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Corona in Osteuropa

Unsere Nachbarn im Osten und Südosten Europas leiden ebenfalls unter der Corona-Pandemie. Wir stellen die Folgen der Krise in fünf osteuropäischen Ländern vor und wie unsere Partnerorganisationen darauf reagieren.

Von Charlotte Spiewok am
Eine Projekt-Mitarbeiterin verteilt Nahrungsmittelpakete im annektierten Odessa, Ukraine

Eine Projekt-Mitarbeiterin verteilt Nahrungsmittelpakete im annektierten Odessa, Ukraine

Die Länder in Ost- und Südosteuropa sind geprägt durch schwache Sozialsysteme und meist unterfinanzierte Gesundheitssysteme. Wir fördern in dieser Region 58 Projektpartner in 15 Ländern. Alle Projektträger, die durch Brot für die Welt oder Kirchen helfen Kirchen finanziert werden, arbeiten mit marginalisierten Bevölkerungsgruppen, die durch die Corona-Pandemie zusätzlich belastet sind.

Corona in der Ukraine

In der Ukraine wurden Corona-Maßnahmen schrittweise seit Mitte März umgesetzt. Ein besonderes Risikogebiet sind die von prorussischen Separatisten kontrollierte sogenannte „Volksrepubliken“ in den Regionen Luhansk und Donezk. Viele jüngere Menschen haben das Konfliktgebiet verlassen, wodurch der Anteil älterer Menschen auf 50 Prozent gestiegen ist. Dadurch lebt die Risikogruppe älterer Menschen noch isolierter, und die medizinische Versorgung ist schlechter. Aufgrund der Schließung der Grenze konnten die Renten auf dem von der Ukraine kontrolliertem Gebiet nicht abgeholt werden, die Preise für Lebensmittel sind stark gestiegen. Menschen, die nur vorübergehend in diese Gebiete eingereist waren, konnten ihre Rückreise nicht mehr antreten und mussten teilweise in Zelten entlang der Kontaktlinie Zuflucht suchen. Ein besonderes Zwischenereignis war der Ausbruch von Corona im Kiewer Höhlenkloster, bei dem sich rund die Hälfte der Mönche, Priester und Mitarbeiter des Klosters ansteckten.

Corona in Russland

In Russland kam die Infektionswelle relativ spät an. Im März wurde an geplanten Großveranstaltungen noch festgehalten. Dann hat sich gezeigt, dass Moskau die Verantwortung in Bezug auf Präventionsmaßnahmen an die Regionen abgibt. In Moskau und St. Petersburg wurden strenge Ausgangssperren mit digitalen Passierscheinen erlassen. Obwohl die Passierscheine sensible Daten wie Arbeitsverträge abfragen und es ermöglichen, die Bewegung des Besitzers außerhalb seines Hauses zu verfolgen, hat sich die schnelle und konsequente Einführung der Maßnahmen positiv auf die Umfragewerte des Bürgermeisters von Moskau ausgewirkt. Putins Reputation hat dagegen eher gelitten.

Großspendenaktionen wie der Transport medizinischer Ausrüstung nach Italien und in die USA verschafften Putin kurzzeitig eine hohe Medienpräsenz. Kurz darauf wurde aber ersichtlich, dass Russland selbst nicht über genügend Schutzbekleidung für das medizinische Personal verfügt. Dies ist auch auf die Sparmaßnahmen Russlands im Gesundheitssektor der letzten Jahre zurückzuführen. Russland gibt für das Gesundheitswesen weniger als Belarus oder die Ukraine aus. Die Ansteckungszahlen in Russland sind hoch, die Sterberate soll dagegen niedrig sein.

Trotz anhaltend hoher Infektionszahlen gilt seit 11. Mai eine schrittweise Rückkehr zur Normalität. Die wichtige Abstimmung über das Verfassungsreferendum, welches Putin eine weitere Wiederwahl ermöglichen könnte, wurde von April auf Juni 2020 verschoben. Die strengen Corona-Beschränkungen wurden kurz vor der Volksabstimmung aufgehoben, so dass diese im Zeitraum zwischen dem 24. Juni und 1. Juli stattfanden. Mit einem Ergebnis von 78 Prozent holte sich Putin so die Zustimmung zu einer Änderung der Verfassung, die es ihm ermöglicht wiedergewählt zu werden.

