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Celebrating Women - Aktionswoche zum Frauentag

Als Ortsgruppe in Bremen führen wir vom 1. bis zum 8. März anlässlich des Internationalen Frauentages eine Aktionswoche durch, in der wir jeden Tag eine starke und inspirierende Frau vorstellen. Das geschieht auf social media und hier im Blog, der jeden Tag aktualisiert wird. Am 8. März gipfelt die Woche in einer Podiumsdiskussion mit jungen, engagierten Frauen im Erfahrungsaustausch. Seid dabei!

Von Brot für die Welt Jugendausschuss am
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Blogbeitrag Vorschau

 

 

 

 

 

 

 

Tag 1: Ni Una Menos ("Nicht eine weniger") - Argentinien 

Lateinamerika hat eine hohe Zahl an Fällen von Gewalt gegen Frauen. Laut einer Studie der NGO Casa del Encuentro wird in Argentinien alle 31 Stunden eine Frau von ihrem Lebensgefährten oder (Ex-)Partner umgebracht.

Ni Una Menos ist eine soziale Bewegung aus Argentinien, die sich aus diesen enormen Gewalttaten und Ungerechtigkeit gegenüber Frauen am 15. März in einem ersten Marsch durch die Straßen manifestierte und seitdem über weite Teile Lateinamerikas ausgebreitet hat. Sie setzen sich gegen Gewalt an Frauen, Femizide (Morde auf Frauen aufgrund ihres Geschlechts) und Machismus ein und fordern eine Überwindung der Geschlechterdifferenzen. Sowohl schwerwiegende Taten wie Morde, als auch kleinere, alltägliche Handlungen gegen Frauen sollen offengelegt und sanktioniert werden. Auch eine Veränderung der öffentliche Wahrnehmung der Gewalt gegen Frauen möchte Ni Una Menos bewirken, da diese bisher als “Privatsache” oder “Verbrechen aus Leidenschaft” angesehen werden. Stattdessen kämpfen sie dafür, dass jegliche Verletzungen und Diskriminierungen von Frauen als Einschränkung eines Lebens in Freiheit angesehen werden.

Mit ihren Forderungen sprechen sie aber keineswegs nur Feministinnen an, sondern alle Menschen - national wie auch international. Und dabei richten sie sich ebenso an Männer, sowohl solche, die ihre Praktiken hinterfragen, als auch diejenigen, die es nicht tun. Ni Una Menos möchte für Jede und Jeden sprechen und eine Existenz ermöglichen, in der niemand auf sein Geschlecht reduziert wird.

Erfolgreich sind die Aktionen und Bestrebungen der Bewegung erst nur Stück für Stück. Zwar gibt es in Argentinien mittlerweile einige Gesetze, die Frauen schützen sollen, doch in der Realität werden sie kaum handlungspraktisch. Der Bewusstseinswandel der Gesellschaft ist ein langwieriger Prozess, der viel Kraft braucht - aber Ni Una Menos macht den Eindruck, als hätten sie viel Power, um die Dinge ins Rollen zu bringen.

Hier findet ihr die Website von Ni Una Menos mit mehr Informationen rund um ihre Werte und Aktionen. 

 

Tag 2: Kalpona Akter - Bangladesh 

Kalpona Akter ist Mitgründerin und Geschäftsführerin des Bangladesh Center for Workers’ Solidarity (BCWS), einer Basisorganisation, die sich für die Rechte von Arbeiter*innen, insbesondere im Textilbereich, einsetzt.

Kapona selbst begann mit 12 Jahren in einer Textilfabrik zu arbeiten. Mit 14 Jahren schloss sie sich einem Streik für bezahlte Überstunden an und bekam mit, dass Mitstreikende, nachdem die Streikenden Recht bekamen, gefeuert wurde. Danach besuchte sie einen Arbeitsrechtworkshop:

“Alles, was ich dort lernte, war neu für mich: Eine Schicht hat acht Stunden. Man darf nicht 400 Stunden pro Monat arbeiten. Es gibt einen Mindestlohn. Der Vorsteher darf mich nicht schlagen. Es gibt Sicherheitsvorkehrungen. So begann alles.”

