In dem Film geht es um das sogenannte Selbstbestimmungsverfahren des damaligen Dutch New Guinea (DNG) und die Verhandlungen zwischen den Niederlanden und Indonesien unter den Augen der Vereinten Nationen zur Dekolonisierung des heutigen Westpapua. Der Dokumentarfilm ist eine Bildungsreise, die ein in der internationalen Debatte vernachlässigtes Thema in den Fokus rückt: Dekolonisierung. Ob der Prozess in Westpapua so genannt werden kann, bleibt für die Betrachtenden teilweise offen. Durch mehrere Perspektiven wird eine Geschichte der Unterdrückten, der Anderen und der Ermächtigten erzählt. Dabei wird deutlich, dass der Prozess und die Geschichte bis heute von Machtmissbrauch und Menschenrechtsverletzungen geprägt sind. Das Westpapua-Netzwerk in Wuppertal berichtet von Luftangriffen und politischen Verhaftungen im Jahr 2025. Seit mehr als 60 Jahren findet die koloniale Herrschaft auf Westpapua kaum Gehör in den eurozentrischen Medien.
Daan Veldhuizen stellt die Realität Westpapuas aus mehreren Perspektiven dar. Nach Jean-Jacque Rousseau wird die Geschichte der Halbinsel aus vier Perspektiven gezeigt: aus der der Niederländer (our Side of the Story), über die Erzählung der Papua und ihrer Nachfahren in den Niederlanden (their Side of the Story) bis zu der angeblichen Wahrheit (the truth) und tatsächlichen Ereignissen (what really happened).
Was wirklich passiert ist – what really happened
Statt Unabhängigkeit gewährt zu bekommen, wurde Westpapua mit Horror und Gewalt überzogen durch die Übergabe an Indonesien (ebenfalls eine ehemalige Kolonie der Niederlande). Was ursprünglich ein Versprechen zur Selbstbestimmung und Dekolonisierung an die Papua war, wurde 1962 mit der Besetzung durch Indonesiens (mit Unterstützung der USA) zum Alptraum. In den anschließenden Verhandlungen haben sich die Niederlande und Indonesien auf einen Zeitraum von sieben Jahren geeinigt, um freie Wahlen in Westpapua für eine neue Regierung zu ermöglichen – der sogenannte Act of Free Choice. 1969 hatte Indonesien etwa 1.000 Menschen gezielt für diese Wahlen eingeladen. Das Ergebnis: „Die Westpapua sind unter der Regierung Indonesiens zufrieden und die, die sich benehmen, werden kein Problem haben“ so Sukarno, der erste Präsident Indonesiens nach dessen Unabhängigkeit von den Niederlanden.
Was sich zuerst wie ein Fall von Machtmissbrauch aus dem 16. Jahrhundert anhört, wird durch nachträglich kolorierte historische Aufnahmen und aktuelle Interviews zur heutigen Realität. Dazu erzählt Veldhuizen, dass er sich, trotz hoher Kosten, für die Kolorierung entschieden hat, da Zuschauer*innen so besser eine Verbindung mit den Geschehnissen herstellen können. „Das Kolorieren und Restaurieren des Filmmaterials sagt: Diese Geschichte ist auch heute noch relevant, und das, was du siehst, ist nicht zwangsläufig die Wahrheit – beurteile es so, wie du auch die Gegenwart beurteilst“, so Veldhuizen.
