Religiöse Vielfalt – eine Herausforderung an unser Handeln

Angesichts einer Zunahme von religiös orientierten, ausgrenzenden Tendenzen in Deutschland sowie internationalen Versuchen, inner- und zwischenstaatliche Spannungen religiös aufzuladen, hat die Konferenz Diakonie und Entwicklung zur religiösen Vielfalt als Herausforderung an unser Handeln sich am 15. Oktober 2015 positioniert.

Die Konferenz Diakonie und Entwicklung unterstreicht, dass

  • der Auftrag des Evangelischen Werks für Diakonie und Entwicklung unterschiedslos allen Menschen gilt, die in leiblicher Not, seelischer Bedrängnis, Armut, ungerechten und gewaltförmigen Verhältnissen leben. Das Werk benennt und deckt die Ursachen dieser Nöte auf und trägt zu ihrer Beseitigung bei.
  • das Recht eines jeden Menschen, seine Religion in Freiheit praktizieren und leben zu können, zu achten und zu schützen ist. Religionsfreiheit ist Grundlage für ein inklusives, plurales, auf Ausgleich und Partizipation bedachtes Gemeinwesen und eine friedliche, an der Würde des Menschen orientierte Entwicklung.
  • das Zeugnis für den christlichen Glauben und der interreligiöse Dialog keinen Widerspruch bilden. Gerade die eigene Gewissheit des Glaubens kann sich angstfrei der Gewissheit des anderen aussetzen und Gemeinsamkeiten mit anderen Religionen in einer Weise suchen, von der das Zusammenleben in jeder Gesellschaft nur profitieren kann.

I. Der positive Umgang mit religiöser Vielfalt in unserer nationalen Arbeit Interkulturelle Öffnung, religions- und kultursensible Angebote als Chance und Herausforderung für die Arbeit der Diakonie

Diakonische Arbeit findet heute in einem zunehmend multireligiösen Kontext statt. Wir erleben in Deutschland eine Ausweitung des Spektrums christlicher Konfessionen und anderer Religionsgemeinschaften wie dem Islam sowie eine Auffächerung und Individualisierung der Glaubensformen. Die Diakonie richtet sich mit ihren Angeboten, ihrem biblischen wie ihrem öffentlichen Auftrag entsprechend, an alle Menschen. Sie entwickelt religions- und kultursensible Angebote und trägt Sorge für eine interkulturelle Öffnung ihrer Dienste und Einrichtungen. Interkulturelle Öffnung ist eine Leitungsaufgabe, die durch Kultur- und Organisationsentwicklung eine feste Grundlage erhält.

  • Die Konferenz Diakonie und Entwicklung betrachtet religiöse Vielfalt als gesellschaftlichen Reichtum. Die Konferenz für Diakonie und Entwicklung bestärkt die Diakonie darin, den Prozess der interkulturellen Öffnung aller Angebote konsequent weiter zu führen.

 Muslime als Partner in der Wohlfahrtspflege

Die weiter wachsende religiöse Vielfalt in unserer Gesellschaft erhält durch die Frage nach einer muslimischen Wohlfahrtspflege derzeit neue Impulse. Die Geschichte der Entwicklung der etablierten Wohlfahrtsverbände zeigt, dass eine nachhaltige und überzeugende Entwicklung einer Wohlfahrtspflege auf der kommunalen Ebene beginnt und sich zunächst dort bewähren muss.

  • Die Konferenz Diakonie und Entwicklung begrüßt den Aufbau einer muslimischen Wohlfahrtspflege, die eine unterschiedslose Zugänglichkeit ihrer Angebote für alle Menschen gewährleistet. Die Diakonie ist offen für den konstruktiv-kritischen Dialog und steht mit ihrem Know-how dem Aufbau muslimischer Wohlfahrt zur Verfügung.

