen im Vordergrund, aber die weltweite Zivilgesellschaft war ebenso beteiligt und das wird eine Inspiration sein, sich weiter in diesen Prozess einzubringen.

Welche Rolle hat Brot für die Welt dabei gespielt?

Eine sehr wichtige, weil wir einerseits diese Cúpula dos Povos unterstützt haben und darüber hinaus der Zivilgesellschaft die Beteiligung an der COP ermöglichen. Überhaupt sehe ich darin unsere Rolle: Es ist unsere Aufgabe, den Menschen, die sonst keine Stimme haben, Zugang zu Plattformen zu bieten, um gehört zu werden.

Was hat dich persönlich beeindruckt?

Das Zusammenwirken der Zivilgesellschaft weltweit, gerade auch in Verbindung mit den dieses Mal so sicht- und hörbaren indigenen Vertreter*innen – das ist mein persönliches Highlight.Für die nächsten Verhandlungen wünsche ich mir, im Sinne der Klimagerechtigkeit die Verhältnismäßigkeiten radikal zu ändern. Diesmal waren circa 1.600 Vertreter*innen der fossilen Lobbyisten anwesend. Zukünftig müsste man vermehrt indigenen Vertreter*innen aus aller Welt den Zugang zur COP ermöglichen – und den fossilen Lobbyisten gar nicht.

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