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Das Ende der globalen Reisewarnungen

Am 15. Juni hebt Deutschland die globalen Reiseverbote auf. Urlaub in Europa wird dadurch weitgehend wieder möglich. Fernreisen in den Globalen Süden aber bleiben tabu. Was heißt das für die Menschen dort? Einfach weiter machen wie bisher, ist keine Option. Die Krise ist auch eine Chance und es gilt diesen Sommer zu nutzen, um später einen wirklichen Neustart des Tourismus zu schaffen.

Von Antje Monshausen am
Asphaltstraße in Leh, Ladakh, Indien

Nicht nur im indischen Bundesstaat Ladakh bleiben die Straßen für Reisende 2020 vorerst geschlossen.

Ohne Mobilität und Begegnung steht der Puls des Tourismus still. Kein Wunder, dass der Reisesektor ganz unmittelbar von den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie betroffen ist. Expert*innen schätzen, dass der internationale Tourismus 2020 um 60 bis 80 Prozent einbrechen könnte und weltweit 100 Millionen Jobs wegbrechen.

Auf der anderen Seite haben verantwortungslose Fehlentscheidungen, nachweislich auf starken Lobbydruck der Tourismuswirtschaft, die Ausbreitung der Krankheit zu Beginn stark begünstigt. Das zeigt sich am Beispiel Ischgl, wo die Hotels, Aprés-Skibars und Bergbahnen so lange geöffnet blieben, bis der kleine Alpenort zum Super-Spreader für Mittel- und Nord-Europa wurde. Aber auch an Sri Lanka: Das Land vor der südindischen Küste hat noch Anfang März international damit geworben, Corona-frei zu sein, um Tourist*innen anzulocken und sich damit vermutlich das Virus erst auf die Insel geholt.

Mittlerweile werden erste Lockerungen der strengen Reise- und Kontaktverbote umgesetzt. Am 15. Juni wird Deutschland die globalen Reiseverbote aufheben und durch spezifische Reisehinweise ersetzen. Reisen in Europa werden dadurch weitgehend wieder möglich sein. Fernreisen in den Globalen Süden wohl noch lange nicht, denn über 160 Länder verbleiben auf der Warnliste des Auswärtigen Amts, darunter alle Länder außerhalb Europas. 

Was bedeutet das für Reisen in Entwicklungsländer?

In vielen Ländern des Globalen Südens ist der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftszweig. Die Menschen, die in Entwicklungsländern im Tourismus arbeiten, vom Reiseführer über das Reinigungs- und Restaurantpersonal bis zum Hotelier – ganz besonders aber diejenigen im informellen Sektor, wie beispielweise Strandverkäufer oder Straßenhändlerinnen – werden besonders lange und extrem hart von der aktuellen Krise betroffen sein. Arbeitslosenhilfe oder Kurzarbeitergeld gibt es für sie meist genauso wenig wie staatliche Corona-Hilfsfonds oder die Hoffnung auf einen starken Inlandstourismus zur Überbrückung der internationalen Ausfälle. 

Also so schnell wie möglich wieder losreisen – nach Mexiko, Vietnam oder Gambia? Die Gefahr, sich als Reisender in Entwicklungsländern mit Corona zu infizieren, ist nicht größer als in anderen Ländern. Gleichzeitig ist die Verletzlichkeit der Länder und seiner Bevölkerungen gegenüber dem Virus aber deutlich höher, weil die medizinische Basisversorgung schwach ist und Testkapazitäten sowie Intensivbetten kaum existieren. Reisende mit unbekanntem Infektionsstatus bergen die Gefahr, das Virus ins Land zu bringen. Feierstimmung im Urlaubshotel, enges Beisammensein in Reisebussen und körperliche Nähe beim Animationsprogramm begünstigen dann eine schnelle Ausbreitung.

Social Distancing im Urlaub ist nicht nur weit weg von der Art des Reisens, das die meisten Menschen kennen und lieben, es würde auch den Trend verschärfen, dass sich gerade in Entwicklungsländern ein abgeschotteter Ressort-Tourismus weiter durchsetzt: Hierbei bleiben die Reisenden weitgehend im Hotel, die Restaurantbesitzer um die Ecke und die Marktstandbetreiberinnen gehen leer aus.