Diakonisches Engagement gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, religiöse Diskriminierung und Rassismus

Die Diakonie begegnet der zunehmenden gesellschaftlichen Herausforderung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, religiöser und rassistischer Diskriminierung und des Rechtsextremismus u.a. mit ihrer Beteiligung an der Interkulturellen Woche, Angeboten der rassismuskritischen Bildungsarbeit sowie durch Förderung und Stärkung von Diskriminierungsbetroffenen. Als zivilgesellschaftlicher Akteur tritt sie in Politik und Verwaltung für eine offene Gesellschaft sowie ein konsequentes Eintreten gegen alle Formen von direkter und indirekter Diskriminierung und für eine konsequente Strafverfolgung rassistischer Gewalt ein.

  • Die Konferenz Diakonie und Entwicklung wendet sich in aller Deutlichkeit gegen jede Form von Rechtspopulismus und rassistischer Hetze und alle Formen von Rechtsextremismus. Rassismuskritische und religionssensible Bildungsarbeit innerhalb und außerhalb der schulischen Bildungseinrichtungen sowie die Stärkung und Unterstützung von Opfern von Diskriminierung sollten nachhaltig gefördert werden.

Diversity als Anforderung in der diakonischen Arbeit

Die Aufgabe, eine Haltung des Respekts zwischen den Konfessionen und Religionen sowie deren Dialog untereinander zu fördern, stellt sich im wachsenden Maß auch in Bezug auf die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden der Diakonie. Fachliche Anforderungen an die Arbeit in multireligiösen Kontexten, im interreligiösen Dialog sowie in Kooperationen erfordern eine spezielle Qualifikation sowie berufsbegleitende Fortbildung. Die Bemühung um Diversifizierung in diakonischen Einrichtungen muss sich mit verstärkten Bemühungen um das diakonische und kirchliche Profil der Einrichtungen verbinden.

  • Es ist weitere theologische, juristische und konzeptionelle Arbeit erforderlich, um das christliche Profil diakonischer Einrichtungen angesichts zunehmender Diversifizierung weiterzuentwickeln.

Erwartungen an die Politik

Eine inklusive, offene Gesellschaft ermöglicht allen Menschen umfassende Teilhabe, einen diskriminierungsfreien Zugang zum Arbeits- und zum Wohnungsmarkt sowie eine soziale Sicherung. Eine Politik der Abschottung und des Ausschlusses wirkt kontraproduktiv und gesellschaftsspaltend.

  • Die Konferenz Diakonie und Entwicklung ruft alle politisch Verantwortlichen dazu auf, rassistische Gewalt und Diskriminierungen in allen gesellschaftlichen Bereichen konsequent zu ahnden und rassistische Motive von Straftaten zu ermitteln,
  • unabhängige Beschwerdestellen einzurichten
  • und einen Kodex für politische Parteien zu entwickeln.

II. Der positive Umgang mit religiöser Vielfalt in unserer internationalen Arbeit Die Frieden stiftende Rolle von Religionsgemeinschaften in Gewaltkonflikten fördern

Wachsende soziale Ungleichheit und die damit einhergehenden Zerstörung der sozialen Kohäsion in vielen Gesellschaften, Ressourcenkonflikte und politische Machtkonflikte innerhalb und zwischen Staaten nehmen zu. In vielen Fällen werden Konflikte von den Kontrahenten mit religiösen Begründungen und Werten zum Zwecke der Mobilisierung aufgeladen.

