Der Nationale Sicherheitsrat (NSR) wird vom Bundeskanzler geleitet und als Unterausschuss des Kabinetts fungieren. Zu den ständigen Mitgliedern gehören die folgenden Ministerien: Finanzen, Auswärtiges, Inneres, Justiz, Wirtschaft, Verteidigung, Entwicklung, Digitales sowie der Chef des Bundeskanzleramts. Anlassbezogen können weitere Minister*innen, Vertreter*innen aus den Ländern, aus dem Ausland, der EU oder der NATO hinzugezogen werden. Einerseits ist es sehr erfreulich, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit am Tisch sitzt und die Perspektive der Globalen Gerechtigkeit als wichtige Säule sicherheitspolitischer Fragen berücksichtigt wird. Andererseits fehlt das Ministerium für Umwelt, Klimaschutz und nukleare Sicherheit in der Runde. Dabei ist die Klimakrise einer der wichtigsten Unsicherheitsfaktoren global und national. Diese Leerstelle wirft Fragen auf.
Aufbau und Arbeitsweise – kann stattfinden, muss aber nicht
Mit dem NSR werden der bisherige Bundessicherheitsrat und das Sicherheitskabinett abgelöst. Das neue Gremium soll Kompetenzen und Wissen bündeln und von einer Stabsstelle im Kanzleramt organisiert werden. Die Treffen finden auf Einladung des Kanzlers und geheim statt, allerdings sollen die Beschlüsse veröffentlicht werden. Diese Ankündigung klingt vielversprechend, muss sich aber an den tatsächlichen Veröffentlichungen messen lassen. Denn bei aller Notwendigkeit, gewisse Inhalte und Entscheidungen vertraulich zu behandeln, wird es auch darauf ankommen, wie der NSR die Öffentlichkeit mitnimmt. Zuständig für die Koordination ist der Büroleiter des Kanzlers. Er hat zwar einen guten Draht zum Kanzler, das ist ein Vorteil. Doch andererseits verantwortet er auch viele weitere Aufgaben. Insofern wird sich erst zeigen müssen, ob der NSR auch tatsächlich hohe Priorität genießen und regelmäßig einberufen wird. Ein bestimmter zeitlicher Rhythmus ist bislang nicht vorgegeben.
Sicherheitspolitik aus einem Guss
Der NSR soll integrierte Lagebilder und strategische Vorausschauen erstellen und die Ressorts koordinieren. Ziel ist es, die Zusammenarbeit zu vereinfachen und zu verzahnen. Dies war in der Vergangenheit aufgrund der vielen sich teilweise überlappenden Zuständigkeiten und auch aufgrund gewisser Konkurrenzen zwischen den Häusern immer wieder ein Problem. Insofern ist jeder Versuch, mehr Kohärenz im außenpolitischen Handeln herbeizuführen, sehr zu begrüßen. Ob der NSR jedoch all die anderen mehr oder weniger erfolgreichen Versuche in der Vergangenheit übertrumpfen kann, ist fraglich. Denn die unterschiedlichen Strukturen und Kulturen in den jeweiligen Ministerien haben sich bislang nicht geändert. Darüber hinaus müssen viele Themen eng mit den Bundesländern koordiniert werden, beispielsweise alles im Bereich der polizeilichen Arbeit. Auch hier wird der Abstimmungsbedarf weiterhin hoch bleiben. Proklamiertes Ziel ist die Entwicklung einer integrierten, strategisch ausgerichteten deutschen Sicherheitspolitik. Der NSR will weg vom kurzfristigen Krisenmanagement und hin zu vorausschauender Politik, um besser auf neue Krisen reagieren zu können. Doch ob der NSR nun wirklich zu mehr präventivem Handeln führt, ist unklar. Denn auch bisher mangelte es nicht wirklich an Frühwarnungen und Analysen – Problem war meist, von „early warning“ auch zu „early action“ zu kommen. Inwiefern dieser Schritt durch den NSR abgedeckt werden kann, muss sich zeigen.
Offene Fragen
Neben dem fehlenden Fokus auf die Klimakrise zeichnen sich weitere Mankos ab. Zum einen ist unklar, wie eng der Bundestag in die Diskussionen und Ergebnisse eingebunden wird. Zum anderen wurde auf eine strukturelle Einbindung einschlägiger Fachkreise wie beispielsweise des Beirats Zivile Krisenprävention und Friedensförderung oder auch der Arbeitsgemeinschaft FriEnt leider verzichtet. Expert*innen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft können demnach zwar grundsätzlich zu Sitzungen des NSR eingeladen werden, dies findet aber wenn überhaupt nur ad hoc statt. Es könnte also passieren, dass der Rat monatelang völlig ohne externe Einschätzungen arbeitet. Das wäre aber besonders wichtig, da zu wünschen ist, dass der NSR kritische und unabhängige Berichte erstellt und nicht nur politisch Gewünschtes liefert. Dies bleibt abzuwarten.
Wessen Sicherheit?
Vor allem aber bleibt zu hoffen, dass der NSR den Blick auf die Menschen richtet und Sicherheit nicht rein staatlich denkt. Hier hilft das Konzept der menschlichen Sicherheit, welcheserstmals im UNDP-Bericht über menschliche Entwicklung im Jahr 1994 entwickelt wurde. In ihm geht es vorranging um die charakteristischen Elemente der Freiheit von Not und Freiheit von Furcht für den einzelnen Menschen („freedom from want“ und „freedom from fear“). Die vormals eindimensional und staatlich begriffene Sicherheit wird in diesem Konzept sieben Dimensionen der menschlichen Sicherheit (wie u.a. wirtschaftliche Sicherheit, Ernährungssicherheit, politische Sicherheit) aufgefächert. Darüber hinaus ist aus Sicht von Brot für die Welt ganz klar, dass nationale Sicherheit nicht von globalen Gerechtigkeitsfragen abzukoppeln ist und in diesem Sinne immer nur eine gemeinsame, also global gedachte Sicherheit denkbar ist. Wer den Sicherheitsbegriff enger fasst, läuft also Gefahr, dass die Debatte zu sehr auf militärische Aspekte verengt wird. Immerhin ist die Mitgliedschaft des BMZ ein gutes Zeichen. Auch die themenbezogenen Strategiedokumente der Vorgängerregierungen, wie die Nationale Sicherheitsstrategie von 2023 und die Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ betonten die Notwendigkeit, Sicherheit breit zu denken. Doch nicht nur sollen beide Dokumente in der laufenden Legislaturperiode überarbeitet werden – mit offenem Ausgang; die stark schrumpfenden Haushaltsmittel für Entwicklungszusammenarbeit, Friedensförderung und Humanitäre Hilfe sprechen zudem eine deutlich andere Sprache als alle guten verlauteten Absichten.