Heute organisiert Kalpona mit dem BCWS selbst diese Workshops und setzt sich für die Rechte von Arbeiter*innen ein. Dieses Engagement ist für sie jedoch nicht ohne Gefahren. 2010 saß sie wegen angeblicher Unterstützung von Ausschreitungen einen Monat im Gefängnis. Zwei Jahre später wurde ihr Kollege Aminul Islam entführt und ermordet.

Das BCWS wurde 2001 von Kalpona und zwei weiteren ehemaligen Textilarbeiter*innen gegründet und unterstützt Arbeiter*innen und Gewerkschaften. Neben der Interessenvertretung bietet das BCWS ebenfalls Bildungs- und Beratungsangebote. Die Notwendigkeit der Verbesserung der Arbeitsrechte und des Arbeitsschutz in Bangladesch (und in anderen Ländern) hat sich besonders am Fall Rana Plaza gezeigt. Rana Plaza war ein Fabrikkomplex der 2013 einstürzte und über 1.000 Menschen das Leben kostete. Risse im Gebäude wurden bereits einen Tag vor dem Unfall entdeckt. Trotzdem wurden die Arbeiter*innen zur Weiterarbeit gezwungen. Wenige Monate vor dem Einsturz wurde die Fabrik vom deutschen Prüfdienstleister TÜV Rheinland geprüft, in dessen Bericht die Bauqualität als gut bezeichnet wurde. Das ganze Spiegel-Interview mit Kalpona Akter könnt ihr hier lesen.

Über das BCWS könnt ihr hier mehr erfahren.
Mehr über Rana Plaza und die angestoßenen Veränderungen erfahrt ihr hier.

Zitatquelle: Weber-Steinhaus, F. (01.12.2019): Textilarbeiterinnen in Bangladesch "Die meisten leben auf neun Quadratmetern, ohne Fenster", Spiegel.

 

Tag 3: Alaa Salah - Sudan

Wir befinden uns im Sudan auf einer Demonstration gegen das Regime des Präsidenten Omar al-Bashir. Die damals 22-jährige Studentin Alaa Salah liest auf einem Autodach laut ein Gedicht vor. Lana Haroun, eine sudanesische Fotografin und Aktivistin, fotografiert diese Szenerie. In den sozialen Netzwerken verbreitet sich das Foto nun überraschend schnell. Und nur kurze Zeit später, ist aus der jungen Studentin eine Symbolfigur für die Aufstände im Sudan geworden.

“The day they took the photo, I went to 10 different gatherings and read a revolutionary poem. It makes people very enthusiastic. In the beginning I found a group of about six women and I started singing, and they started singing with me, then the gathering became really big.“

Auf dem Foto, das um die Welt ging, trägt Alaa ein langes weißes Gewand und goldene Ohrringe. Ihr Outfit ist dabei nicht bedeutungslos, sondern wird häufig mit den nubischen Königinnen des Reiches Kusch (früheres Sudan) in Verbindung gebracht, weswegen sie auch „Kandaka“ („nubische Königinnen“) genannt wird. Bekannt ist sie ebenfalls als „Frau in Weiß“ oder „Lady Liberty“. Die Mehrheit der Demonstrant*innen (ca. 70%) waren weiblich. Sehr beeindruckend und gleichzeitig verständlich, wenn bedacht wird, dass Frauen* im Sudan jahrelang systematisch unterdrückt wurden.

