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„Die Lage der Welt ist paradox“

Mit einer kritischen und aufrüttelnden Rede zur Lage der Welt von Professor Jeffrey Sachs, Direktor des Earth Institute an der Columbia University, hatte am Montag das dreitägige „Ministerial Segment“ des High Level Political Forum (HLPF) zur Umsetzung der Agenda 2030 begonnen.

Von Johannes Grün am

Sachs sparte gegenüber den Regierungsdelegationen nicht an deutlichen Worten. Wenn der Reichtum auf der Welt gerecht verteilt wäre, könnte man mit 17.000 US-Dollar pro Kopf alle Armut und allen Hunger auf dieser Welt bekämpfen, so Sachs in seiner Keynote. Die größten Hindernisse dafür seien die Öl- und Gas-Firmen und die Staaten, die Steuervermeidung und Steuerdumping unterstützten. Die fossilen Energiefirmen hätten im US-Wahlkampf 100 Millionen Dollar in die Wahl von Donald Trump investiert. „We are seeing corporate irresponsibility played out on the political stage“, so Sachs, der auch die Regierungen Großbritanniens und der USA scharf angriff. Sie würden der Steuervermeidung Vorschub leisten.

Der Reichtum des Planeten

Zwanzig Trillionen Dollar in so genannten „tax havens“, die von reichen Staaten eingerichtet worden seien, würden so der Besteuerung entzogen. Gleichzeitig stürben jedes Jahr sechs Millionen Kinder vor dem fünften Lebensjahr, weil es an klaren Strategien und an ausreichender Finanzierung fehle. Kompensation statt Hilfe, besonders bei klimabedingten Schäden und Verlusten, endlich eine Anwendung des Verursacherprinzips, so wie im Paris-Abkommen vorgeschrieben, forderte der Keynote-Speaker unter dem Beifall der Zivilgesellschaft und, nun ja, der meisten anwesenden Regierungsvertreterinnen und -vertreter. Bei aller Skepsis gegenüber der Ökonomisierung von Gemeingütern und (zu) vielen hohen Geldsummen, Sachs Botschaft war deutlich: „Every day we have evidence that we are at the tipping point“.

Guterres: Der Optimismus der 90er ist Geschichte

Dem vorausgegangen war eine ambivalente Einschätzung des UN-Generalsekretärs Antonio Guterres. Dem vor zwanzig Jahren herrschenden Optimismus, was die weltweite Entwicklung angeht, stehe heute ein gemischtes Bild gegenüber. Gestiegener Wohlstand, aber auch gestiegene Ungleichheit. Wie Sachs wandte sich auch Guterres gegen Sicherheit auf Kosten von Entwicklung.

Deutsche G20-Präsidentschaft – „keine weiteren Fragen“

Die Statements von Sachs und Guterres gehörten damit an diesem Tag zu den (selbst-)kritischsten Äußerungen im Rahmen des HLPF. Auch die Vorstellung der Ergebnisse der deutschen G20-Präsidentschaft durch die Staatssekretäre Schwarzlühr-Sutter (BMUB) und Silberhorn (BMZ), gemeinsam mit der Vertreterinnen und Vertretern der vorangegangenen (China) und der nachfolgenden G-20-Präsidentschaft (Argentinien), und gemeinsam den Engagement-Groups „Business 20“ und „Civil 20“ beschränkte sich auf die Vorstellung der Ergebnisse aus Sicht der Bundesregierung. Eine anschließende Diskussion fand nicht statt – „keine weiteren Fragen“, wie der Diskussionsleiter nach einem Blick in die Runde feststellte.

Partnerschaften – mit welchen Partnern?

Ungeachtet der kritischen Eingangsrede von Jeffrey Sachs gegenüber der Politik einiger multinationaler Konzerne finden sich in den weiteren Veranstaltungen im Rahmenprogramm des HLPF sowohl Side Events zur Nützlichkeit von Atomkraft für das Erreichen der nachhaltigen Entwicklungsziele in Malaysia und Botswana (unter Beteiligung der International Atomic Energy Agency) oder der Beitrag des Flugverkehrs für nachhaltige Entwicklung (unter Mitwirkung der ICAO). Auch im so genannten Partnerschafts-Austausch, in dem beispielhafte Multistakeholder-Dialoge zur Umsetzung der Agenda 2030 vorgestellt werden (von denen es mittlerweile über 3500 gibt), präsentiert sich selbstbewusst ein gentechnisch verändertes Saatgut produzierendes Unternehmen als Vorreiter in der Bekämpfung von Hunger und Unterernährung in Bangladesch. Kritische Rückfragen? Auch hier Fehlanzeige.

Viele Worte, aber zu wenig Dialog

So bleibt, bis auf wenige Momente, das HLPF auch im Ministerial Segment ein Ort interessanter und teilweise auch weniger interessanter Reden, die aber zumindest hier (noch im Gegensatz zur vergangenen Woche) nicht zu Dialogen oder gar Auseinandersetzungen führen. Zu straff ist angesichts von 44 Länderberichten (Voluntary National Reviews, VNRs) der Zeitplan, zu formal die Dramaturgie. Jeder kommt zu Wort, aber der Bezug zueinander fehlt häufig, auch die vorformulierte Abschluss-Deklaration bietet entsprechend wenig Raum für Überraschungen. Ob sich das in den folgenden Jahren, vielleicht auch durch eine noch schlagkräftigere Selbst-Organisation der Zivilgesellschaft, ändern wird, bleibt abzuwarten. Die Lage der Welt, wie Jeffrey Sachs sie präsentiert hat, wird sich jedenfalls nicht ohne Mut zur Kontroverse verändern lassen.

 

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