Interview

Covid-19 breitet sich in Indien rasant aus

In Indien steigt seit Ende März die Zahl der Covid-19 Neuinfektionen rasant an. Mit über 19 Millionen Fällen seit Beginn der Pandemie und zuletzt 400.000 neuen Infektionen pro Tag hat Indien – nach den USA - die zweithöchste Zahl an Covid-19 Infektionen weltweit.

Von Sonja Weinreich am
Covid-19 Patienten in Indien

Der prozentuale Anteil von Covid-19 infizierten Menschen an der Bevölkerung in Indien ist vergleichbar mit der in Europa. Allerdings sind die Gesundheitssysteme nur sehr unzureichend ausgestattet. Sie sind mit der der steigenden Anzahl der Patient:innen völlig überfordert – eine gesamtgesellschaftliche Krise entsteht.

Sonja Weinreich, Beraterin für Gesundheitsfragen bei Brot für die Welt, hat darüber mit Dr. Priya John gesprochen, der Generalsekretärin der Brot für die Welt-Partnerorganisation Christliche Medizinische Assoziation von Indien. Zu CMAI gehören 270 Mitgliedsorganisationen landesweit, wie Krankenhäuser verschiedener Kirchen, und 9000 professionelle Gesundheitskräfte als Einzelmitglieder. CMAI hat ein ganzheitliches Verständnis von Gesundheit und Heilung. Die Dienste sind für alle Menschen verfügbar. Brot für die Welt unterstützt CMAI u.a. in der Ausbildung von Gesundheitspersonal, dem Zugang zu ethischer, basisnaher und qualitativ guter Gesundheitsversorgung, insbesondere für arme und benachteiligte Menschen in ländlichen Gebieten.

Was sind die Ursachen für den steilen Anstieg der neuen Covid-19 Infektionen?

In der Bevölkerung war nach dem harten Lockdown zu Beginn der Pandemie der Eindruck entstanden, dass Indien die erste Corona- Welle sehr gut überstanden hatte. Als Folge wurden Maßnahmen wie Masken tragen und Abstand einhalten nicht mehr genügend eingehalten. Veranstaltungen, an denen eine große Zahl von Menschen teilnahm, wie religiöse Zeremonien, Sportevents und Wahlkampfveranstaltungen, wurden so zu Superspreader-Ereignissen. Außerdem kam die Impfkampagne nicht so schnell voran, wie die Regierung geplant hatte. Das ist damit gekoppelt, dass viele Menschen Impfungen gegenüber zögerlich sind – sogar unter Gesundheitspersonal ist das verbreitet.

Welche Rolle spielt die neue Virus-Variante B.1.617 in der Ausbreitung?

Es ist noch nicht sicher, ob die Variante wirklich ansteckender ist. Jedoch ist in Indien – verglichen etwa mit Deutschland – der Grundgesundheitszustand der Menschen nicht so gut, viele haben noch Hepatitis B. Daher haben sie ein höheres Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf. Die neue Virusvariante B.1.617 ist in einigen Bundesstaaten schon die dominante Variante des Virus und trägt sicher zum rasanten Anstieg durch Clusterinfektionen in der Familie dazu bei. Wenn es so ungehindert weitergeht, werden Mitte Mai bis zu eine Million neue Infektionen pro Tag erwartet.

Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die Gesundheit der Menschen in Indien?

Die Gesundheitsinfrastruktur in Indien ist mangelhaft. Weniger als 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts werden für Gesundheit ausgegeben - während es etwa in Deutschland fast zwölf Prozent sind. Pflege und Behandlung von Corona-Patienten sind in Indien sehr ungleich verteilt: Arme und am meisten benachteiligte Menschen erhalten nicht die gleiche Aufmerksamkeit, auch nicht in den Medien. Ein Problem, das uns große Sorge macht: die Gesundheitsversorgung aller anderen Krankheiten leidet sehr unter der Ausbreitung von Covid-19 und dass vieles darauf fokussiert wurde. Viele Erfolge, die Indien in der Erreichung der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDG) im letzten Jahrzehnt gemacht hatte, gehen verloren.

Was tut CMAI in der Gesundheitsversorgung der Armen und Eindämmung von Corona?

Die CMAI angeschlossenen Krankenhäuser sind vor allem in den ländlichen Gebieten angesiedelt, weil dort die Gesundheitsversorgung besonders prekär ist. Sie nehmen alle Gesundheitsprobleme der Menschen in den Blick, nicht nur Covid-19, sondern auch Mutter-Kind-Gesundheit, Infektionskrankheiten wie Lungenentzündungen, Durchfall und Tuberkulose und nicht-übertragbare Krankheiten. Wichtig sind dabei immer auch Gesunderhaltung und Vorsorge. CMAI betreibt selbst auch Fundraising, um die Infrastruktur der Krankenhäuser zu verbessern.