Corona in Belarus

Die Regierung von Belarus ignoriert die Gefahr durch Covid-19 komplett. Ihr langjähriger autokratisch regierender Präsident Lukaschenko nennt den Umgang mit Corona eine „Psychose“. Zu Ostern hat er die Menschen dazu aufgefordert in die Kirche zu gehen, das wichtigste Ereignis im Jahr, die 75-Jahr-Feier des Kriegsendes, wurde am 9. Mai trotz aller Warnungen gefeiert. Es gibt keine Corona-Tests, obwohl die Fälle von Lungenentzündungen stark angestiegen sind. Auf Totenscheinen der an Covid-19 erkrankten und wahrscheinlich auch verstorbenen Menschen müssen Ärzte Herzversagen oder Erkrankung der Atemwege als Todesursache vermerken.

Belarus hat seine Grenzen nicht geschlossen, Restaurants, Cafés und Geschäfte sind weiterhin geöffnet, in den Fabriken wird gearbeitet, in den Schulen gelernt. Das Gesundheitssystem ist unterfinanziert, Ärzten fehlt es an Schutzbekleidung. Die mangelnde Bereitschaft des Staates, Maßnahmen zu ergreifen, hat dazu geführt, dass zahlreiche Organisationen und Initiativen sich nun selbstständig um ihre und die Sicherheit anderer Menschen kümmern und etwa über Spendenaktionen wichtige medizinische Geräte und Schutzbekleidung für medizinisches Personal in den Krankenhäusern besorgen und die Bevölkerung über Maßnahmen zum Selbstschutz aufklären.

Corona in Rumänien

In Rumänien wurden seit dem 10. März massive Einschränkungen eingeführt, um einer Ausbreitung des Virus vorzubeugen. EU-weit gibt Rumänien am wenigstens für das eigene Gesundheitssystem aus. Zehntausende Ärzte und Pflegekräfte haben das Land seit dem Beitritt zur EU verlassen. Ein Drittel der ca. 800.000 rumänischen Kleinunternehmen ist vom Bankrott bedroht, eine Million Arbeitsverträge ruhen zurzeit (Stand Ende April 2020). Etwa vier Millionen Rumän*innen (rund ein Fünftel der Bevölkerung) leben im EU-Ausland, um dort (besser bezahlte) Arbeit annehmen zu können, davon etwa 1,3 Millionen in Italien. Aus diesen Ländern sind nun auch tausende von Rumän*innen zurückgekehrt, da sie ihre Verdienstmöglichkeiten seit Ausbruch von Corona verloren hatten. Diese Rückkehrer*innen sind meist unkontrolliert in das Land gekommen.

Corona in Serbien

Am 16. März wurde in Serbien der Notstand ausgerufen und eine Ausgangssperre von 6 Uhr abends bis 5 Uhr früh eingeführt. Die Situation in Serbien ähnelt der in Rumänien - bis Anfang April waren 400.000 serbische Arbeitnehmer*innen aus westeuropäischen Ländern zurück in ihre Heimat gereist. Die Lage einzelner Gruppen wie der Roma ist besonders dramatisch. Die ohnehin schon marginalisierte Bevölkerungsgruppe hat kaum Möglichkeiten geeignete Präventionsmaßnahmen umzusetzen. Bereits Ende April wurden allerdings einige Maßnahmen in Serbien wieder gelockert, so durften kleinere Geschäfte öffnen, bald darauf waren Versammlungen bis zu einer bestimmten Anzahl an Menschen wieder erlaubt, Restaurants, Cafés und Parks wieder geöffnet.

Unser Engagement ist jetzt besonders wichtig

Für Menschen ohne eigene Behausung ist das eine besonders schwere Zeit, denn soziale Einrichtungen sind geschlossen. So berichtet die Partnerorganisation House of Mercy Kyiv aus der Ukraine, dass Obdachlose aus den Krankenhäusern entlassen werden, um Platz für Corona-Patient*innen zu schaffen. Auch die Suppenküchen, bei denen sich obdachlose Menschen oftmals die einzige Mahlzeit am Tag abholen können, haben geschlossen. In kurzer Zeit musste so die Notversorgung mit Lebensmitteln in vier Notunterkünften durch DOM MILO sichergestellt werden. Die russische Organisation Nochlezhka musste Einzelfallberatungen für Menschen ohne festen Wohnsitz einstellen, setzt aber ihre Lobby-und Advocacy-Aktivitäten fort sowie die humanitäre Hilfe für ihre Zielgruppe.