Im Zuge dessen nimmt die Verfolgung von Andersreligiösen – speziell wenn es sich um Minderheiten handelt - durch staatliche Organe und durch nicht-staatliche Gewaltakteure zu. Auch gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Anhängern verschiedener Religionen wie zwischen verschiedenen Strömungen von Glaubensgemeinschaften nehmen zu. Dabei greifen Gewaltakteure häufig zu religiösen Argumenten, um Gewalt zu rechtfertigen. Auch wird die Religionszugehörigkeit oftmals als Erklärungsmuster für Gewaltkonflikte genutzt. Religion ist deshalb immer häufiger ein Konfliktfaktor, wenn auch zumeist nicht eine eigentliche Konfliktursache. Religion und religiöse Akteure besitzen aber auch ein großes Friedenspotential und bringen es aktiv zugunsten gewaltfreier Konfliktlösungen ein. Differenzierte Einzelanalysen sind darum notwendig, um die Rolle und das Potential von religiösen Akteuren in gewaltsam ausgetragenen Konflikten zu verstehen, ihre Widerstandskraft gegen Gewaltmobilisierung zu erhöhen und um ihre Programme friedensfördernd ausgestalten zu können (‚do no harm‘).

Diese religiöse Aufladung von gewaltsam ausgetragenen Konflikten lässt den Religionsführern weltweit eine große Aufgabe in der Bewahrung oder Wiedergewinnung des Friedens und in der Versöhnungsarbeit und Friedenskonsolidierung zukommen. Verständnis für Religionsfreiheit, Toleranz und ein inklusives, plurales, auf Ausgleich und Partizipation bedachtes Gemeinwesen sind die unerlässlichen Grundlagen für eine friedliche, an der Würde des Menschen und seinen Rechten orientierte Entwicklung. Der Ausgrenzung und Verfolgung anderer Religionsgruppen oder von Minderheiten müssen sich Religionsführer unterschiedslos entgegen stellen.

Um Verständnis für ihre Verantwortung und ihre konkreten Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln und zu erhalten, sind Religionsführer auf eine kritische Selbstreflexion der Rolle ihrer Religionsgemeinschaften in Gewaltkontexten und auf inter-religiösen Dialog und Zusammenarbeit angewiesen. Manche brauchen dabei Unterstützung. Partner, die sich in der interreligiösen Friedensarbeit engagieren und selber Ziel von Gewaltakteuren werden, brauchen Schutz.

  • Die Konferenz möchte Gewaltkontexten und Situationen, in denen Minderheiten aller Art Verfolgung und die Zivilgesellschaft insgesamt zunehmender Einschränkung und Repression ausgesetzt sind, besondere Aufmerksamkeit und Schutzbemühungen gewidmet sehen.
  • Die Konferenz unterstreicht die Notwendigkeit,dem Erklärungsmuster vom „Kampf der Religionen“ sowie der zunehmenden Missachtung der Religionsfreiheit entgegenzutreten,
  • vereinfachenden Schuldzuweisungen und Verurteilungen von anderen Religionsgemeinschaften, bzw. deren Zugehörigen mit differenzierten Konfliktanalysen des je konkreten sozialen, wirtschaftlichen und politischen Kontextes und mit friedenspädagogischen Programmen etc. entgegenzutreten,
  • gerade in Konfliktsituationen systematisch den Dialog und die Kooperation über die Grenzen der Religionsgemeinschaften hinweg zu suchen und zu fördern und dabei ideologische ‚Kontaktsperren‘ zu missachten,
  • die Reflexion der eigenen Verantwortung und die Handlungsfähigkeit von Kirchenführenden in ihrem Einsatz für Menschenrechte, Frieden, Gerechtigkeit und Umwelt zu unterstützen.

