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Mehr Nachhaltigkeit für die Finanzmärkte

Für nachhaltige Veränderungen braucht es Druck von außen, von Kundinnen und Kunden und den politischen Entscheidungsträger:innen, denn so sehr Finanzmarktakteure Teil des Problems sind, müssen sie auch Teil der Lösung bei der Bewältigung der Klimakrise sein.

Von Jutta Albrecht am
Treffen einer Selbsthilfegruppe

Bis heute pumpen Banken und Investmentgesellschaften Geld in Öl-Multis, Kohle-Giganten und Gas-Konzerne, weil der Energiehunger der Wirtschaft riesig ist und sich noch immer Unsummen damit verdienen lassen. Sie unterstützen damit den weiteren Ausstoß von Treibhausgasen, die die Klimakrise weiter anheizen. Wie kann es sein, dass trotz der Auswirkungen der Klimakrise, die inzwischen nicht mehr nur weit weg stattfinden, sondern auch vor unserer Haustür geschehen, weiter in die „falschen“ Dinge investiert wird, die uns die Lebensgrundlagen entziehen? Ein wichtiger Grund dafür ist, dass Investitionsentscheidungen von Banken oder Investmentgesellschaften überwiegend am Gewinn orientiert getroffen werden. Der Bank ist es eigentlich egal, ob sie den Bau von Schulen finanziert oder ein Schwimmbad in der Wüste. Hauptsache die Investition wirft am Ende genügend Gewinn ab. Ökologische oder soziale Aspekte spielen bei der Investitionsentscheidung, wenn überhaupt, eine untergeordnete Rolle. So ist auch das weiterhin hohe Interesse vieler Finanzmarktakteure zu verstehen, trotz der zunehmend für uns alle spürbaren Folgen, weiter in Kohle, Öl und Gas zu investieren. Und wir alle unterstützen sie dabei. Die wenigsten Menschen fragen bei ihren Banken oder Versicherungen nach, in welchen Unternehmen bzw. Aktienanteilen ihr Kapital angelegt wird. Dabei wären sie überrascht, wie wenig Banken oder Versicherungen seriöse Nachhaltigkeitsziele in ihrer Anlagepolitik verfolgen.

Druck von außen ist nötig

Für Veränderungen braucht es Druck von außen, von Kund:innen und den politischen Entscheidungsträger:innen, denn so sehr Finanzmarktakteure Teil des Problems sind, müssen sie auch Teil der Lösung sein, wenn es darum geht umzudenken, um dazu beizutragen, dass Finanzströme in die „richtigen“ Dinge fließen. Die Umlenkung der globalen Finanzströme in nachhaltige Investitionen ist eine unabdingbare Voraussetzung, damit die Klimaziele der Agenda 2030 und die Sustainable Development Goals (SDGs) erreicht werden. Allein über öffentliche Investitionen lassen sich die nötigen Veränderungen, durch beispielsweise Investitionen in regenerative Energie-Infrastruktur oder den Aus- und Umbau des öffentlichen Nahverkehrs nicht finanzieren. Dafür braucht es auch massive private Investitionen: Sie müssen das Rückgrat der sozial-ökologischen Transformation sein. Wie schwer der Umbau des Finanzsystems ist, zeigt sich anhand der Entwicklungen für nachhaltige Finanzprodukte.

