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EU "Peace Facility" – Mit Waffen für den Frieden?

Brot für die Welt hat mit 39 weiteren NGOs eine Stellungnahme unterzeichnet, die auf Risiken und Nebenwirkungen der sogenannten „European Peace Facility“ hinweist. Mit diesem neuen Instrument sollen die Mitgliedstaaten der EU verstärkt Militär in Drittstaaten ausbilden und ausrüsten. Da Waffen wandern und leicht in falsche Hände geraten, könnte das eher eskalierend als friedensfördernd wirken.

Von Dr. Martina Fischer am
Demonstration der Aktion Aufschrei

Aktion gegen Waffenexporte mit Genehmigung der Bundesregierung (Kanzleramt, Berlin, 13.2.2013)

 

Der Aufruf der NGOs steht unter der Überschrift „European ‚Peace’ Facility – Causing Harm or Bringing Peace?" Er wird von Organisationen getragen, die sich im europäischen und internationalen Kontext für Frieden, Menschenrechte und Entwicklung engagieren. Die Bandbreite reicht von Saferworld, OXFAM und Greenpeace bis hin zur Deutschen Plattform Zivile Konfliktbearbeitung, ökumenischen Initiativen und Mitgliedern des „Human Rights and Democracy Network“, das die Außen- und Sicherheitspolitik der EU fortlaufend beobachtet. Anlass für die Veröffentlichung des Appells war die Nachricht, dass beim Treffen der Botschafter*innen der Mitgliedstaaten, die die Sitzungen des Rats der EU regelmäßig vorbereiten (COREPER II), am 18. November die Modalitäten der „European Peace Facility“ (EPF) auf der Agenda stünden.

Dieses neue Instrument soll auf Vorschlag der EU-Kommission für den Mehrjährigen Finanzrahmen in den kommenden sieben Jahren mit fünf Mrd Euro ausgestattet werden. Die sind von den Mitgliedstaaten allerdings zusätzlich zum Gemeinschaftshaushalt ("off-budget") aufzubringen. Damit sollen neben Friedensmissionen der Afrikanischen Union auch und vor allem Projekte der Ausbildung und Ausrüstung für Armeen in sogenannten Partnerländern finanziert werden. In der Vergangenheit wurden vor allem Staaten in Nordafrika und dem Sahel, von West- bis Ostafrika mit Projekten bedacht, die im EU-Kontext mit „Capacity Building for Security and Development“ (CBSD) bezeichnet werden. Zahlreiche Staaten (darunter auch Diktaturen) erhielten technische Hilfen, Knowhow und Ausbildung für den Sicherheitssektor, wenn sie sich im Gegenzug an der Migrationsabwehr und Grenzsicherung beteiligten. Auch der Einsatz gegen grenzüberschreitende Kriminalität, Drogenhandel und gewaltsamen Extremismus wurde mit Unterstützung bedacht. Mit dem neuen EU-Instrument soll Militärhilfe nun stärker institutionalisiert und intensiviert werden. Anders als in den Finanzinstrumenten des EU-Gemeinschaftshaushalts ist hier auch an die Überlassung von kriegstauglichem Gerät (sprich: Waffen und Munition) gedacht.

Konfliktursachen, nicht Symptome in den Blick nehmen

Mit ihrer Stellungnahme kritisieren die 40 unterzeichnenden Organisationen, dass das geplante Instrument die Wirkungen verfehle, die mit seinem Namen vorgegeben werden: zum einen weil es sich nicht auf die Eindämmung der Ursachen von Gewaltkonflikten, sondern lediglich auf die Bekämpfung von Symptomen richtet; zum anderen wird befürchtet, dass solche Hilfen Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen Vorschub leisten werden, weil sie nicht nur die Ausbildung, sondern auch Rüstungstransfers ermöglichen sollen - ohne dass geklärt wäre, wie der Endverbleib des Geräts überprüft werden kann. So wird das Instrument möglicherweise nicht zum Frieden, sondern eher zu mehr Gewalt und Unsicherheit beitragen und die Leidtragenden könnten vor allem Zivilist*innen sein. Für die Kooperation mit „Sicherheitskräften“, also bewaffneten Akteuren in Konfliktregionen, so die Überzeugung der Unterzeichnenden, müssten besonders strenge Kriterien angelegt werden, um Menschenrechtsverletzungen durch europäisches Kriegsgerät und eine unkontrollierbare Proliferation von Waffen zu verhindern.

