Montagmorgen, zehn Uhr, in der Eingangshalle einer Shoppingmall in Port Moresby, der Hauptstadt von Papua Neuguinea. Alle müssen durch die Sicherheitskontrolle. Ein Mann mit einem etwa zehnjährigen Jungen legt ordnungsgemäß seine Brieftasche, Schlüssel und einige Münzen in eine kleine Plastikschale neben der Schleuse. Er fordert seinen etwa zehnjährigen Sohn auf, auch nachzusehen und es ihm gegebenenfalls gleichzutun. Am Durchleuchtungsgerät steht ein älterer Mitarbeiter des privaten Sicherheitsdienstes Guard Dog in schwarzer Uniform. Er zögert, schaut den Kunden an, dann das Kind. Hinter den beiden staut sich eine Menschenmenge, immer mehr stellen sich an, um in das Einkaufszentrum zu gelangen. Ich selbst bin einer von ihnen. Dann meint der Sicherheitsbeamte ganz ruhig und entschlossen: "Sie kommen hier nicht rein." Der Vater schaut ihn völlig entgeistert an. Der Beamte sagt: "Sie kommen hier mit ihrem schulpflichtigen Sohn um diese Uhrzeit nicht rein. Sie gehen jetzt raus und bringen ihren Sohn in die Schule. Sie sollten sich schämen! Wie soll aus ihrem Sohn und diesem Land jemals etwas werden, wenn die Kinder nicht zur Schule gehen?!"
Die Hände der Frau neben mir zucken kurz, um dann umso heftiger zu applaudieren. Die anderen Leute in der Schlange stimmen ein. Der Vater, der eigentlich gerade voll Zorn zum verbalen Gegenangriff übergehen wollte, sagt nichts, nimmt seinen Sohn an die Hand und verlässt die Eingangshalle. Nur etwa 60 Prozent der Mädchen und Jungen in Papua Neuguinea besuchen regelmäßig eine Schule. Gerechtigkeit umfasst für mich das Recht auf Bildung. Dabei reicht es nicht, die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Institutionen bereitzustellen – woran es aber oft auch schon mangelt. Es geht immer auch darum, das Bewusstsein für diese Werte zu verankern und sie einzufordern.
erschienen in CHRISMON 13.11.2018