Nachhaltige Fonds erweisen sich als widerstandsfähig in der Krise

Bis 2020 waren in Deutschland nur 6,4 Prozent der Fonds am Markt Nachhaltigkeitsfonds, die nachhaltigen Anlagekriterien folgten (Vgl. FNG Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen, 2021). Dass diese Zahl noch immer so gering ist, liegt daran, dass nachhaltige Kapitalanlagen bei der überwiegenden Mehrheit der Banken und Investmentgesellschaften lange als belächeltes Nischenprodukt galten. Belächelt deshalb, weil damit, nach Auffassung der meisten Banker*innen, kaum ausreichend Rendite gemacht werden kann. Mit diesem Vorurteil wurde während der Corona-Krise aufgeräumt, als die Kurse vieler konventioneller Geldanlagen an den Börsen in den Keller rauschten. Sehr viele nachhaltige Investmentfonds haben sich in der Krise als robuster erwiesen, weil die Renditeerwartungen defensiver, also an einem längeren Zeithorizont orientiert und in Unternehmen mit starken ESG-Profilen investiert sind (ESG sind die Nachhaltigkeitskriterien Umwelt, Soziales, Unternehmensführung, die an den Finanzmärkten Gültigkeit haben): Dass die ESG-Kriterien von Unternehmen tatsächlich einen Unterschied machen können und dazu beitragen, dass nachhaltige Fonds in Krisenzeiten stabil blieben, schien für viele Geldhäuser eine überraschende Erfahrung zu sein. Für viele Akteure in der Wirtschaft und den Finanzmärkten war diese Erfahrung ein Weckruf, sich ernsthafter mit der Integration von Klimarisiken in das Risikomanagement von Unternehmen auseinanderzusetzen. Auch der Integration der ESG-Nachhaltigkeitskriterien in das eigene Geschäftsmodell wird mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Man möchte sagen: Endlich, denn der Finanzsektor hinkt, was das Umdenken und Umbauen zum nachhaltigen Finanzmarkt angeht, deutlich hinter anderen Sektoren hinterher.

Die EU Taxonomie gibt einen Rahmen vor

Zur aufkommenden Veränderungsdynamik trägt bei, dass die Europäische Kommission mit der sogenannten EU-Taxonomie ein System zur Klassifikation von ökologischen und sozial nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten und Investitionen vorgelegt hat. Die Taxonomie legt EU-weit fest, welche Investitionen als ökologisch und sozial nachhaltig gelten, und zwingt Unternehmen durch verstärkte Berichtspflichten zu mehr Transparenz und Vergleichbarkeit ihrer Produkte. Grundsätzlich sind die Maßnahmen der ökologischen und sozialen Taxonomie ein wichtiger Schritt, weil sie für die europäischen Finanzmärkte eine fortschrittliche Orientierung als Standard bieten. Die Festlegung von Definitionen, was als ökologische und soziale Investition und Dienstleistung gilt und das Mehr an Transparenz durch zusätzliche Offenlegungspflichten, wird dazu führen, dass das sogenannte „Green-“ oder „Social Washing“ von Finanzprodukten schwieriger wird. Die Maßnahmen der Taxonomie beruhen allerdings auf Freiwilligkeit und es wird sich zeigen, wie viele Finanzmarktakteure sich den Taxonomie-Anforderungen als Rahmen geben.

Nationale Bemühungen zu wenig ambitioniert

Auf nationaler Ebene hat das Finanzministerium 2019 die Absicht erklärt, Deutschland zu einem der nachhaltigsten Finanzstandorte Europas zu entwickeln. In einem aufwendigen Prozess hat der extra dafür gegründete Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung, einem Gremium aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft sowie Finanz- und Realwirtschaft, in einem aufwendigen Prozess im Sommer 31 Empfehlungen entwickelt, die das Finanzministerium dabei unterstützen sollen, Deutschland zu einen der nachhaltigsten Finanzstandorte weiterzuentwickeln. Wie viele Empfehlungen davon in die parallel vom Finanzministerium entwickelte Sustainable Finance-Strategie Eingang finden, wird sich zeigen. Im Moment hängt die Strategie zwischen den Legislaturperioden und Finanzminister Scholz verweist bei der Umsetzung der Strategie auf die neue Bundesregierung. Die Strategie und der Bericht des Sustainable Finance-Beirates sind wichtige Schritte. Angesichts der Dringlichkeit der Aufgaben nimmt sich Finanzminister Scholz jedoch sehr viel Zeit. Politische Priorität sieht jedenfalls anders aus. Es bleibt vieles im Ungefähren. So fehlt ein klares Bekenntnis zu den Pariser Klimazielen oder zum grundsätzlichen Ausstieg aus Öl und Gas aus den Kapitalanlagen des Bundes.