So gab es z.B. ein Gesetz, welches die Bekleidung und das Benehmen von Frauen* in der Öffentlichkeit vorschrieb. 2018/19 konnte die Regierung endlich durch zahlreiche Proteste gestürzt und ein Übergangsrat gebildet werden. Alaa ist Mitglied bei „MANSAM“, einem wichtigen sudanesischen Frauennetzwerk, wodurch sie die Chance bekam, am 29. Oktober 2019 eine Rede vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu halten. Sie forderte in ihrer Rede die Gleichstellung der Geschlechter, wie auch die Einbeziehung anderer Minderheits-Gruppierungen in den Übergangsrat und der nachfolgenden Regierung!

Mehr zu der damaligen Situation im Sudan erfahrt ihr in diesem Bericht.

Zitatquelle: Salih, Zeinab Mohammed (19.04.2019): „I was raised to love our home“: Sudan‘s singing protester speaks out. Abgerufen 02.03.2021, von https://www.theguardian.com/global-development/2019/apr/10/alaa-salah-sudanese-woman-talks-about-protest-photo-that-went-viral.

 

Tag 4: Olga Karach - Belarus

Olga Karach kommt aus Belarus und ist in Wizebsk, einem kleinen, kulturell sehr engagierten Ort nahe der russischen Grenze geboren. Ihr politisches Engagement begann sie bereits 1996 im Alter von 17 Jahren, als Alexander Lukaschenko zum ersten Mal an die Macht kam und bis heute wie ein Diktator unrechtmäßig an der Spitze des Landes steht. Seit 1996 gibt es in Belarus also keine unabhängigen Gerichte, keine unabhängige Strafverfolgung, kein unabhängiges Parlament mehr.

Olga organisiert als Aktivistin seitdem immer wieder Kampagnen und beteiligt sich an Aktionen zu den Präsidentschaftswahlen, um gegen die Repressionen des Regimes zu kämpfen. Bezahlen musste sie dafür mit wiederholten Entlassungen aus ihrer Anstellung als Lehrerin an verschiedenen Schulen.

2001 wurde Olga in den Stadtrat ihrer Heimatstadt Wizebsk gewählt und war dort das einzige Mitglied der Opposition - umgeben von Männern im Alter von 65 aufwärts, wie sie uns in einem Interview erzählt. Sie sagt, dass sie hier die patriarchalen Züge der Gesellschaft ganz besonders gespürt habe. Zu diesen gehöre auch, dass in Belarus bis heute eine Liste von über 200 Berufen existiere, die Frauen aufgrund ihres Geschlechtes nicht ausüben dürften, darunter Berufe wie Busfahrerin, Taucherin und Feuerwehrfrau.

Im Jahr 2005, nach dem dritten Wahlsieg Lukaschenkos, gründet Olga die Zivilkampagne Nash Dom (“Unser Haus”), welche in erster Linie Aufklärungsarbeit in der belarussischen Bevölkerung leistet. Menschen sollen über ihre zivilen Rechte informiert werden, um sich in kritischen Situationen im Sinne ihrer bürgerlichen und verfassungsmäßigen Rechte selbst verteidigen und vor der Willkür des Systems schützen zu können. Zu ihren Projekten gehören außerdem eine Aktion für eine barrierefreie Umgebung und ein Festival für die Gleichbehandlung von Frauen. Besonders angesichts der aktuellen Proteste, zu denen es seit den Präsidentschaftswahlen im August 2020 in Belarus immer wieder kommt, kommt der Kampagne eine große Bedeutung zu, da viele Menschen gewaltsam und ohne Angabe von berechtigten Gründen und gerichtlichen Prozess inhaftiert werden.