Die Niederlande – our side of the Story
Im Laufe des Films bleibt der Eindruck durchaus bestehen, dass eine wahre Freundschaft zwischen den Niederlanden und Westpapua durch beste Intentionen der Kolonialmacht entstanden ist. Die Niederlande wolle nichts anderes als die Bevölkerung von Dutch New Guinea für die Unabhängigkeit ‚ausbilden und entwickeln‘, können Zuschauer*innen von manchen Bildern annehmen. Bereits am Anfang seiner Recherche stieß Daan Veldhuizen auf Archivmaterial wie die „New Guinea Chronicles“, die diese Seite der Geschichte darstellen. Er erzählt: „Sie wurden vom niederländischen Geheimdienst produziert und sollten die Perspektive des niederländischen Publikums zugunsten der Rechtmäßigkeit – und sogar der moralischen Verpflichtung – unserer anhaltenden Präsenz dort als Kolonialmacht beeinflussen. Mit anderen Worten: Es handelte sich um Propagandamaterial.“
Nach der Besetzung von Westpapua durch Indonesien werden Soldaten aus den Niederlanden dorthin geschickt, um die Halbinseln zu verteidigen und bei der Selbstbestimmung zu unterstützen. Bei aktivistischen Aktionen und Widerstandsfeiern in den Niederlanden nehmen die ehemaligen Soldaten noch aktiv teil. Sie tragen dabei die Morgensternflagge Westpapuas mit Stolz. Im Dokumentarfilm werden die Solidarität und das Mitgefühl der militärischen Freunde den Zuschauer*innen nahegebracht. Weshalb aber wird das Thema vor Ort immer noch so wenig diskutiert?
Die Perspektive der Anderen – their side oft he Story
Der Schmerz der interviewten Protagonist*innen wird im Film deutlich. Einer hat die Wahlen des sogenannten Act of Free Choice erlebt. Andere erleben den Schmerz noch durch die Geschichte ihrer Vorfahren und die historisch belastete Beziehung zwischen der Heimat Niederlande und Westpapua. Viele von ihnen kämpfen dafür, dass diese Realität bekannt und anerkannt wird. „Die Protagonist*innen waren natürlich unverzichtbar, da sie letztlich das Hauptthema des Films sind. Der gesamte Aufwand, diese historischen Ereignisse nachzuerzählen und eine vergessene Geschichte freizulegen, dient für mich einzig dem Zweck, den Schmerz und das Leiden der Protagonist*innen sichtbar zu machen und eine Beziehung zu ihnen herstellen zu können“, sagt Regisseur Veldhuizen.
„Ein Versprechen ist ein Versprechen“, sagt ein Aktivist im Film. Das Versprechen der Selbstbestimmung Westpapuas hat die Niederlande jedoch nie erfüllt. Dazu erzählt der Regisseur, dass die tatsächliche Grausamkeit ihm im Laufe der Recherche deutlicher wurde. „[…] die eigentliche Grausamkeit liegt im Schweigen der niederländischen Regierung während der vergangenen 63 Jahre. Das ohrenbetäubende Schweigen darüber, dass Menschenrechtsverletzungen am Volk der Papua nicht angesprochen wurden. Weder von den Niederlanden noch von einer anderen Nation auf der internationalen Bühne. Stattdessen sehen wir ein ‚business as usual‘ auf Kosten des Lebens der Menschen in Papua, denen wir als Niederländer früher eigentlich das Beste für ihre Zukunft gewünscht haben – das ist eine Realität, mit der ich nicht fertig werde.“
Wo liegt nun die Wahrheit – the truth?
„Dekolonisierung ist ein Recht, das im Völkerrecht verankert und in der Charta der Vereinten Nationen festgeschrieben ist. Meiner Meinung nach kann zu Recht hinterfragt werden, ob das Volk der Papua nach der Übergabe von Niederländisch-Neuguinea je eine ehrliche Chance zur Dekolonisierung hatte. Denn Indonesien etablierte sich unmittelbar nach den Niederländern 1963 sowohl als administrative als auch als militärische Autorität in Westpapua. Als es 1969 zum sogenannten „Act of Free Choice“ kam, hatten die Papua tatsächlich schon sechs Jahre indonesischer Kolonialherrschaft hinter sich. Und wie wir heute wissen, war das Referendum des „Act of Free Choice“ eine einzige Farce und spiegelte keineswegs die wirklichen politischen Präferenzen der Papua wider.“
Daan Veldhuizen, der aktuell auf der Visa-Blacklist Indonesiens steht, hat zehn Jahre zusammen mit Aktivist*innen, Journalist*innen und zivilgesellschaftlichen Organisationen an diesem Projekt gearbeitet. „The Promise“ ist ein dringend notwendiger Beitrag zur Aufarbeitung anhaltender kolonialer Verstrickungen. Ohne mutige Erzählungen wie im Film würden die Teile der Geschichte, die nahezu keine mediale Aufmerksamkeit bekommen, zur Wahrheit des Unterdrückers.


