Analyse

Prozess gegen Tsitsi Dangarembga ist eine Farce

Die Autorin und Friedenspreisträgerin Tsitsi Dangarembga steht erneut vor Gericht in Simbabwe. Der Fall macht deutlich, wie das Regime die Unabhängigkeit der Justiz immer weiter einschränkt und Kritiker*innen mundtot machen will.

Von Johann Singer am

Mitte dieser Woche erreichten uns beunruhigende Nachrichten aus Simbabwe: Die Filmemacherin und preisgekrönte Autorin Tsitsi Dangarembga wurde erneut vor das Antikorruptionsgericht geladen. Dem Prozess liegt eine Anklage Dangarembgas wegen angeblicher Anstiftung zu öffentlicher Gewalt und der Missachtung von Corona-Auflagen während einer Demonstration vor knapp zwei Jahren zugrunde: Das Regime hatte sich provoziert gefühlt. Tsitsi Dangarembga und die Mitangeklagte Julie Barnes hatten am 31. Juli 2020 in einem Vorort der Hauptstadt Harare gegen Korruption, für Reformen und die Freilassung eines inhaftierten Journalisten demonstriert.

Unabhängigkeit des Gerichts steht infrage

Nach den beiden Verhandlungstagen diese Woche ist ein weiterer Verhandlungstag für Anfang nächster Woche angesetzt. Das langwierige Verfahren zieht sich somit weiter hin. Den beiden Angeklagten droht im schlimmsten Fall eine mehrjährige Freiheitsstrafe. Besonders pikant ist dabei, dass die Verhandlung vor einem der gefürchteten Antikorruptionsgerichte stattfindet, deren Richterinnen und Richtern nachgesagt wird, besonders unter dem Einfluss des Präsidenten und der Regierungspartei ZANU-PF stehen.

Dabei sind weder der Prozess an sich noch die Länge des Verfahrens sonderlich überraschend. Gerade in den ersten Monaten der Covid-19-Pandemie wurden in Simbabwe unter dem Deckmantel der Pandemiebekämpfung politische Freiheiten stark eingeschränkt und Journalist*innen, Oppositionspolitiker*innen und Kritiker*innen verhaftet, angeklagt oder in Nacht-und-Nebel-Aktionen verschleppt. Die wiederholten Anklagen wie auch die langwierigen Prozesse wirken auf viele Betroffene und Angehörige zermürbend und demoralisierend. Mit dem Ziel: Sie sollen mundtot gemacht werden.

Kritikerinnen wie Dangarembga sollen schweigen

Im Februar dieses Jahres durfte ich mit Tsitsi Dangarembga auf einer Veranstaltung von Brot für die Welt zur Rolle von Kunst und Künstler*innen in der Entwicklungszusammenarbeit diskutieren. Dabei habe ich sie als eine Person wahrgenommen, die sich zwar keineswegs als Aktivistin sieht, aber als Staatsbürgerin nicht anders kann, als die Missstände in ihrem Land mit den ihr zur Verfügung stehenden Mittel anzuprangern. Die transformative Kraft, die in ihrem – literarischen – Engagement steckt, zeigt auch die Aufnahme ihres ersten Buches „Nervous Conditions“ durch die BBC in die Liste der hundert Bücher, die die Welt verändert haben.

Die simbabwische Regierung, die auf Kritik geradezu allergisch reagiert, bezeichnet kritische Personen oder Nicht-Regierungs-Organisationen (NROs) gerne als so genannte Regime-Change Agents, sprich: als Personen, die einen Regierungsumsturz herbeiführen wollen. Doch zeigt ein Blick in Dangarembgas öffentliche Äußerungen, dass ihre Kritik keineswegs parteipolitisch motiviert ist und sie beispielsweise auch Fehlentwicklungen in der Zivilgesellschaft oder die starke Fokussierung der größten Oppositionspartei CCC auf ihren charismatischen Anführer kritisiert. Die Tatsache, dass das Verfahren an ein Antikorruptionsgericht verwiesen wurde, ist angesichts der Anklagepunkte und des lautstarken Engagements Tsitsi Dangarembgas insbesondere gegen Korruption – und zwar egal von welcher Partei – eine Farce.

Politisch motivierter Prozess

Der zweifellos politisch motivierte Prozess gegen Tsitsi Dangarembga ist denn auch bezeichnend für eine Entwicklung in Simbabwe, in der der Justizapparat zusehends für parteipolitische Interessen der regierenden ZANU-PF instrumentalisiert wird. Partnervertreter*innen von Brot für die Welt kritisieren, wie Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit („rule of law“) durch die Instrumentalisierung der Justiz für politische Zwecke („rule by law“) ersetzt werden.

Neben Journalist:innen und anderen kritischen Personen nimmt die Regierung gezielt Mitglieder der Opposition und die Zivilgesellschaft ins Visier. Seit Dienstag, den 25. Mai 2022, wird beispielsweise die in einem Vorort von Harare engagierte Oppositionsaktivistin Moreblessing Ali vermisst. Augenzeugen berichten, wie sie von mutmaßlichen ZANU-PF-Männern in einen Van gezerrt wurde. Der Fall ist noch nicht aufgeklärt, aber es wäre nicht das erste Mal, dass regierungsnahe Gruppen gezielt geschlechterspezifische Gewalt gegen Oppositionspolitikerinnen einsetzen. In den vergangenen Monaten versuchten Polizei- und Ordnungskräfte zudem, den Zugang zu Wahlkampfveranstaltungen der oppositionellen CCC massiv einzuschränken. Im Februar wurde während einer CCC-Rally in Kwekwe eine Person von Sicherheitskräften getötet, zehn weitere Personen wurden verletzt.

Regime schränkt Zivilgesellschaft ein

Und schließlich hat die autoritär agierende Regierung in den vergangenen Monaten mehrere Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht, um den Spielraum der Zivilgesellschaft deutlich einzuschränken. Im Namen des Kampfs gegen Terrorismusfinanzierung plant die Regierung beispielsweise ein Gesetz, welches die offizielle Zulassung von NROs aufheben kann und der Regierung weitgehenden Zugriff auf materielle und personelle Ressourcen von NROs gewährt. Partnerorganisationen von Brot für die Welt befürchten, dass kritische Organisationen so ausgeschaltet werden könnten oder sie sich aufgrund der möglichen Anwendung des Gesetzes weniger kritisch geben werden.

All diese Entwicklungen und gezielten Attacken auf Opposition, Zivilgesellschaft und Kritiker*innen deuten darauf hin, dass die regierende ZANU-PF schon seit geraumer Zeit in den Wahlkampfmodus geschaltet hat und die für 2023 angesetzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen mit allen Mitteln zu gewinnen sucht. Unter diesen Vorzeichen bleibt der Ausgang des laufenden Prozesses gegen Tsitsi Dangarembga und ihre Mitangeklagte ungewiss.

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