Ältere Menschen brauchen mehr Hilfe

Einige Partnerorganisationen wenden sich gezielt an ältere Menschen. So führt Casa Spero, ein Partner von Kirchen helfen Kirchen, zurzeit das Altenheim, welches sie betreiben, unter besonderen Schutzbedingungen weiter. Da Außenkontakte nicht mehr möglich sind, hatten sich Angestellte der Organisation bereit erklärt, 30 Tage lang im Altenheim zu verbleiben, um so die Ansteckungsgefahr für die Bewohner*innen zu minimieren. Vor besondere Herausforderungen stellt die Organisation die mangelnde Unterstützung durch die öffentlichen Ämter für Gesundheit und soziale Sicherheit sowie das Fehlen von Desinfektionsmitteln und Schutzbekleidung auf dem Markt. Ein weiterer KhK-Partner, der Verein „DR. Carl Wolff“, welcher ein Seniorenheim und ein Hospiz in Rumänien leitet, meldet ebenfalls Engpässe bei der Versorgung mit Schutzmaterialien. Nach staatlichen Vorgaben sollten zuerst staatliche Einrichtungen und dann erst private durch die entsprechenden Firmen beliefert werden. Der KhK-Partner, die deutsche evangelisch-lutherische Gemeinde in Donezk, setzte die häusliche Pflege ihrer Zielgruppen fort, obwohl die Gehälter nur zum Teil gezahlt werden konnten. Wegen der geschlossenen Kontaktlinie zwischen der Ukraine und den von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebieten hat die Partnerorganisation keinen Zugang zu den Projektmitteln mehr.

Behinderte bleiben auf der Strecke

Besonders prekär ist die Lage von Menschen mit Behinderungen in den großen staatlichen Heimen in Russland. Seit Ausbruch der Corona-Krise haben Nichtregierungsorganisationen praktisch keinen Zugang und können ihre Kontrollfunktion nicht ausüben. Die russische Partnerorganisation OB-DET beantragt aktuell zusammen mit Brot für die Welt ein EU-Projekt, um die Situation dieser Zielgruppe in der aktuellen Krise zu verbessern.

Online durch die Corona-Pandemie

Viele unserer Partner versuchen ihre Angebote auch online weiterzuführen. So bietet die Partnerorganisation Special Child Development Centre „LOGOS“ aus der Ukraine, welche einen Kindergarten für Kinder mit ADHS und psycho-sozialen Entwicklungsstörungen betreibt, nun Online-Unterricht für Kinder und Online-Beratung für die Eltern an. Obychnoe detstvo, eine Organisation, die normalerweise Therapie-Angebote für Kinder mit Behinderungen macht, berät Eltern nun telefonisch oder online und unterstützt diese auch weiterhin bei bürokratischen Hürden. Auch die Partnerorganisation La Strada Ukraine setzt ihre Hotline für Opfer häuslicher und sexualisierter Gewalt fort. Dies ist dringend notwendig, denn bereits eine Woche nach dem Lockdown verzeichneten sie einen starken Anstieg von gemeldeten Fällen. Dies berichtet auch der Partner „Enlightenment“ aus Russland, der ein Netzwerk von Expertinnen aufbaut, die mit Frauen in schwierigen Lebenssituationen arbeiten.

Essen wird teurer

Ein wachsendes Problem ist die Knappheit von Nahrungsmitteln. Nahrungsmittelpreise sind teilweise stark gestiegen, viele Familien haben kein oder nur ein geringeres Einkommen. So helfen verschiedenen Partnerorganisationen betroffen Familien mit Nahrungsmittelpaketen. So etwa die Stiftung Mozhlyvist aus der Ukraine, die auch während der Quarantänezeit insbesondere ältere Menschen aufsucht, um ihnen dringend benötigte Nahrungsmittel zu bringen.

Corona-Pandemie hat Gesellschaft zurückgeworfen

Es zeichnet sich ab, dass auch in den nächsten Monaten und Jahren neue Herausforderungen auf unsere Partnerorganisationen zukommen werden. Bereits erarbeitete Fortschritte etwa in der Umweltpolitik und bei sozialen Fragen sind durch die drohende Wirtschaftskrise gefährdet und müssen gegebenenfalls neu mit den jeweiligen Regierungen verhandelt werden.

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Lachender Junge

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50 € (Spendenbeispiel) Mit 50 € kann z.B. eine Permakultur-Schulung in Malawi finanziert werden. So lernen Familien, wie sie dank Permakultur auch in den Dürre-Perioden frisches Obst und Gemüse ernten können.

100 € (Spendenbeispiel) Mit 100 € können z.B. 50 Spaten für das Anlegen von Gemüsegärten in Burkina Faso gekauft werden. Dort wird vermehrt auf dürreresistentes Saatgut gesetzt, um trotz Klimawandel genug zum Überleben zu haben.

148 € (Spendenbeispiel) Mit 148 € kann z.B. ein Regenwassertank mit 2.000 Liter Fassungsvermögen in Bangladesch gekauft werden. Dort versalzen immer mehr Wirbelstürme die Böden und das Grundwasser, Trinkwasser ist Mangelware.

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