Seit Beginn der Pandemie hat CMAI Gesundheitspersonals zum Thema Corona auch in Form von digitalen Angeboten fortgebildet. So haben Krankenhäuser auch voneinander gelernt und sich ausgetauscht, was funktioniert. Außerdem wurde Ausstattung mit Schutzkleidung geleistet und Pflegekräfte und Ärzt:innen gehen in die Gemeinden, um zu Corona-Schutzmaßnahmen zu informieren. Nun spüren die Krankenhäuser und Gesundheitszentren immer mehr die steigende Zahl von Patient:innen in den stadtnahen und ländlichen Gebieten, bisher hatte sich Corona eher in den Städten ausgebreitet. Gleichzeitig wird der dringend benötigte Sauerstoff für die Versorgung der Patient:innen, von den viele teils extreme Luftnot haben, knapp. Gesundheitsfachkräfte von CMAI beteiligen sich zudem ehrenamtlich an einer Telefon-Hotline. Sie berät Patient:innen und ihre Familien, wie sie sich in ihrer häuslichen Umgebung bei Covid-19 Krankheit selbst versorgen und pflegen können. Das trägt dazu bei, dass bei den milderen Fällen Krankenhauseinweisungen reduziert werden können, und ist gerade jetzt wichtig, weil Krankenhausbetten knapp sind. In der jetzigen Situation wird u.a. Unterstützung in Online-Technologien für Ausbildung, insbesondere für Pflegeberufe, und Ausrüstung für Nothilfe gebraucht.

Indien hat bisher über 150 Mio. Impfdosen der Covid-19 Impfung verabreicht. Bei einer Bevölkerung von 1,4 Milliarden entspricht das jedoch nur 11 Prozent der Bevölkerung, die geimpft sindWelche Impfstoffe stehen zur Verfügung und wie gehen die Impfungen voran?

Die indische Regierung hat erklärt, dass alle staatlichen Krankenhäuser die Impfung kostenlos abgeben für alle über 45 Jahre. Jedoch können die indischen Bundesstaaten selbst entscheiden, wie sie die Impfdosen erwerben und ob sie sie kostenlos verimpfen. Es bestehen zudem Ungleichheiten in der Verteilung der Impfstoffe zwischen Stadt und Land – das kann auch dazu führen, dass die Bedürftigsten nicht als Erste die Impfung erhalten. In dem bisherigen Tempo würde es noch Jahre dauern, bis die Bevölkerung geimpft ist.

Die Entwicklungs- und Schwellenländer haben ja allgemein sehr viel weniger Impfstoff zur Verfügung als reiche Länder wie Deutschland.

Im Oktober 2020 haben Indien und Südafrika versucht, diese Ungleichheit zu ändern. Sie haben bei der Welthandelsorganisation (WTO) beantragt, dass für die Dauer der Pandemie alle Corona-bezogenen Patente für Impfstoffe und andere Technologien ausgesetzt werden.

Diesem Antrag an die WTO wurde bisher noch nicht stattgegeben, auch weil Länder wie Deutschland sich dagegen ausgesprochen haben. Brot für die Welt unterstützt die Ziele dieses Antrags. Welche Impfstoffe stehen in Indien zur Verfügung?

Da ist Covishield, der Impfstoff von AstraZeneca. Er wird in Indien hergestellt durch das Serum Institut Indien. Das Institut ist der größte Impfstoffhersteller weltweit und hat einer Lizenz von AstraZeneca. Dann gibt es den indischen Impfstoff Covaxin, der durch Bharat Biotech hergestellt wird. Weitere Impfstoffe sollen importiert werden. CMAI ist an der nationalen Impfkampagne beteiligt, bisher mit 72 Mitgliedsorganisationen. Wenn Indien bis Ende 2021 alle Erwachsenen impfen will, muss sich die Impfrate jedoch mindestens verdoppeln – sie ist jedoch in jüngster Zeit eher zurückgegangen, von 3,6 Millionen Impfdosen täglich Anfang April auf 2,8 Millionen Dosen. Ein Patient berichtet uns: „Die Ärzte sagten, ich hatte nur eine 20-prozentige Chance, meine Infektion mit Covid zu überleben. Dann wurde ich im Kalyani Krankenhaus in Chennai aufgenommen. Ärztliches und Pflegepersonal dort schaffen eine vertrauensvolle Atmosphäre, ich fühlte mich gut aufgehoben. Man fühlt die Kraft Gottes. Schon vom ersten Tag ging es mir besser – und ich überlebte!“ Solche Berichte sind uns Ansporn: wir werden auch weiterhin alles tun, um diese Krise zu überwinden.

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