Pluralität, Toleranz und Demokratie fördern

Religiöse Intoleranz und die Leugnung der Religionsfreiheit ist in einem Zusammenhang mit der ideologisch begründeten Ablehnung der in den Menschenrechtskonventionen kodifizierten unveräußerlichen persönlichen Rechte des Menschen insgesamt zu verstehen. Die Infragestellung religiöser Pluralität ist mancherorts nur ein Ausdruck des Strebens nach Homogenität anstelle von Vielfalt. Demokratie sowie politischer, religiöser, ethnischer, kultureller u.a. Pluralismus - explizite Förderziele von Brot für die Welt – erfahren weltweit zunehmend politische Abwertung. Manche Staaten – selbst in Europa – und rechtsradikale oder andere demokratie- und friedensfeindliche Gruppen propagieren zunehmend die ethnische, nationale, religiöse Homogenisierung von Nationalstaaten als Ideal (auf Kosten von Minderheiten) und begegnen Minderheiten oder Zuwanderer/Flüchtlinge mit Vor(ver)urteil(ung)en, Ausgrenzung und Abwehr. Die Machtfestigung demokratiefeindlicher Regierungen und der wirtschaftlichen Interessen, die sie schützen, geht mit immer stärkerer Einschränkung der Handlungsräume der Zivilgesellschaft einher. Laut Civil Society Watch Bericht 2014 sind in insgesamt 96 Ländern, darunter vielen BRICs-Ländern, die Rechte der Zivilgesellschaft gesetzlich stark limitiert. Insofern sind neben Projekten und Projektpartnern, die in interreligiösen Dialogen und Friedensarbeit engagiert sind, auch viele andere, vor allem die, die einen rechtebasierten Ansatz in ihrer Arbeit verfolgen, Zielscheibe von Repressionen und Bedrohungen.

  • Die Konferenz bekräftigt, dass in allen Fördermaßnahmen der Werke Brot für die Welt und Diakonie Deutschland darauf zu achten ist,
  • dass sie Menschen zugutekommen gleich welcher Religion sie angehören und dass kein Projektpartner Bedürftige aufgrund seiner religiösen oder konfessionellen Zugehörigkeit aus seinen Maßnahmen ausschließen darf,
  • dass Fördermaßnahmen die religiösen Gefühle und Eigenheiten der Zielgruppen nicht verletzen und nicht direkt oder indirekt zur Diskriminierung einzelner Religionsgruppen und/oder zu Religionskonflikten beitragen.
  • Die Konferenz bekräftigt den Grundsatz, dass – bei beibehaltener präferentieller Option für kirchliche Partner – Organisationen aller religiösen Couleur Partner des Werkes sein können, sofern sie unsere ethischen Prinzipien teilen und ihrerseits religiöse Toleranz praktizieren und für Religionsfrieden eintreten.
  • Sie sieht zugleich die Notwendigkeit, den Beitrag christlicher Gemeinschaften in der Gesellschaft speziell dort zu stärken, wo Minderheitenkirchen unter starkem Druck stehen und auf einen positiven sichtbaren Beitrag zum Gemeinwohl angewiesen sind; sie sieht ebenso die Notwendigkeit, den Schutz anderer religiöser Minderheiten zu fördern.
  • Sie ermutigt das Werk, in seinen politischen Anstrengungen fortzufahren, den Raum für Dialog, für ökonomische, soziale und politische Beteiligung aller im Land lebenden Volksgruppen, bzw. religiösen Gruppen stärken, schützen und verteidigen zu helfen.

Erwartungen an die Bundesregierung

70 Jahre nach Inkrafttreten der Charta der Vereinten Nationen erwartet die Konferenz Diakonie und Entwicklung von der Bundesregierung,

  • sich verstärkt international für den Schutz des unveräußerlichen Rechts aller Menschen auf freie Religionsausübung einzusetzen,
  • sich in allen zwischenstaatlichen und internationalen Verhandlungen für den Erhalt und die Erweiterung des Raumes für die Zivilgesellschaft einzusetzen,sich dezidiert für die Stärkung internationaler Strukturen und Mechanismen (UN, OSZE etc.) zur Einhegung von Gewalt und für die Bearbeitung von gewaltsam ausgetragenen Konflikten mit zivilen Mitteln einzusetzen,
  • die Einbeziehung religiöser Führer in politische Mediations- und Versöhnungsbemühungen in Konfliktregionen, sowie interreligiösen Dialog und Kooperation stärker zu fördern.

Berlin, im Oktober 2015

Überarbeitet durch den Vorstand, Stand 03.02.2016

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Lachender Junge

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