Im Interview haben wir außerdem mit Olga über das Frauenbild in Belarus gesprochen. Sie erzählt uns, dass es noch sehr veraltet und sexistisch sei. Die Frau habe eine klare Rolle, nämlich die der hübschen Hausfrau zu erfüllen. Lukaschenko habe öffentlich gesagt, dass Frauen keine Politik machen könnten, da sie keine Hosen tragen würden. (Abgesehen davon, dass es keine Rolle spielt, ob die Staatsspitze ihre Arbeit in Hosen oder Röcken ausübt, tragen belarussische Frauen natürlich auch Hosen!). Dennoch berichtet sie auch, dass dieses Bild mit den laufenden Protesten immer weiter aufbricht und die Frauen ihre Rechte mittlerweile einfordern. Die Frauen hätten erkannt, dass ein “nein” auch “nein” bedeutet, und nicht “ja” oder vielleicht. Genau so sei das “nein” zu Lukaschenko zu werten - als “nein” und nichts anderes. In den Protesten spielen die Frauen eine zentrale, wenn nicht sogar die zentrale Rolle. Sie sind der Motor der Bewegung wehren sich gegen das Regime, das sie jahrelang unterdrückt hat.

“Eine Welt ohne Gewalt”, das ist die erste Antwort, die Olga auf die Frage nach ihrer Idee von einer gerechten Welt gibt, und man sieht ihr an, wie ernst es ihr damit ist. Sie wünscht sich eine Welt, in der es Gerechtigkeit und Gleichberechtigung gibt, und in der Frauen einen Wert haben und nicht nur die gute Ehefrau sind. Sie fordert, dass Frauen eine Stimme und Respekt bekommen. Und sie wünscht sich, dass alle Menschen mehr auf ihr innerstes hören, und vorschnell zwischen “richtig” und “falsch” urteilen. Sie sagt

“Viele Jahre lang hatten wir keinen Wert und bekamen keinen Respekt. Jetzt ist die Zeit, patriarchale Männer unter Druck zu setzen, uns zuzuhören.”

Hier könnt ihr mehr über die Zivilkampagne Nash Dom erfahren.
Videos der Zivilkampagne, teilweise mit deutschen Untertiteln gibt es hier.

 

Tag 5: Judith Ndongo Torimiro - Kamerun

Judith Ndongo Torimiro ist eine Viren-Forscherin aus Kamerun in Afrika. Sie arbeitet an der Universität für Medizin und Biomedizin in Jaunde I und am Chantal Biya Internationalen Referenzzentrum für Präventionsforschung und Management von HIV / AIDS (CIRCB), auch in Jaunde, Kamerun. Den Doktortitel hat Torimiro im Bereich Infektionen und tropische Krankheiten in England absolviert, sowie zwei Master Abschlüsse in den Bereichen Molekularer Biologie (England) und Chemischer Pathologie (Nigeria).

Sie arbeitet hauptsächlich in der Forschung der Viren-Dynamik und Auswirkungen auf das Fortschreiten von Krankheiten, wie HIV/AIDS, HPV, Hepatitis B&C und Ebola. Zudem gehört die Diagnose und das Behandlungsverfahren mit zu ihrem Gebiet. Seit neuestem beschäftigt sich Prof. Torimiro auch mit dem Corona-Virus. Außerdem setzt sie sich für ein gerechtes Gesundheitssystem ein und fordert für mehr Studierende die Möglichkeiten, in Kamerun unabhängig von Europa oder Amerika, studieren und forschen zu können.

Prof. Torimiro stellt große Mengen an Datensätzen und Forschung zur Verfügung: bis zu 193 Veröffentlichungen an Datensätzen und Forschungsergebnissen, dazu kommen 38 peer-reviewed Publikationen. Auch die Bekämpfung von schwerwiegenden Krankheiten wird vorangetrieben und das Gesundheitssystem wird durch sie gestärkt.Für ihre Arbeit der Virenforschung, erhielt sie den Sasakawa Health Prize der WHO. Das Geld spendete sie komplett dem Gesundheitssystem Kameruns zum Ausbau und Fortschritt. Außerdem werden aktuell 6 Studierende unter ihren Supervisionen begleitet.

Ihr Hauptaugenmerk liegt auf der Arbeit selbst, ihrer Forschung und ihren Studierenden. Die Erforschung der Krankheitsübertragung von der Mutter auf das ungeborene Kind im Mutterleib ist ihr auch besonders wichtig, um eine gesunde Zukunft zu ermöglichen.