Tourismuswirtschaft - Verantwortung für den Neustart übernehmen

Es ist zu kurz gedacht, einfach nur zu hoffen, dass der Tourismus bald wieder möglich ist, damit Reisende wieder Devisen in wirtschaftlich schwache Länder bringen und dort Jobs schaffen. Denn das alte Tourismussystem ist nicht nur zu wenig nachhaltig und nicht krisenfest, es trägt vielmehr gleichzeitig zu den Krisen bei - sei es zum Klimawandel, zu gesellschaftliche Ungleichheiten oder auch zu Pandemien. 

Ein Beispiel in Zeiten von Corona: Viele Urlaubshotels arbeiten mit Saisonarbeitskräften, die oft nur für wenige Monate in den Hotels beschäftigt sind – vielfach ohne gesicherte Arbeitsverträge. Da sie oft von weit her – aus dem ganzen Land oder gar aus dem Ausland – kommen, sind sie in Sammelunterkünften und Mehrbettzimmern untergebracht. Gerade Menschen in prekären, unsicheren Anstellungsverhältnissen sind darüber hinaus gezwungen, eigene Krankheitssymptome zu verschweigen, weil sie Angst vor der Kündigung haben. Die Corona-Hotspots in deutschen Schlachthöfen haben erst kürzlich ein Schlaglicht geworfen auf den Zusammenhang zwischen ausbeuterischen Arbeitsbedingungen und einem dramatischen Infektionsgeschehen – wer die Situation der Wanderarbeitenden in großen Ferienanlagen und Luxushotels kennt, weiß, dass so etwas im Tourismus auch passieren kann.

Die soziale Verantwortung von Reiseveranstaltern, Hotels und Tourismusunternehmen wird mit dem Neustart des Tourismus nicht geringer, sondern größer werden – denn es ist längst nicht ausgemacht, ob der Tourismus sich durch die Krise in Sachen Nachhaltigkeit positiv entwickelt. Die Unternehmen haben es in der Hand, ob der begrüßenswerte Verzicht auf All-Inklusive-Buffets – wie er infektionsbedingt noch lange nötig sein wird – dazu führt, dass die Reisenden ihre Abendessen in Plastik eingeschweißt auf ihren Zimmern zu sich nehmen werden, oder ob sie vom Hotel Empfehlungen bekommen, wie sie in weniger frequentierten lokalen Restaurants ihr Essen an der frischen Luft zu sich nehmen.

Verantwortungsvoll Reisen - besser jetzt gut vorbereiten und später reisen

So schwer es fällt: Solange internationale Reisende eine potentielle Gesundheitsgefahr für die lokale Bevölkerung darstellen und der Tourismus – wenn überhaupt – nur hinter hohen Hotelmauern stattfindet – ist es sinnvoller, weiter von der Fernreise zu träumen und sie lieber zu einem späteren Zeitpunkt umzusetzen.
In der Zwischenzeit können virtuelle Reisen eine Möglichkeit sein, sowohl vor Ort Tourguides finanziell zu unterstützen, als auch Informationen über das Reiseland aus erster Hand zu erfahren. Restaurantbesuche in Wohnortnähe können einen kulinarischen Vorgeschmack auf die erstmal verschobene Reise bieten und einen digitalen Sprachkurs kann man auch diesen Sommer im Ostsee-Urlaub oder in den Alpen beginnen. Im nächsten Jahr  werden Ihre Gastgeber in Uganda, Kambodscha oder Guatemala staunen, wenn Sie sie mit ein paar Brocken Swahili, Khmer oder Cakchiquel überraschen.

Wer dieses Jahr eine Reise in ein Land des Globalen Südens geplant hat, sollte also den Reisewunsch nicht einfach ad acta legen, sondern das Reisebudget später nutzen und die Reise besser vorbereitet, und wenn möglich auch zeitlich verlängert nachholen. So bietet die aktuelle Krise auch die Chance, die dringend notwendige Transformation des Reisens endlich praktisch zu erproben: Weniger häufig reisen, dafür länger vor Ort bleiben und durch gute Vorbereitung noch intensivere Erfahrungen und Eindrücke sammeln.

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Lachender Junge

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