Schaden vermeiden und Transfer von Kriegsgerät unterbinden

Auch die deutsche Regierung ist seit Jahren dem Konzept des Capacity Building vor Security and Development (im deutschen "Weißbuch Sicherheitspolitik" heißt dies „Ertüchtigung“) recht unkritisch gefolgt und hat entsprechende Initiativen auf EU-Ebene weitgehend mitgetragen oder sogar aktiv gefördert. 2019 haben Friedensorganisationen in einem Brief an Bundesaußenminister Maass auf die Gefahren der EPF hingewiesen und an die Regierung appelliert, sich in der Ratspräsidentschaft und in den Verhandlungen zum neuen EU-Finanzrahmen dafür einzusetzen, dass auf den Transfer von Kriegsgerät verzichtet wird. Die aktuelle Stellungnahme wendet sich an politische Mandats- und Entscheidungsträger*innen auf unterschiedlichen nationalen und europäischen Ebenen. Sie appelliert an die Mitgliedstaaten, sofern sie das neue, umstrittene Förderinstrument am Ende akzeptieren, zumindest die offensichtlichen Risiken auszuschalten: der Transfer tödlichen Geräts müsse untersagt und ein „due diligence“ Rahmenwerk erstellt werden, damit Sicherheitskooperation im Einklang mit dem Völkerrecht und den Menschenrechten erfolgt und dem „Do-no-harm“-Prinzip genügt.

Etikettenschwindel beenden

Wie berechtigt die Befürchtungen der NGOs sind, kann man zum einen an der verfehlten Politik der „Ertüchtigung“ von Polizei und Armeen in einigen nordafrikanischen Staaten und in der Sahelregion in den vergangenen Jahren ablesen. Vielen werden die skandalösen Bilder der mit EU-Mitteln ertüchtigten Libyschen Küstenwache vor Augen sein, die Migrant*innen aus internationalen Gewässern zurückholt und für deren Erpressung, Misshandlung und Internierung in menschenverachtenden Lagern mitverantwortlich zeichnete. Diverse Putsche in Mali wurde von Militärführern mitinitiiert, die internationale Ausbildungen u.a. in EU-Ländern erhalten hatten. Und in Äthiopien ist gerade (mit Billigung eines Friedensnobelpreisträgers) eine Armee in einen Bürgerkrieg eingetreten, die ebenfalls mit Militärhilfe aus der EU (u.a. Deutschland) bedacht wurde. All diese Beispiele wären Grund genug, den Etikettenschwindel zu beenden, mit dem die sogenannte „Friedensfazilität“ von der EU-Kommission auf den Weg geschoben wurde. Die Nachbarschaft der EU, vor allem der afrikanische Kontinent, benötigt nicht mehr Kriegsgerät, sondern eine Politik, die den Bevölkerungen und insbesondere jungen Menschen wirtschaftliche Perspektiven eröffnet und den Klimawandel eindämmt, zivile Krisenprävention und Konfliktbearbeitung ausbaut, dabei die diplomatischen Fähigkeiten der Afrikanischen Union und der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS einbezieht, und gewalttätigem Extremismus die finanziellen und personellen Grundlagen entzieht. Zeitgemäß wäre zudem eine Politik, die "Sicherheit" nicht in erster Linie militärisch, sondern im Sinne des UN-Konzepts als "menschliche Sicherheit" versteht.

Rüstungsexportkontrolle national und auf EU-Ebene ausbauen

Dringend benötigt werden zudem Maßnahmen, die die strengen Kriterien, zu denen sich die Mitgliedstaaten im gemeinsamen Standpunkt zu Rüstungsexporten 2008 verpflichtet haben, in nationales Recht überführen. Auch Deutschland benötigt ein wirksames Rüstungsexportkontrollgesetz. Auf EU-Ebene wird ebenfalls eine Verordnung erforderlich sein, die verhindert, dass europäische Waffen und kriegsrelevante Ausrüstung weiterhin in Krisengebiete und Diktaturen gelangen. Ob die Botschafter*innen bei ihrem Treffen am 18. November diese Möglichkeiten und die Risiken und Nebenwirkungen der "Peace Facility" ernsthaft erörtert haben, ist nicht bekannt. Aus gut unterrichteten Kreisen wird bislang nur kolportiert, dass zu den "sensitiven Themen" (also der Frage des Transfers von Waffen und der Endverbleibskontrolle) noch kein Konsens erzielt worden sei.

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