Mehr Infos über Prof. Torimiro findet ihr hier und hier gibt es einen Einblick in ihren Lebenslauf.

 

Tag 6: Patricia Gualinga - Ecuador

Die Geschichte von Patricia Gualinga und der Gemeinde Sarayaku klingt nach einem Kampf wie David gegen Goliath oder erinnert vielleicht an das kleine gallische Dorf, das in Comics tapferen Widerstand gegen die Römer leistete.

Bei der Kichwa-Gemeinde mit ca. 2000 Einwohnern handelt es sich aber tatsächlich um ein indigenes Volk, das sich seit 1989 gegen das zerstörerische Vorgehen riesiger Öl-, Holz- und Bergbaukonzerne im Amazonas Regenwald einsetzt - und damit sind die Sarayaku bis heute erfolgreich. Sie verklagten sogar den Staat Ecuador, der die Ölförderung gegen den Willen des Dorfes genehmigte und erwirkten ein Urteil des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte und eine Entschädigung, da gegen das internationale Gesetz zum Schutz indigener Völker und ihr Recht auf eine selbstbestimmte Entwicklung verstoßen wurde.

Patricia Gualinga trat als Stimme dieser Bewegung immer wieder international auf, zum Beispiel als Botschafterin bei der UN-Konferenz indigener Völker in New York und auf der Weltklimakonferenz in Paris. In ihrer Gemeinde ist sie außerdem die Sprecherin der Organisation "Mujeres Amazonicas" (amazonische Frauen), die sich gemeinsam für ihre Rechte und Traditionen einsetzen.

Obwohl das Dorf und besonders die aktivistischen Frauen schon mehrmals Morddrohungen erhielten, haben sie sich nicht von ihrem Einsatz für den Schutz der Regenwaldregion abbringen lassen. Gualinga ist überzeugt davon, dass sie als Frauen gerade dann viel erreichen können, wenn sie sich zusammenschließen und sich gegenseitig unterstützen. Dabei geht es ihr nämlich um viel mehr als um die Erhaltung ihrer naturverbundenen Lebensweise oder die Rücksichtnahme auf einen bestimmten Teil der Erde. Es geht um den Schutz des gesamten Ökosystems und den nachhaltigen, respektvollen Umgang mit allen Lebewesen und Kulturen der Welt und das auch für nachfolgende Generationen.

Sie betont immer wieder die Verbindungen zwischen der Zerstörung des Regenwaldes und den Folgen, die in allen Teilen der Erde spürbar werden. "Die Zerstörung des Amazonas ist die Zerstörung der Welt." März 2020, zu Amnesty International Außerdem geht es Patricia Gualinga um ein tieferes, spirituelles Begreifen unserer Umgebung, woraus unweigerlich ein Verständnis für den bewussten Umgang mit knappen Ressourcen hervorgeht. “Wie erklärt man Europäern ein Weltbild, in dem Bäume mehr sind als ein Rohstoff?”

Hier, hier und hier findet ihr Artikel und weitere Informationen zu Patricia Gualinga, und hier gibt es einen kleinen Film über sie. 

 

Tag 7: Jaqueline Moudeina - Tschad

Jacqueline Moudeina ist eine Rechtsanwältin und Menschenrechtsaktivistin aus dem Tschad. Ihr Studium hat sie im Kongo absolviert, nachdem sie vor dem Bürgerkrieg im Tschad dorthin floh. Nachdem auch der ehemalige Präsident Hissène Habré, der nach dem Bürgerkrieg das Land mit Gewalt regierte, gestürzt wurde, kehrte sie in den Tschad zurück.

Im Jahr 2000 klagte Moudeina im Namen von sieben Opfern von Folter durch das ehemalige Regime den gestürzten Präsidenten Habré an, Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt zu haben. Dieser befand sich zu diesem Zeitpunkt im Senegal, wo er Asyl gewährt bekommen hatte. Es folgte ein langer Konflikt um die Zuständigkeit für das Verfahren zwischen den unterschiedlichen Ländern, der hier genauer beschrieben wird.