Positionierungen der Parteien

Mit Blick auf die Parteien zur Bundestagswahl 2021 sind die Positionierungen zu nachhaltigen Finanzmärkten und Geldanlagen divers in ihren Schwerpunkten und Ambitionsniveaus. Zur Sustainable Finance-Strategie äußern sich Union und SPD als Koalitionspartner erwartungsgemäß beide zufriedenstellend und betrachten die Maßnahmen als zielführend bzw. „zukunftsweisend“. Die SPD sieht die Verantwortung zur Umsetzung des Konzeptes jedoch bei der neuen Bundesregierung. Grüne und Linke hingegen sehen deutlichen Überarbeitungsbedarf mit Orientierung an ambitionierteren Vorschlägen aus der Realwirtschaft und Zivilgesellschaft. Die FDP setzt zur Erreichung der UN- Nachhaltigkeitsziele auf Marktwirtschaft und Innovation. Sie sieht die Strategie als Chance, dass die Kapitalmärkte zur Finanzierung von Innovationen stärker herangezogen werden. Gegensätzliche Positionen vertreten Union und Grüne, wenn es um die Einbeziehung von klimabedingten Risiken in die Finanzmarktregulierung geht. Während die Union sich weiterhin am ökonomischen Risiko orientieren möchte, plädieren die Grünen dafür, die Risiken der Klimakrise im Risikomanagement zu integrieren. Beide Parteien und die FDP sprechen sich für einen CO2-Preis bzw. Emissionshandel aus. Im Sinne des Verbraucherschutzes und mehr Transparenz sprechen sich die Grünen für die „Einführung eines EU-Labels für grüne Finanzprodukte aus“. Die Linke fordert einen Finanz-TÜV mit vorbehaltlicher Zulassungsprüfung für Finanzprodukte. Es soll auch qualitativ strengere und eindeutigerer Vorgaben und Kontrollen geben, „was als nachhaltige Geldanlage gelten und vermarktet werden darf“. Union und FDP setzen auf „freiwillige Label“ bzw. wollen den Anleger*innen die „Berücksichtigung von nachhaltigen Anlageformen selbst überlassen“. Auch „die EU-Taxonomie soll als rein freiwilliger Ansatz von Nachhaltigkeit“ weiterentwickelt werden.

Sustainable Finance als politische Priorität

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Maßnahmen der Bundesregierung, aber auch die Forderungen der oben aufgeführten Parteien nicht der Dringlichkeit der Situation gerecht werden, die angesichts von fortschreitender Klimakrise, Artensterben oder Biodiversitätsverluste nötig sind. Es bedarf einer klaren Zusicherung zu den Pariser Klimazielen in der Strategie. Die neue Bundesregierung muss der Umsetzung der sozial-ökologischen Transformation von Wirtschaft und Finanzmärkten Priorität einräumen und die institutionellen Voraussetzungen schaffen, zum Beispiel durch die Stärkung und den Kompetenzaufbau in der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Um die Finanzierung der UN-Nachhaltigkeitsziele und SDGs rascher zu verwirklichen, können die Empfehlungen des Sustainable Finance-Beirates der Bundesregierung nur als Anfang für die deutsche Sustainable Finance Strategie verstanden werden. Ein bisschen mehr Transparenz und Nachhaltigkeitsanforderungen reichen nicht. Ziel muss sein, dass alle Finanzmarktakteure in ihrer Geschäftspolitik voll umfänglich Nachhaltigkeitskriterien integrieren. Die Umsetzung klimafreundlicher Anlageregeln aller Bundesanlagen gehört ebenfalls dazu. Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten in der Finanzwirtschaft müssen gleichberechtigt zu ökologischen und ökonomischen Kriterien behandelt und umgesetzt werden. Ein wichtiger Schritt dahin wäre die Nachschärfung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes um Regelungen für den Kapitalmarkt und Finanzdienstleister. Die EU-Taxonomie muss als verpflichtender Standard angenommen werden.

 

Dieser Text ist ein Beitrag in der Reihe #brotfürdiewahl im Vorfeld der Bundestagswahl 2021. Alle weiteren Beiträge finden Sie hier.

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