Der Konflikt endete damit, dass Moudeina vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag bewirkte, dass der Senegal das Gerichtsverfahren im Namen der Afrikanischen Union durchführen musste. Dort wurde Habré zu lebenslanger Haft verurteilt. Dieses Verfahren war das allererste, in dem ein ehemaliger Staatschef in einem Verfahren, dass durch die Afrikanische Union unterstützt wurde, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt wurde.

Moudeina hat somit ein starkes, internationaler Signal gegen die Straffreiheit gesetzt:

“Ich denke, dass die Straffreiheit die wichtigste Ursache für Menschenrechtsverletzungen ist. Solange sie besteht, solange wir sie nicht abschaffen, wird es weiter schlimme Menschenrechtsverletzungen in unserem Land geben. Wenn wir die Urheber aber bestrafen können, dann werden diejenigen, die Ähnliches vorhaben, es nicht tun.”

Seit 2004 ist Moudeina Präsidentin der “Chadian Association for the Promotion and Defense of Human Rights”, die sich für die Einhaltung der Menschenrechte im Tschad einsetzt. Dort arbeitet sie in ganz unterschiedlichen Bereichen. So setzt sie sich unteranderem gegen Kinderarbeit und Kinderehen und für die Rechte von Gefangenen ein.

 

Tag 8: Shamsia Hassani - Afghanistan

Die meisten Menschen hören wahrscheinlich nur in den Nachrichten von Afghanistan. Ein Anschlag in Kabul oder ein weiteres Dorf, das unter Kontrolle der Taliban ist. Doch eine junge Frau möchte genau das ändern.

"I want to make Afghanistan famous for its art not its war"

sagt Shamsia Hassani gegenüber Art Radar. Dafür geht sie auch selbst auf die Straße, und zwar als Künstlerin. Besser gesagt, als erste weibliche Street Art-Künstlerin Afghanistans.

Geboren wurde Hassani 1988 im Iran und kam erst 2005 nach Kabul, wo sie durch einen Workshop im Jahr 2010 die Graffiti-Kunst kennenlernte. An der Universität Kabul absolvierte sie dann einen Bachelor in Malerei und einen Master in "visual arts". Wenig später wurde sie sogar selbst Dozentin für bildende Künste und anatomisches Zeichnen an der Universität.

Ihre Kunst wurde bereits in verschiedensten Ländern auf der ganzen Welt ausgestellt. Ganz so einfach, wie er vielleicht klingt, war ihr Weg aber nicht immer. Da Shamsia Hassani ihre Kunstwerke unmittelbar über die Kriegserinnerungen der Stadt legen möchte, sind ihre Leinwände meistens die Mauern von Gebäuden, die durch Bombeneinschläge und Schüsse zerstört worden sind. Da viele Menschen glauben, im Islam sei es nicht erlaubt, dass eine Frau auf der Straße Graffiti sprüht, erfuhr sie immer wieder Belästigungen und versuchte die Werke schnell fertig zu stellen.

Diese zeigen auf ausdrucksstarke Weise Frauen mit Kopftüchern, umgeben von Blumen oder Instrumenten, stets in leuchtenden Farben. Die kastenförmigen Häuser, die sie eher im Hintergrund zeichnet, wirken dagegen viel kleiner als die Frauen. Hassani möchte nämlich nicht nur Farbe und Hoffnung in die Straßen Kabuls bringen, sondern auch auf die Stärke der afghanischen Frauen aufmerksam machen und ein modernes, selbstbewusstes und fröhliches Bild von ihnen zeigen. Dafür setzt sie sich mit ihrer Kunstform auch selbst über Rollenklischees hinweg und inspiriert Menschen auf der ganzen Welt.